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Timo Scheider: Alltag als Ablenkung vom DTM-Skandal

Von Andreas Reiners
Timo Scheider

Timo Scheider

Manchmal kann der Alltag hilfreich sein. Um sich abzulenken. Um nach vorne zu schauen, die Vergangenheit aufzuarbeiten und ein Stück weit abzuhaken.

Nach dem Funkspruch-Skandal von Spielberg war Timo Scheider froh, dass es solch einen Alltag gab. Nach der kübelweisen Kritik musste er aufgrund des laufenden Verfahrens schweigen. Durfte zu dem gewaltigen Echo, den sein Abschuss ausgelöst hatte, nichts sagen. Das Ausmaß traf ihn zudem unvorbereitet.

«Die Resonanz konnte sich im ersten Moment niemand ausmalen. Dass das so hohe Wellen schlagen würde, damit habe ich nicht gerechnet», sagte Scheider, für den die letzten Wochen in 25 Jahren Motorsportkarriere die bittersten waren, die er erlebt hat, wie er sagte.

Klar: Es gibt sicher schönere Situationen. Selbst Medien, für die im Normalfall die DTM in der Vergangenheit nicht einmal eine Kurzmeldung wert gewesen wäre, stürzten sich auf den Skandal. Jeder bildete sich seine Meinung, entwarf ein Bild des Skandals und vor allem vom Rennfahrer und Menschen Scheider. «Wenn man das Thema sensibel angeht und sieht, was ich mir in 25 Jahren an großen Missgeschicken geleistet habe, kommt man sehr schnell darauf, dass da nicht viel ist, was man mir vorwerfen kann», wehrt sich Scheider nun. In der Tat war das nicht viel. Er hatte sich in den vergangenen Jahren eine Art Saubermann-Image aufgebaut, genießt eigentlich einen guten Ruf.

Verlorene Vorbildfunktion?

Scheider ist Mitinitiator der Fahrergewerkschaft DTMDA, Fahrersprecher bei Audi, war bislang ein gewichtiges Sprachrohr der Serie und setzte sich dabei immer wieder für die Belange der Fahrer im Speziellen und der Serie im Allgemeinen ein. Scheider ist seit Jahren ein Gesicht der DTM. Ist nicht zuletzt Teamchef in der ADAC Formel 4, Vorbild für die junge Generation von Rennfahrern, die nachrückt. Eben jene Vorbildfunktion hatte Pascal Wehrlein ihm nach dem Abschuss abgesprochen.

Doch Scheider stellte sich der Situation, so gut es ging. Lenkte sich ab. Schließlich ist der 36-Jährige seit dieser Saison nicht nur DTM-Fahrer, sondern auch Formel-4-Teamchef. Scheider ging im internen Kreis offen mit dem Skandal um. «Ich habe intern meine Meinung dazu gesagt. Die Menschen, die im Motorsport arbeiten, haben ein anderes Bild als die, die sich von außen ein Bild gemacht haben», sagt Scheider.

Familie als Rückhalt

Deshalb ging es beim Team Scheider schnell zurück zum Rennalltag. Denn es gibt viel zu tun. Sportlich könnte es besser laufen, und auch die Finanzierung ist kein Selbstläufer. «Wir haben aktuell nicht das Budget, um uns das zu kaufen, was wir gerade brauchen. Wir müssen uns das hart erarbeiten. Und das braucht Zeit und Energie und da muss man das eine oder andere ohne Geld kompensieren», sagte Scheider SPEEDWEEK.com.

Dafür hat er seine Familie, die nicht nur in den vergangenen Wochen für ihn da war, als es um den Skandal ging. «Die Familie ist mein Rückhalt. Die war immer da. Und das ist immer extrem wichtig gewesen. Die Formel 4 würde ohne die Familie überhaupt nicht funktionieren. Mein Bruder Christian und mein Vater sind voll involviert. Meine Mutter hilft, wo es geht. Und das geht in der Anfangsphase vielleicht auch nur so», sagt er.

Scheider selbst musste natürlich auch erst einmal in seine Rolle finden und wachsen. Die andere Seite, die des Teamchefs kennenlernen. Und diese Seite kennenzulernen, ist für ihn speziell, wie er zugibt. Denn als Teamchef hört er beim Nachwuchs in gewisser Weise seine eigenen Ausreden.

«Es klingt in manchen Situationen so, als ob mein Fahrer einfach nur eine Ausrede sucht. Auf der einen Seite hast du das Gefühl, dass er dir eine Geschichte erzählt. Auf der anderen Seite bin ich ja selbst oftmals als Fahrer in so einer Situation. Und vielleicht denkt mein Gegenüber dann ja auch, ich erzähle nur eine Geschichte. Von daher hat es Höhen und Tiefen. Aber wenn etwas funktioniert, dann macht es umso mehr Spaß», sagt Scheider.

Doch wie ist der Teamchef Scheider? «Ich bin kein knallharter Teamchef. Ich habe meine Vorstellungen. Und wir probieren, ein gutes Miteinander zu haben. Es ist nicht alles einfach, es ist auch nicht alles schön. Das Schlimmste ist, wenn eine Erwartungshaltung nicht eingehalten werden kann. Da muss ich schon manchmal aufpassen, dass ich mit dem nötigen Fingerspitzengefühl herangehe», sagt er.

Zukunft in der Formel 3?

Doch der Audi-Pilot hat Spaß an der Arbeit an dem Nachwuchs. An den Rückschlägen, der Weiterentwicklung, den kleinen und großen Erfolgserlebnissen. Und möglicherweise hat da jemand eine Berufung gefunden. Denn Scheider denkt bereits an die Zukunft. «Ich habe Spaß an dem, was ich tue. Und ich kann mir durchaus auch eine Zukunft vorstellen, die das Ganze noch ausweitet und vielleicht sogar noch über die Formel 4 hinausgeht», sagt Scheider und meint die Formel 3.

Wohl wissend, was das für einen Aufwand bedeutet und welche Kosten das mit sich bringt. Für die Formel 4 hat er sich ein festes Budget festgelegt und gesagt: „Okay, das investiere ich und der Rest muss so laufen.“ Daneben möchte sich Scheider auch nicht jedes Jahr von Sponsorengeldern abhängig machen. «Ich würde für den Motorsport niemals Kredite aufnehmen, damit es irgendwie weitergeht. Wobei der Motorsport auch immer teurer wird. Von daher muss ich weiter sensibel sein, um das richtige Feingefühl für die richtige Situation zu haben und keine Fehlentscheidungen zu treffen.»

An diesem Wochenende fährt die Formel 4 erstmals im DTM-Rahmenprogramm. Der Fokus liegt für Scheider nach den beiden Rennen Sperre in erster Linie natürlich auf seinem Job als Audi-Pilot. Doch für die Nachwuchsserie ist es eine schöne Plattform, sich einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren, noch mehr in den Mittelpunkt zu rücken. Für Scheider ist es Alltag. Ein hilfreicher.

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