Eisspeedway: Keine WM in Berlin – FIM auf hohem Ross
Eisspeedway in Berlin: Auch ohne WM volle Ränge
Offensichtlich ist man in Sachen Eisspeedway-Veranstalter bei der FIM auf Rosen gebettet. Anders lässt es sich nicht erklären, dass man nicht einmal ansatzweise auf die Sorgen und Nöte der Eisspeedwayunion Berlin in diesen besonderen Zeiten einzugehen versuchte.
Der Berliner Veranstalter wollte wieder eine Einzel-WM machen, hatte aber auf Grund der veränderten Rahmenbedingungen mit explodierenden Energiekosten, Ausschluss der russischen Fahrer und der Ungewissheit, wie Eisspeedway nach der Corona-Maßnahmen-bedingten Pause wieder angenommen wird, einige Bauchschmerzen und sah Redebedarf. Dazu erklärte Bernd Sagert, Rennleiter der Eisspeedwayunion Berlin (ESU), gegenüber SPEEDWEEK.com: «Den ersten noch losen Kontakt mit Armando Castagna als FIM-Bahnsportverantwortlichen hatte ich im Rahmen des Speedway-Grand-Prix in Teterow Anfang Juni. Dabei wurde die Frage zu den Vorstellungen der FIM zur neuen Eisspeedway-Saison mit den Worten abgetan, dass dieses Thema noch nicht dran sei.»
«Das war natürlich keine zufriedenstellende Aussage, weil wir haben da auf Grund der neuen Rahmenbedingungen sehr wohl bereits überlegt, was und wie wir das Eisspeedway in Berlin durchführen wollen. Innerhalb des Vorstands haben wir dann entschlossen, dass wir mit den uns von der letzten Einzel-WM 2019 (2020 war in Berlin die Team-WM – der Autor) bekannten Konditionen keine WM machen können», so Sagert weiter.
Irgendwann kam dann doch Post von der FIM, allerdings ohne großes Federlesen, ein formloser Veranstaltungsvertrag hinsichtlich der Durchführung eines Grand Prix mit dem Verweis, dass man diesen unterschreiben solle. Auf dieses Schreiben hat man geantwortet und ausführlich dargelegt, dass man auf Grund der hohen Energiekosten und weiterer Unwägbarkeiten diesen Vertrag so nicht unterschreiben könne. Die ESU hat darin auch genau aufgeschlüsselt, welche Kosten man hat und dass diese nicht mehr ohne weiteres zu stemmen sind.
So belaufen sich zum Beispiel die Genehmigungsgebühren an die Verbände, Preisgelder, Unterkünfte für die Offiziellen, Fahrer und Mechaniker etc. allein auf rund 65.000 bis 70.000 Euro nur dafür, eine WM zu machen. Hinzu kommen die allgemeine und derzeit beschleunigte Inflation und die bereits erwähnten Unsicherheitsfaktoren. «Somit kamen wir zu dem Schluss, dass die ganze Sache kippen könnte und haben daraufhin angeregt, darüber nachzudenken, ob die Forderungen seitens der FIM alle noch angemessen sind», stellte Sagert klar.
«Wir gönnen jedem seinen Euro, aber wir müssen auch dafür Sorge tragen, dass sich die Veranstaltung rechnet und dass der ausrichtende Verein nicht in die Insolvenz getrieben wird. Die Reaktion der FIM darauf war gleich Null. Es gab keinerlei neue Kontaktaufnahme, sondern man hat die Mini-WM-Serie ohne uns geplant. Was jetzt rausgekommen ist, ist bekannt.»
Ebenfalls ärgert sich die Eisspeedwayunion über die offenkundig fehlende Wertschätzung der FIM-Verantwortlichen gegenüber dem Berliner Veranstalter. So wurden 2020 die Siegerehrungsrückwand und die Fahrerwesten mit den FIM- und ESU-Sponsoren vergessen zu produzieren oder anzuliefern. Daraufhin wurden von der ESU eiligst Aufkleber in allen möglichen Größen produziert, um den Verpflichtungen gegenüber den eigenen Partnern halbwegs gerecht zu werden.
Bei diesem Thema redet sich Sagert fast in Rage und führte aus: «Wir sind angehalten alle Dinge zu erfüllen, bis hin, dass für den Schiedsrichter eine Fußbodenheizung im Schiedsrichterturm gefordert wurde. Umgekehrt ist das keineswegs so. Dazu muss man sagen, dass die Zusammenarbeit mit den FIM-Leuten vor Ort noch recht gut funktioniert, doch mit dem Hauptamt sehr zu wünschen übriglässt. Zur gesamten Wahrheit gehört aber auch, dass wir als Veranstalter Fehler machen. Diese müssen ebenso angesprochen und abgestellt werden. Berlin ist kein Platz der Heiligen.»
Logischerweise hat die ESU nach dem knappen Dialog, der keiner war, neue Überlegungen angestellt und schließlich Gespräche mit der FIM Europe geführt. Nach Sanok wollte man das EM-Finale ausrichten. Davon war die FIM Europe ziemlich angetan und Berlin war auch schon Teil des provisorischen Kalenders, doch auf wundersame Weise wurde man nach der nächsten CCP-Tagung, der Bahnsportkommission der FIM, aus dem Kalender wieder rausgestrichen. «Da kann sich jeder seinen eigenen Reim darauf machen. Die Begründung lautete, dass wir zu spät angemeldet hätten, wobei zu dem Zeitpunkt noch kein Veranstalter, außer Inzell, ein Eisspeedway angemeldet hatte. Wenn man keine Info bekommt, was soll man da bei der FIM anmelden?», fragte Sagert vielsagend.
Plötzlich hieß es dann, dass Berlin kein WM-Rennen machen will, sondern nur Inzell und Heerenveen. Heerenveen hatte damals aber ebenfalls bereits aufgezeigt, dass sie mit den hohen Energiekosten Probleme haben. Aber auch da wurde man bei der FIM nicht hellhörig.
«Wir finden die Situation sehr unglücklich und sehr, sehr schade, denn wir würden sehr gern mit großen Partnern wie FIM und der FIM Europe zusammenarbeiten, hatten und haben aber natürlich ein Plan B und C in der Tasche. Wir sind da nicht auf irgendjemanden angewiesen. Dass das Rennen am 3. und 4. März in Berlin ein so guter Erfolg wurde, konnten wir vorher nicht wissen. Zu dem Fleiß der vielen Ehrenamtlichen gehört auch Können und Glück», glaubt Sagert und betont gleichzeitig, dass man für die Zukunft immer für Gespräche offen ist. Aber wenn, dann auf Augenhöhe und gleichberechtigt. «Letztlich halten bei den Finanzen wir, die Veranstalter, den Kopf hin. So viele Veranstalter haben die FIM und die FIM Europe nicht und man muss den kränkelnden Sport nicht noch zusätzlich erschweren. Aus unserer Sicht sollten sehr zeitnahe Gespräche ohne Denkverbote und unter Betracht neuer Ansätze auch in der Veranstaltungsdurchführung erfolgen – mit allen, die es wollen. Wir wollen und sind bereit, aber nicht um jeden Preis.»