Ende einer DTM-Ära: Emotionale BMW-Erinnerungen
Bereits die alte DTM war eng mit BMW verbunden. Alles begann 1984 beim ersten DTM-Rennen überhaupt mit dem Sieg von Harald Grohs im BMW 635 CSi im belgischen Zolder. In den 1980er und zu Beginn der 1990er-Jahre war BMW werksseitig in der DTM engagiert und holte in dieser Zeit mit Volker Strycek, Eric van de Poele und Roberto Ravaglia drei Mal den Fahrertitel.
Zudem entschied BMW von 1984 bis 1990 sieben Mal in Folge die Herstellerwertung für sich. Der BMW M3 wurde zum bis heute erfolgreichsten Tourenwagen aller Zeiten.
An diese Ära knüpfte BMW 2012 an und kehrte werksseitig in die DTM zurück. Die Statistik der vergangenen neun Jahre: 140 Rennen, 40 Siege, 124 Podiumsplatzierungen, drei weitere Fahrertitel und drei weitere Herstellertitel.
Doch viel wichtiger als blanke Zahlen sind die Erinnerungen, die dahinterstehen. Deshalb blicken frühere und aktuelle BMW DTM-Fahrer zurück auf ihre emotionalsten Momente in der Serie.
Die ersten Testfahrten: Als alles begann
Emotionale Momente erlebten die BMW Fahrer bereits lange vor dem Saisonstart 2012. «Es gab natürlich viele besondere Augenblicke, aber der erste Test hat auf alle Fälle dazu gehört. Ich war der Haupt-Testfahrer und habe den DTM-Einstieg mit vorbereitet», erinnert sich Augusto Farfus, der von 2012 bis 2018 mit BMW in der DTM startete. Mit diesen ersten Testfahrten verbindet Farfus auch aus ganz persönlichen Gründen emotionale Erinnerungen, denn genau zu der Zeit, als er in Europa mit BMW am BMW M3 DTM arbeitete, kam in Brasilien seine Tochter zur Welt. «Das war eine sehr wichtige Zeit in meinem Leben», betont er.
Auch Bruno Spengler kann sich noch gut an den Winter 2011/12 erinnern. «Mein allererster DTM-Test mit BMW war auf alle Fälle ein Highlight für mich», bestätigt er. «Es war sehr aufregend, das erste Mal in einem DTM-Auto von BMW zu sitzen. Die gesamte Entwicklungsphase war eine super Zeit, in der wir alle zusammen tolle Teamarbeit geleistet haben, um ein Siegerauto zu entwickeln.»
2012: Titel-Triple im Comeback-Jahr
Die Comeback-Saison 2012 wurde zum Sensationsjahr mit dem Titel-Triple. Spengler wurde Fahrer-Champion, sein BMW Team Schnitzer gewann den Team-Titel und BMW sicherte sich die Herstellerwertung. Da ist klar, dass Spengler an dieses besondere Jahr viele Erinnerungen hat.
«Da ist zum einem die Erinnerung an den Lausitzring, wo wir den ersten Sieg für BMW nach dem Comeback geholt haben, zusammen mit dem BMW Team Schnitzer. Es war ein tolles Team, in dem ich mich wie in einer Familie gefühlt habe. Dieser erste BMW Sieg war für mich sehr, sehr emotional und speziell», erzählt Spengler.
Mit auf dem Podium stand damals Farfus, der diesen Tag ebenfalls zu seinen besten Momenten zählt: «Brunos Sieg und mein dritter Platz auf dem Podium war ein wichtiger Meilenstein für BMW und für mich selbst.»
Wenig später stieg Farfus selbst auf die oberste Stufe des Treppchens. In Valencia holte er nicht nur seinen ersten DTM-Sieg, sondern auch die Poleposition und die schnellste Rennrunde: «Ich denke, dass es zu dieser Zeit etwas ziemlich Einmaliges war, dass ein Rookie in die Serie kommt, von Beginn an konkurrenzfähig ist und im ersten Jahr so erfolgreich dabei ist.»
Das große Highlight 2012 folgte aber noch: Spenglers Sieg beim Finale in Hockenheim und damit verbunden die Meistertitel für ihn, sein Team und BMW. Noch heute bekommt der Kanadier Gänsehaut, wenn er daran denkt: «Ich musste das Rennen gewinnen, um auch die Meisterschaft zu gewinnen. Dass wir uns dann alle drei Titel gesichert haben, war ein sehr emotionaler Moment. Ich erinnere mich daran, wie ich damals in den Parc Fermé gefahren bin und mich alle Mechaniker, alle Ingenieure, die so hart gearbeitet haben, jubelnd empfangen haben. Das war sehr besonders und speziell.»
Spenglers Teamkollege war damals Martin Tomczyk, der sich an 2012 ebenfalls als «mit das schönste Jahr» erinnert: «Zum einen, weil Bruno, mit dem ich im Jahr zuvor um die Meisterschaft gekämpft hatte, nun mein Teamkollege war. Wir waren beide in aussichtsreicher Position – bei mir ging es darum, meinen Titel zu verteidigen und bei ihm darum, seinen ersten Titel zu holen.»
Doch statt Rivalität herrschte Teamgeist: «Wir haben uns geschätzt und respektiert, und gemeinsam BMW tatkräftig dabei unterstützt, gleich so gut in die DTM-Ära hineinzufinden. Es war für mich schon ein sehr prägendes Jahr, und für BMW natürlich auch ein erfolgreiches Jahr. Generell ist dieser Teamzusammenhalt, den wir innerhalb BMW haben, herausragend. Und das war und ist nicht nur in der DTM so, sondern dieser Zusammenhalt zieht sich durch die gesamte BMW Motorsportfamilie und alle Aktivitäten von BMW.»
Vom besten Rookie zum zweifachen Champion
Im Jahr 2013 gab Marco Wittmann (sein Debüt in der DTM. Und der junge Franke zeigte auf Anhieb, dass man ihn auf der Rechnung haben sollte. Er holte seine erste Poleposition, sein erstes Podium und schloss die Saison als bester Rookie ab. In der Folgesaison 2014 wurde der BMW M3 DTM vom BMW M4 DTM abgelöst, und Wittmann startete richtig durch. Beim Auftakt in Hockenheim holte er gleich seinen ersten DTM-Sieg und den ersten Sieg für das damals neue Auto. Weitere Triumphe folgten, und auf dem Lausitzring sicherte er sich beim achten von zehn Saisonrennen vorzeitig seinen ersten DTM-Meistertitel.
«Der erste Titelgewinn 2014 war natürlich das ultimative Highlight. Es war extrem emotional und der bis dato größte Erfolg meiner Motorsport-Karriere», sagt Wittmann. Zwei Jahre später, 2016, krönte er sich zum zweiten Mal zum DTM-Champion: «Dieser Titel war wesentlich schwieriger einzufahren als der 2014, denn die Meisterschaftsentscheidung fiel erst im letzten Rennen. Aber wir hatten dennoch eine richtig gute Saison. Wir haben uns keinen einzigen Fehler geleistet, weder auf Teamseite noch auf meiner Seite, und das hat uns letztlich auch den Titel eingebracht. Es ist extrem schwierig, eine komplette Saison ohne Fehler abzuliefern. Und zum zweiten Mal Meister zu werden war natürlich auch eine Bestätigung dafür, dass das erste Mal keine Eintagsfliege war. Das war euch etwas ganz Besonderes und sehr emotional.»
Doch diese beiden Titel werden in Wittmanns persönlicher Highlight-Liste sogar noch getoppt. «Es gibt noch einen Moment, den ich emotional tatsächlich fast noch höher einordnen würde: der Sieg bei meinem Heimrennen 2018 auf dem Norisring», so Wittmann. «Es war einfach so ein spezielles Gefühl, bei meinem Heimrennen vor Heimpublikum zu gewinnen, dann auf die Start- und Zielgerade zu laufen und mit den vielen Fans, der Familie und den Freunden zu jubeln und zu feiern nach dem Sieg. Es war auch ein ganz spezieller Moment, dann oben auf dem Podium zu stehen. Das ist etwas, was ich nie in meinem Leben vergessen werde.»
Stichwort Norisring: Mit dem engen Stadtkurs verbindet auch Spengler einen besonderen und sehr wichtigen Moment: «Das war 2019, als ich meinen fünften Sieg auf dieser Rennstrecke gefeiert habe. Damit war ich in der DTM alleiniger Rekordsieger auf dem Norisring, und das war ebenfalls sehr speziell und emotional.»
Hockenheim 2018: Das Gänsehautduell
Ein Rennen, das wohl für alle Ewigkeit Einzug in die Geschichtsbücher des Motorsports gehalten hat, war das Sonntagsrennen beim Saisonauftakt 2018 in Hockenheim. Das Duell zwischen Timo Glock und Gary Paffett ist noch heute unter dem Namen «Gänsehautduell» bekannt und fehlt in keinem Rückblick auf die Historie der DTM.
Der Zweikampf zwischen Glock im BMW M4 DTM und dem Mercedes-Piloten ging über elf nervenaufreibende Runden oder 50 Kilometer, sechs Mal wechselte die Führung zwischen den beiden. Zusammengerechnet fuhren Glock und Paffet über 119 Sekunden nebeneinander Rad an Rad, das entspricht einer Distanz von ca. 6 Kilometern – und das bei einem Topspeed von 271 km/h. Fünf Minuten vor Schluss entschied Glock das Duell endgültig für sich, und er ließ sich den Sieg nicht mehr nehmen.
Da überrascht es nicht, dass Glock dieses Duell als den «wohl mit großem Abstand absolut besten Moment» seiner DTM-Karriere bezeichnet. Noch heute schildert er es mit großen Emotionen: «Es war ein absolutes fahrerisches Highlight für mich, bei dem ich 20 Minuten lang mehr als unter Dauerstrom stand. Als DTM-Fahrer hat man ja immer einen hohen Adrenalinspiegel in sich, aber ich glaube, diese 20 Minuten haben alles gesprengt. Das war sehr, sehr intensiv. Es ist einfach großartig, es als Rennfahrer so auszutragen gegen jemanden, der auf Augenhöhe ist. Man kommt sich vor, wie wenn sich zwei Ritter gegenüberstehen, die sich mit dem Schwert bekämpfen, aber jeder den anderen eben doch am Leben lässt.»
Das war mit das Besondere an diesem Duell: Dass es bei allem Lackaustausch immer fair geblieben ist. «Natürlich kam in gewissen Momente, in denen man sich berührt hat, etwas Aggressivität dazu, und ich dachte mir: ‚Hey, der fährt mir ins Auto, was soll das?’ Aber im gleichen Atemzug wusste ich, dass ich es ja genauso gemacht habe. Es waren so viele emotionale Faktoren dabei, die da aufeinandergetroffen sind und es so speziell gemacht haben. Wir sind alle schon Rennen gefahren, in denen wir solche Fights vielleicht um Platz zehn ausgetragen haben, aber nicht um den Sieg. Das Ding dann am Ende zu gewinnen, war ein absolutes Highlight für mich, und ich blicke da gern drauf zurück.»
Die Class-1-Turbo-Ära
Zur Saison 2019 führte die DTM das Class-1-Reglement mit Turbomotoren ein – genau 50 Jahre, nachdem 1969 der erste BMW Turbo im Rennsport mit dem Titelgewinn in der Tourenwagen-Europameisterschaft Geschichte geschrieben hatte. Nun ging der BMW M4 DTM mit Turbo-Motor in der DTM an den Start, und Wittmann sorgte gleich beim Auftakt in Hockenheim für die erste Poleposition und den ersten Sieg für den neuen Rennwagen.
Beim zweiten Rennwochenende der Saison in Zolder gewann im Samstagsrennen wieder ein BMW Fahrer: Philipp Eng. Der Österreicher, der 2016 Werksfahrer wurde, hatte zuvor schon gemeinsam mit BMW Siege bei den 24-Stunden-Rennen von Spa-Francorchamps und Daytona gefeiert – nun stand er in seiner zweiten DTM-Saison ganz oben auf dem DTM-Podium.
«Bei der Zieldurchfahrt habe ich einfach nur geschrien», erinnert sich Eng. «Da ist eine große Last von mir abgefallen. Einen DTM-Sieg habe ich mir gewünscht, seit ich mit dem Rennfahren angefangen habe. Und da ist mir persönlich einfach ein großer Stein vom Herzen gefallen. Nicht, weil ich von irgendjemandem oder irgendetwas Druck hatte, sondern weil ich es einfach extrem wollte. Eines ist klar: Meinen ersten DTM-Sieg werde ich mein Leben lang nicht mehr vergessen.»
Ein Jahr später, 2020, tat es ihm sein junger Teamkollege Sheldon van der Linde gleich: Der 21-Jährige feierte in Assen seinen ersten DTM-Sieg, und das vom letzten Startplatz. Für van der Linde unbestritten das Highlight seiner bisherigen Karriere: «Das werde ich nie vergessen. Da waren so viele Emotionen, als ich aus dem Auto ausgestiegen bin. Vor allem, weil ich ganz hinten gestartet war – da war ein Sieg das letzte, womit man rechnen konnte. Aber an dem Tag lief einfach alles genau so, wie wir es gebraucht haben. Ich bin stolz, dass ich nun ein DTM-Sieger bin. Als ich in die DTM gekommen bin, waren meine beiden Hauptziele, auf das Podium zu fahren und Rennen zu gewinnen, und das ist mir in dieser Saison beides gelungen. Ich denke, unter den Umständen, die wir in diesem Jahr hatten, auch wegen unseres Rückstands gegenüber Audi, war dies ein ganz besonderer Erfolg, und darauf werde ich immer sehr stolz sein.»
Stolz ist van der Linde auch darauf, dass er Teil der Class-1-Ära in der DTM war. Wie viele seiner BMW DTM-Kollegen sagt er: «Diese Autos sind einfach so beeindruckend zu fahren, und mit ihnen mit Vollgas ans Limit zu gehen, ist wirklich etwas Einmaliges. Es wird nicht viel geben, was da heranreicht. Ich werde meinen BMW M4 DTM sehr vermissen.»