Matthias Walkner (KTM): «Ich bin keine Eintagsfliege»
Zum dritten Mal auf dem Podest: Matthias Walkner
Matthias Walkner (32) gelang bei der Dakar-Rallye 2019 der dritte Podestplatz hintereinander – nach dem zweiten Platz 2017 und dem Triumph 2018 preschte er am letzten Tag noch auf den zweiten Platz hinter Toby Price. Dabei musste er einige Zeit sogar um einen Podestplatz bangen. Denn er war mit einer Grippe angereist, hatte sich bei einem Sturz am vierten Tag am Sprunggelenk verletzt – und verlor dann wegen eines fehlerhaften Roadbooks (durch Verschulden des Veranstalters) zusätzlich 18 Minuten.
Doch Walkner, der MX3-Weltmeister 2013, der schon 2015 Motorrad-Rallye-Weltmeister wurde, hat sein Durchhaltevermögen und seine Belastbarkeit schon oft genug bewiesen. Denn die «Dakar» ist nichts für Angsthasen oder Langschläfer. «Wir stehen an einem Wettkampftag meistens um 3 Uhr auf, um 4 Uhr oder 4.30 Uhr wird gestartet. Zwischen 14 und 17 Uhr kommen wir zurück ins Biwak, danach wird die Etappe und das Roadbook vom nächsten Tag vorbereitet», beschreibt der 32-jährige Salzburger seinen normalen Tagesablauf.
Die körperlichen und mentalen Belastungen bei der Dakar-Rallye sind unvorstellbar. Jeder Fahrer ist irgendwann angeschlagen, keiner kommt sturzfrei durch, man muss bei hohem Tempo navigieren, in den Dünen springt man manchmal ins Blaue. Aber man darf sich auch in aussichtslosen Situationen nicht unterkriegen lassen.
Matthias, von Toby Price und dir hat man bei Halbzeit der Rallye keinen Doppelsieg mehr erwartet. Aber man muss bei der Dakar viele Rückschläge wegstecken und weiterkämpfen. Denn es kann jeden Tag ein Umsturz im Klassement passieren.
Ja, genau. Erstens das. Und zweitens musst du schauen, dass die Gegner immer einen Druck von dir verspüren. Das war immer der Fall. Es hat jeder Topfahrer gewusst: Wenn er irgendeinen Fehler macht, sind die Podestchancen weg. Denn ich war nie mehr 10, 12 oder 15 Minuten hinten.
Und durch die 3-Minuten-Startabstände, die wir meistens hatten, lässt du gleich einmal relativ viel liegen.
Ein bisschen schade war, dass ich am dritten Tag, als ich als Etappensieger vom Vortag die Piste eröffnet habe und als Erster gestartet bin, dass an diesem Tag das Roadbook bei einem Wegpunkt um 2 km nicht gestimmt hat. Die Organisation hat nachher eingestanden, dass es definitiv einen Fehler gegeben hat.
Das habe ich ja selbst gesehen, als wir zwei Tage später aus der anderen Richtung dort wieder vorbei gekommen sind. Ich habe an diesem dritten Tag fast 20 Minuten herumgesucht. Das war der einzige Fehler, der aber nicht in meinem Bereich lag. Davon abgesehen war es echt mit Abstand die beste Dakar, die ich bis jetzt gefahren bin.
Überwiegt jetzt die Freude über Platz 2? Oder der Ärger über den verpassten Sieg?
Es ist ein bisschen bitter, denn es war 2017 schon genau das Gleiche… Damals bin ich auch am vierten Tag durch einen Roadbook-Fehler zurückgefallen. Auch damals habe ich die Piste aufmachen müssen.
Es ist ärgerlich: In den letzten drei Jahren gab es genau zwei Roadbook-Fehler. Und beide Male bin ich als Erster gestartet. Und vor zwei Jahren habe ich deswegen auch so viel Zeit verloren. 2018 gab es bei der Dakar keinen einzigen Roadbook-Fehler.
Nein, ich trauere dem Sieg trotzdem nicht nach.
Ich bin extrem froh, dass ich wieder auf dem Podium gestanden bin und einen zweiten Platz habe. Ich habe bestätigt, dass meine bisherigen Erfolge keine Eintagsfliegen waren. Ich kann deshalb extrem gut mit dem zweiten Platz leben. Bei der Dakar kann so viel passieren… Man hat es bei Quintanilla gesehen, der 100 km vor dem Ziel noch um den Sieg gekämpft hat und dann nach dem Sturz nicht einmal auf dem Podium gestanden ist.
Mir hätte es genau so ergehen können wie ihm, denn ich habe die Abrisskante in den Dünen, wo es ihn geschmissen hat, 1:1 genauso übersehen wie er. Ich bin deshalb mit dem Helm am Lenker «eingeschädelt», mein Sprunggelenk hat wieder arg weh getan.
Ich habe mir dann gedacht: Hoffentlich kommen Toby Price und Quintanilla gesund durch. Denn ich habe gewusst, wie die beiden «anrauchen» werden, es ist janbei ihnen um mehr gegangen als bei mir. Ich musste das Motorrad an diesem Tag nur ins Ziel bringen…
Fünf Minuten nach diesem Gedanken habe ich schon den Notfall-Hubschrauber fliegen gesehen.
Da dachte ich: Hoffentlich ist da keinem was passiert.
Deine mentale Stärke wurde bei der Dakar 2019 auf eine harte Probe gestellt.
Ja, es ist bei mir so: Ich will keine Grube graben, wo kein Loch ist.
Denn ich habe gewusst, wie gut ich mich vorbereitet habe. Ich konnte mit einem guten Gewissen zur Dakar hinfahren und am Tag X mein Bestes geben. Das ist mir gelungen.
Natürlich wäre ich vom Ergebnis her enttäuscht gewesen, wenn ich auf Platz 6 gelandet wäre. Denn man will auf dem Podium stehen.
Aber wichtig ist, dass man sich sagen kann: «Ich habe jeden Tag mein Bestes gegeben.» Wenn dann nur der sechste Platz herausschaut, kann ich damit extrem gut leben. Denn es kann nicht jeder Erster werden.
Wichtig ist, dass ich zu mir selber sagen kann: «Du hast es echt probiert, du hast einiges dafür getan.»
Wenn es funktioniert, ist es umso schöner. Wenn es nicht klappt, lässt es nicht nicht ändern.