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24h Le Mans 1970: Der David schlug die Werks-Goliath

Von Gerhard Kuntschik
Sieger der 24h Le Mans 1970: Der Salzburger Porsche 917

Sieger der 24h Le Mans 1970: Der Salzburger Porsche 917

Im Jahre 1970 holte Porsche den ersten von insgesamt nun schon 19 Gesamtsiegen bei den legendären 24 Stunden von Le Mans. Am Steuer des Porsche 917 saßen damals Hans Herrmann und Richard Attwood.

Auch wenn es heuer zuerst eine virtuelle Ausdauerprüfung gibt: Le Mans, das war schon immer das Prestigeobjekt der Autobauer. Anders als in der Formel 1, in der stets die Fahrer im Mittelpunkt standen, war der «Grand Prix d’Endurance les 24 Heures du Mans», so der sperrige offizielle Name des Marathons, die Bühne der Hersteller. In den 1960ern dominierte zuerst Ferrari, dann kam die vierjährige Herrschaft von Ford – filmisch erst im Vorjahr dargestellt durch «Ford vs. Ferrari» über das Rennen 1966.

Doch ab 1969 mischte auch Porsche um den Gesamtsieg mit, der im ersten Anlauf gegen Ford knapp verpasst wurde. Vor 50 Jahren, am 13./14. Juni 1970, war Le Mans Schauplatz des bis dahin aufwändigsten Gigantenmatches: Sieben neue Porsche 917 gegen elf Ferrari 512 (jeweils Werk- und werkunterstützte Teams), drei Matra und vier Alfa Romeo plus ältere Modelle privater Teams.

Porsche setzte beinahe alle Karten auf die drei 917 des Werkteams von John Wyer. Doch diese fielen ebenso aus wie die vier Werk-Ferrari, so dass die «Kunden» entscheiden mussten. Ein «Kunde» der Stuttgarter war Louise Piech, Tochter von Ferdinand Porsche und Chefin der Salzburger Porsche Holding, die den Rennleiter Gerhard Strasser mit dem Einsatz von zwei 917 beauftragte: Einem Kurzheck-Wagen für den schwäbischen Veteranen Hans Herrmann und seinen britischen Partner Richard Attwood, eine Langheck-Version für den Deutschen Kurt Ahrens und den Briten Vic Elford.

Der Salzburger Strasser, heute 84 Jahre alt und an den Rollstuhl in seinem Altstadthaus gebunden, war Motorradrennfahrer und Betriebsleiter einer Ford-Werkstätte in Salzburg, als er 1968 von Ernst Piech den Posten des Rennleiters in der Alpenstraße angeboten bekam. Neben Rallye-Käfern und den Formel-V-Boliden wurde in der Alpenstraße dann auch am Langstrecken-Projekt gearbeitet, auch auf Wunsch von Louise Piechs Sohn Ferdinand, der als damaliger Entwicklungschef von Porsche «Vater» der ultraschnellen, aber höchst filigranen und damit risikoreichen 917 war. Zwar gewann Porsche auch mit Salzburger Unterstützung schon 1969 den Marken-WM-Titel, doch die Krone in Le Mans fehlte.

Strasser erinnert sich: «Wir haben den Wagen rennfertig übernommen. Wir konnten die Fahrer selbst aussuchen. Da ging es um Schnelligkeit und Zuverlässigkeit.» Nach fünf Siegen der Werks-Porsche von John Wyer in den ersten sieben Saisonrennen und einem Salzburger Doppelerfolg im älteren 908 (Elford/Ahrens vor Herrmann/Attwood auf dem Nürburgring) kam Le Mans.

«Unsere Mannschaft bestand aus fünf Personen, die die zwei Autos betreuten. Aber die 917 waren schon vom Werk her brillant vorbereitet übergeben worden», sagt Strasser. Das gesamte Budget für die Renneinsätze habe Porsche Salzburg selbst aufbringen müssen: «Und wir haben uns alle Details selbst organisiert.» Als Ferry Porsche, Louise Piechs Bruder, persönlich die Tricolore als Startflagge schwenkte, nahm Vic Elford im Salzburger 917-Langheck den Marathon aus der Pole-Position in Angriff. Für die Werk-Ferrari 512, die Alfa und die Matra wurde das Rennen mit stundenlangem Regen schon in den ersten Stunden zum Desaster, und auch die Wyer-Porsche sahen kein Ziel. Nach 225 Runden schied auch der Salzburger Langheck-917 mit 4,9-Liter-Motor aus, doch Herrmann/Attwood im «kurzen» 917 (mit 4,5-Liter-Motor) kamen durch und siegten mit fünf Runden Vorsprung auf den Martini-Porsche 917 von Gérard Larrousse/Willi Kauhsen.

Platz drei holten in einem Martini-908 der Grazer Helmut Marko und der Bludenzer Rudi Lins. Hans Herrmann, damals 42, erfüllte das Versprechen an seine Gattin und beendete mit diesem Erfolg seine glanzvolle Karriere. «Dass ich genau ein Jahr nach dem knapp verpassten Sieg in Le Mans gewinnen konnte, war natürlich speziell», bestätigt Herrmann noch Jahrzehnte später, «es war sehr bewegend, dass diese vielen Faktoren zusammenkamen.»

Für Rudi Lins, heute 75 und Autohaus-Seniorchef in seiner Heimat, war Le Mans der Höhepunkt neben dem Berg-Europameistertitel 1967. «Die Erinnerung an den Porsche-Dreifachsieg und unseren dritten Platz ist großartig, aber fast noch mehr denke ich an die endlosen Stunden im Regen», erinnert sich Lins, und ergänzt: «Wenn es in der Nacht schüttet und du rast die Hunaudières mit Topspeed hinunter, fragst du dich schon, muss das sein?»

«Der Sieg war nie gefährdet. Und (Ferdinand) Piech mischte sich nicht ein, es gab also keine Stallorder. Zum Ende der Saison gab es eine ordentliche WM-Feier in Stuttgart», erzählt Strasser. Doch damit waren die glorreichen Zeiten zumindest bei den Prototypen vorbei: 1971 nahm Porsche Salzburg nicht mehr an der Marken-WM teil. Den zweiten Le-Mans-Gesamtsieg fuhren 1971 Helmut Marko und Gijs van Lennep in einem 917 in Martini-Farben mit einem Distanzrekord von 5335 Kilometern heraus, der erst 2010 überboten wurde.

Strasser traf Herrmann, mittlerweile 92, später noch einige Male bei Oldtimer-Veranstaltungen. Kürzlich feierten Ahrens, Attwood und Larrousse «runde» Geburtstage, sie wurden 80 – höchst ungewöhnlich für Rennfahrer ihrer Epoche. Und Lins feierte bei Porsches Rennsport-Reunion in den USA Wiedersehen mit vielen Ex-Kollegen: «Das waren schon berührende Momente.» Schade, dass der Vorarlberger ausgerechnet mit seinem engeren Landsmann und 1970er-Partner Marko keinen Kontakt mehr hat.

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