Müller nach Audi-Aus: Formel E hat einen großen Reiz
Nico Müller war bei der Einladung zum Skype-Call klar, dass dies nicht unbedingt ein Kaffeekränzchen werden würde. Small Talk inmitten der Coronakrise unter Fahrern und Teamchefs von Audi?
Nein, ganz sicher nicht. Ihm war klar, dass es wohl um die Motorsport-Zukunft bei den Ingolstädtern geht. «Und innerlich bereitest du dich darauf vor, dass es keine schönen Nachrichten gibt, um nicht völlig vom Stuhl zu fallen», sagte er im Instagram-Talk mit SPEEDWEEK.com.
Schöne Nachrichten gab es dann auch nicht, Audi verkündete den Ausstieg aus der DTM nach der Saison 2020. Ein Umstand, den Müller immer noch nicht so ganz realisiert hat.
«Auch heute habe ich es immer noch nicht ganz begriffen», sagte Müller, der seit 2014 in der DTM fährt. Und die Situation ist ja so, dass noch eine komplette Saison vor ihm und den anderen Fahrern liegt. «Was danach kommt, kommt danach. Leider kommt dann nichts mehr, was Audi und die DTM betrifft», so der Schweizer: «So richtig begreifen wird man es wohl erst, wenn wir 2020 im letzten Rennen über den Zielstrich fahren. Da wird das Herz sicher nochmal bluten.»
Ein Vorwurf nach dem Ausstieg: Audi sei der Totengräber der DTM, da nun nur noch BMW übrig geblieben ist und die Zukunft der Serie am seidenen Faden hängt.
Müller will die Kritik so nicht stehen lassen, denn oft wird in dem Zusammenhang vergessen, dass zuvor sowohl Mercedes (Ende 2018) als auch Aston Martin (Anfang 2019) das Weite suchten. «Das ist ein unschöner Vorwurf, denn wenn etwas schiefgeht, werden immer Sündenböcke gesucht, das liegt wohl in der Natur des Menschen», sagte er.
Zum einen sei er noch nicht davon überzeugt, dass dies der Genickbruch der DTM sein soll, betonte er: «Ich glaube immer noch, dass die Plattform genial ist. Wo nun aber der Ursprung zu suchen ist, dass die Situation so ist, wie sie ist, das weiß ich nicht. Ein großer Schlag war bereits der Ausstieg von Mercedes. Dass die aktuelle Krise ebenfalls reinspielt, ist auch klar. Da kommt einfach viel zusammen, dass wir 2021 kein Audi-Werksteam in der DTM sehen werden.»
Statt weiter in der DTM zu fahren, wird Audi den Fokus noch mehr auf die Formel E richten. Müller kennt sich auch mit der Elektroserie aus, fährt seit dieser Saison als Stammpilot für Dragon. Er kann nachvollziehen, dass wie Mercedes damals auch Audi der Formel E den Vorzug gegeben hat.
«Die Formel E hat einen großen Reiz. Nicht nur für die Hersteller, weil sie ihre aktuell attraktivste Technologie promoten können. Sondern auch aus fahrersicher Sicht, denn für mich ist das Formel-E-Auto eines der herausforderndsten Rennautos», sagte er.
Das liegt auch am Format: «Du hast kaum Training, hast als Rookie kaum eine Ahnung – das hinzubekommen, auf den Punkt zu bekommen, lässt das Sportlerherz in mir höherschlagen», so Müller.
Außerdem spreche man auch ein neues Publikum an, so der DTM-Vizemeister von 2019. «Das kommt der Motorsport-Welt generell zugute. Nicht jeder muss es geil finden, man sollte aber offen sein, denn jeder kann davon profitieren. Keine Frage: Die Formel E hat definitiv ihre Berechtigung.»
Beide Autos - also den DTM-Renner und den Formel-E-Boliden - zu vergleichen fällt ihm allerdings schwer. «Da bewegen wir uns in zwei verschiedenen Welten, das sind zwei verschiedenen Paar Schuhe. Klar ist aber: Ich möchte weder auf das eine, noch auf das andere verzichten.»