Dovizioso: Als der Dauer-Verlierer die Kurve bekam
Andrea Dovizioso
Man erzählt von Sportstars gerne, dass sie ihr Handwerk in die Wiege gelegt bekamen. Ihr Talent mit der Muttermilch aufsaugten. Die Gene als Erfolgsgaranten sozusagen.
Andrea Dovizioso ist einer, auf den das durchaus zutrifft. Der Papa Motocross-Fahrer, die erste Maschine bekam er im Alter von vier Jahren, er wuchs quasi in einem Renntruck auf. Mit der Leidenschaft für zwei Räder, für die Geschwindigkeit, für den Spaß, den Erfolg.
Auch wenn er zwischenzeitlich lange darauf warten musste.
Dovizioso, der Anfang des Jahrtausends von Aprilia entdeckt und 2004 Weltmeister in der 125-ccm-Klasse auf Honda wird, fährt seit 2008 in der MotoGP. Lange steht er im Schatten der Stars, ist vorne dabei, aber nie mittendrin.
2009 gewinnt er sein erstes Rennen, muss auf den zweiten Erfolg in der Saison 2016 aber 2653 Tage warten. 2653. Eine Ewigkeit, nicht nur im Motorsport.
Doch 2017 startet er durch, gewinnt sechs weitere Rennen, wird Vizeweltmeister. 2018 wiederholt er Platz zwei. Zum großen Wurf reichte es erneut nicht, doch er ist auf Weltklasse-Niveau angekommen. Zwölf Siege sind es bis heute, auch 2019 kämpft er um den Titel.
Nicht der schillernde Superstar
Dovizioso ist eher bodenständig als der schillernde Superstar. Er lebt zurückgezogen, ist sparsam. Keine Privatjets, dafür lieber Privatauto. Dovi ist Vater einer achtjährigen Tochter, lebt von der Mutter getrennt und ist seit Jahren mit Alessandra Rossi liiert, ein ehemaliges Grid-Girl von Monster.
Die Familie ist ihm heilig, was bei den Testfahrten vor seinem Gaststart in der DTM am kommenden Wochenende (7.-9. Juni) in Misano zu sehen war, denn sie waren alle versammelt: Papa, Alessandra, der Manager, der Teammanager.
Klar ist: Gene sind eine gute Grundlage, aber nicht alles. Dovizioso gilt als extrem detailversessen. Akribisch. Ein Vollprofi, super ehrgeizig, fleißig, unermüdlich. «Er ist ein extrem guter Schüler, hört gut zu und lernt schnell, ist dazu extrem ehrgeizig», lobte Coach Mattias Ekström Schüler Dovizioso bei SPEEDWEEK.com: «Dadurch ist es relativ einfach. Je mehr man ihm gibt, desto mehr setzt er um, weshalb die Schritte deutlich zu erkennen sind.»
Gründe für den Aufstieg
Ehrgeiz und Talent sind bei Dovizioso aber nicht alles. Es gibt weitere Gründe, warum sich der 33-jährige Italiener von einem Mitfahrer zum Spitzenfahrer entwickelt hat. Denn er hat auch mental viel an sich gearbeitet, an Körper und Geist, Instinkt und Rationalität. «Dovis Entwicklung hat nicht während der letzten zwei Jahre stattgefunden, sondern im Winter zwischen 2015 und 2016», enthüllt Simone Battistella, Doviziosos Manager seit 15 Jahren.
Die Situation damals? Knifflig, ein Scheideweg. Die Ducati Desmosedici hatte immer noch technische Mängel und Schwächen. Außerdem kam Andrea Iannone als Konkurrent neu ins Team. Battistella: «Diese Situation hat eine Reaktion erfordert. Andrea ist nicht der Typ, der eine Szene macht. Darum hat er an den Details geschliffen und gefeilt.»
Er scharte ein Team um sich: Francesco Chionne als Physiotherapeut und Francesco Cuzzolin als Sporttrainer, dazu Eugenio Lizama als Sportpsychologe. Das Mentale ist auf dem ganz hohen Niveau fraglos genauso wichtig wie das Körperliche. Dovis Mantra: «Ich habe verstanden, dass man keine Ausreden für die eigenen Fehler suchen muss, sondern dass man sie aufspüren und beseitigen muss.»
Dovizioso hat gemerkt, dass er noch Luft nach oben hat. Hat sich nicht damit zufriedengegeben, was er erreicht hatte, sondern wollte mehr. Wollte ins Scheinwerferlicht, keine Neben-, sondern eine Hauptrolle spielen. Die hat er sich erarbeitet. Hat auch seinen Horizont erweitert, mit Motocross oder Kartfahren den Kopf von der MotoGP frei bekommen. Dovizioso: «Ich bin gefährlich, aber ich kann mich noch weiterentwickeln.»
Hauptrolle in der DTM
Eine Hauptrolle spielt er am kommenden Wochenende in Misano auch in der DTM, im Audi des Privatteams WRT. Die Rennstrecke von Misano ist dem im gut 65 Kilometer entfernten Forlimpopoli geborenen Ducati-Werksfahrer bestens bekannt.
Dovizioso tritt mit der Startnummer 34 an. Mit dieser Nummer startete er bereits viele Jahre in unterschiedlichen Nachwuchsklassen – in Anlehnung an sein Idol Kevin Schwantz, 500er-Weltmeister von 1993. Dovizioso ist als Gaststarter in Misano nicht punkteberechtigt und wird somit auch keine Punkte für WRT und Audi in der Team- bzw. Herstellerwertung sammeln können.
An seinem Ansatz wird das nichts ändern. Schließlich bekam er das Talent ebenso in die Wiege gelegt wie seinen Ehrgeiz.