Martin Tomczyk: Im Haifischbecken DTM freigeschwommen
Martin Tomczyk
Nach 16 Jahren in der DTM geht nun eine Ära zu Ende. Wie fühlt sich das an?
Wie es sich so richtig anfühlen wird, kann ich sicherlich erst nach dem letzten Rennen in Hockenheim sagen. Aber die DTM hat mich 16 Jahre lang geprägt. Ich habe als Newcomer angefangen und in der Zeit eigentlich fast alles erlebt, was es als Motorsportler zu erleben gibt. «Ups and Downs» und mit dem Gewinn der Meisterschaft 2011 auch ein unbeschreibliches und einzigartiges Jahr. Das war ein einschneidendes Erlebnis, wie es bestimmt auch Hockenheim 2016 sein wird.
Du bist als damals Jüngster in die DTM zu den Äbten gekommen. Kannst du dich noch an deine Premiere erinnern?
Mattias (Ekström) und ich sind damals als Newcomer zu den Äbten gekommen und bei unserer Premiere in Hockenheim von der letzten Reihe aus gestartet. Das war natürlich ein großer Unterschied zu dem, was ich aus meiner Zeit zuvor gekannt habe. Plötzlich war ich im großen Haifischbecken der DTM. Aber ich habe mich durchgekämpft und viel dazugelernt. Schon beim zweiten Rennen am Nürburgring stand ich in der ersten Startreihe neben Laurent Aiello und bin am Ende Vierter geworden.
16 Jahre, insgesamt vier Teams und zwei Marken – welchen «Inhalt» hat denn jedes Kapitel, wenn du im «Jahrbuch» zurückblätterst?
Generell ist es sehr schön, zurück zu schauen, denn ich verbinde mit jedem Team, ob Abt, Phoenix oder dann RMG und Schnitzer kleine Anekdoten, die ich erlebt habe. Es ist immer interessant gewesen, mit verschiedenen Teamkollegen und Teamchefs zusammen zu arbeiten und damit auch die verschiedenen Herangehensweisen unter der Saison zu sehen. Das Jahrbuch wäre ganz sicher sehr, sehr dick und ich habe Vieles, dass ich erzählen könnte - auch wenn das ein oder andere nicht für jedermanns Ohr bestimmt wäre. Ich kann sagen: Es waren tolle 16 Jahre und ich habe auch abseits der Rennstrecke wirklich besondere Erlebnisse gehabt. Dazu zählen natürlich auch gewisse Lernphasen, die ich definitiv hatte und die mir auch in Zukunft helfen werden, erfolgreich im Motorsport unterwegs zu sein.
Rückblickend: Wie hat dich im Laufe der 16 Jahre der Motorsport ganz persönlich geprägt?
Er hat mich definitiv extrem geprägt. Das liegt auch daran, dass ich mit meinem Debüt 2001 noch ziemlich unerfahren war. Ich habe damals sehr starke Unterstützung von Audi bekommen, um mich im Motorsport entwickeln zu können. Das war natürlich kein weiches Brot, da die DTM auch damals schon eine hart umkämpfte Meisterschaft war. Du lernst extrem viel. Du lernst, mit verschiedenen Leuten und Charakteren zusammen zu arbeiten.
Gibt es Personen, denen du besonders danken möchtest?
Der größte Dank gilt meiner Familie. Sie geben mir die nötige Unterstützung und viel Rückhalt, wenn es einmal nicht so läuft. Auch meinem Bruder und Manager Tobias gilt ein besonderer Dank, er hat meine Karriere mit geformt und entwickelt. Dann sind da natürlich die Sportchefs – Dr. Ullrich bei Audi und Jens Marquart bei BMW, sowie die Teamchefs und Mitarbeiter der Teams. Motorsport ist ein Mannschaftssport und ohne gute Leute im Hintergrund, nicht erfolgreich zu betreiben.
Motorsport ist ein sehr umkämpfter Bereich, in dem es immer auch mit ausgefahrenen Ellbogen zur Sache geht. Dennoch hast du dich – zumindest von außen betrachtet – nie davon beeindrucken lassen. Was hat dir dazu die Kraft über 16 Jahre gegeben?
Motorsport ist ja nicht nur hart umkämpft, sondern auch sehr kurzlebig. Da musst du immer Höchstleistungen bringen, um überhaupt dabei bleiben zu können. Ich bin ein Freund von sehr harten Zweikämpfen, die aber immer noch auf der fairen Seite ausgetragen werden müssen. Natürlich war in den 16 Jahren die eine oder andere Aktion dabei, die vielleicht ein bisschen zu viel war. Aber ich kann rückblickend schon sagen, dass es mir immer wichtig war, mich als fairer Sportsmann zu verhalten.
Wenn du könntest, was würdest du in den vergangenen 16 Jahren anders machen und warum?
Diese Frage habe ich mir eigentlich nie gestellt. Ich bin sehr, sehr zufrieden damit, wie mein Werdegang in der DTM war. Der Motorsport ist ein Sport, bei dem man sehr schnell Entscheidungen treffen muss – ob auf der Rennstrecke oder abseits von ihr. Diese können natürlich immer auch entscheidend für deine Karriere sein. Ich glaube, ich lag mit meinen Entscheidungen immer richtig und werde deswegen weiterhin meinen Weg gehen.
2011 standen dir in Valencia, als du deinen Titel perfekt gemacht hast, die Tränen in den Augen. Wird Hockenheim 2016 ähnlich emotional – oder ist es ein ganz abgeklärter Abschied?
Die Frage ist im Vorfeld natürlich schwierig zu beantworten. Ich bin ein sehr emotionaler Mensch, keine Frage. Wie die letzten Runden in Hockenheim dann sein werden, werden wir sehen. Aber ich freue mich definitiv darauf.
Der DTM-Helm steht ab Oktober im Regal, welchen Helm wirst du zukünftig tragen?
Es freut mich sehr, dass Jens Marquardt mir ein interessantes Angebot zu einer weiteren Zusammenarbeit mit BMW gemacht hat. Gerne nehme ich die neue Herausforderung an, denn BMW und «M» ist seit meiner Kindheit der Inbegriff für sportliches Fahren. Für mich als Bayer eine traumhafte Konstellation. Vor diesem Hintergrund werde ich mit BMW im internationalen Profi-Rennsport bleiben – welcher Helm das genau sein wird, kann ich aktuell aber noch nicht sagen.