6h Fuji: Die Lehren des siebten Laufs der FIA WEC
Auch diese Zuschauer-Version des Toyota TS050 Hybrid wurde in Fuji gesichtet
Was für ein Rennen – und welch tollen Sport die FIA WEC am Wochenende in Fuji doch bot. In einem Strategie-Krimi siegten letztendlich Stéphane Sarrazin, Mike Conway und Kamui Kobayashi. Deren Toyota hatte am Ende nicht einmal anderthalb Sekunden Vorsprung auf Audi und knapp 18 auf Porsche. Enger kann es nach sechs Rennstunden eigentlich gar nicht zu gehen. Dazu kommt: Die Rennaction wurde durch keine einzige Gelbphase (Safety Car/Full Course Yellow) neutralisiert. Die Abstände sind also wirklich echt. Somit kamen nicht nur die Zuschauer an den Fernsehbildschirmen auf ihre Kosten – sondern auch jene, die den Weg an die 1965 errichtete Strecke im Schatten des Mount Fuji gefunden haben. Am Renntag sollen es übrigens über 53.000 gewesen sein. Diese grosse Zahl beweist, dass Japan ein motorsportliches ‚Sportwagen-Gebiet‘ ist. Langstrecken-Rennsport hat im Land der aufgehenden Sonne schon lange Tradition.
Über allem steht natürlich der Toyota-Sieg, über den sich viele im Paddock (heimlich oder offen) gefreut haben. Nicht erst seit dem Rennen in Le Mans gehört die Truppe zu den Sympathieträgern. Der Fakt, dass der Triumph ausgerechnet in Fuji zustande kam, hat aber auch technische Gründe. Denn der TS050 Hybrid funktioniert vor allem auf den Strecken gut, wo es eine lange Gerade gibt – also Le Mans und halt auch Fuji.
Der Wagen wurde in allen drei (für 2016 erlaubten) Aerodynamik-Konfigurationen mit weniger Downforce ausgelegt, als die Äquivalente von Audi und Porsche. Im Hinblick auf die herstellerspezifischen Saisonhighlights ist dies sicherlich auch eine strategische Management-Entscheidung gewesen.
Betrachtet man die fünf absolvierten Rennen in Fuji seit Gründung der FIA WEC im Jahre 2012 fällt auch auf, dass Toyota vier (2012, 2013, 2014 und eben 2016) davon gewinnen konnte. Unweit des Rennplatzes wird übrigens auch der Antriebsstrang des TS050 Hybrid gefertigt – im Technikzentrum Higashi-Fuji.
Im Gegensatz zu Toyota waren die Gesichter im Audi-Lager nach dem Rennen wieder lang. Der R18 von Lucas di Grassi, Loïc Duval und Oliver Jarvis lag fast über die ganzen sechs Stunden vorn. Audi war eigentlich auf den Sieg programmiert – erst beim letzten Boxenstopp änderte sich das Blatt, weil Toyota auf einen Reifenwechsel verzichtete.
Obwohl der R18 seit Mitte der Saison das schnellste Auto im Feld ist, klappt es weiterhin nicht mit dem zweiten Saisonsieg (nach dem Triumph bei der Ausfallorgie in Spa-Francorchamps im Mai). Natürlich spielt hier der konzeptbedingte Nachteil des Wagens eine Rolle. Da der R18 in der 6 Megajoule Klasse fährt (und somit mehr fossile Energie verbrennen darf als die Wagen aus der 8-MJ-Klasse von Porsche und Toyota), muss man jeweils früher zum Nachtanken kommen. Ein strategischer Nachteil, denn die Konkurrenz kann während des Rennens somit immer auf die gewählte Audi-Taktik reagieren. Dies soll jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Toyota der ‚Reifen-Flüsterer‘ im LMP1-Feld ist – eine Eigenschaft, auf die es im Langstrecken-Sport neben der puren Performance eben auch ankommt.
Inzwischen fällt auch immer mehr auf, dass Porsche (trotz fünf Siegen in sieben Rennen) seine Spitzenposition in Bezug auf das Fahrzeug eingebüsst hat. Das Konzept das Wagens ist im Vergleich zu Audi und Toyota (die für dieses Jahr komplett neu entwickelt hatten) das älteste. Da die Weissacher auch für 2017 keine Neuentwicklung bringen, wird sich zeigen müssen, wie sich Leistungspotentiale der einzelnen Fahrzeuge bis hin zum nächsten Highlight (also Le Mans 2017) weiter verschieben werden.
Und auch in der Fahrer-WM wird es für Porsche langsam eng. Denn Romain Dumas, Neel Jani und Marc Lieb führen dort nur noch mit 23 Punkten auf die Laufsieger aus Fuji. Auch in Japan war dieses Porsche-Trio nicht wirklich auf Pace – und haderte mit der Abstimmung des 919 Hybrid. Lässt man die bisherige Saison vor dem inneren Auge Revue passieren, muss man feststellen, dass Dumas/Jani/Lieb eigentlich in keinem Rennen die absoluten Pacemaker waren (mit Abstrichen vielleicht Marc Lieb in Le Mans). Fakt ist: Nur mit (nennen wir es mal) Durchrollen, könnte es bei den letzten beiden Rennen doch nochmals schwer werden, den fast schon sicher geglaubten Fahrer-WM-Titel einzufahren. Übrigens: Auch beim nächsten Rennen in Shanghai (06. November) gibt es eine sehr lange Gerade…
Das Streckenlayout von Fuji kam in der GTE Pro auch Ford entgegen. Denn erstmals seit dem dominierenden Auftritt von Le Mans konnten die amerikanischen GT wieder einen FIA-WEC-Lauf gewinnen. Die flachen Flundern wurden vom Konzept her auf geringen Luftwiederstand ausgelegt (der Le-Mans-Sieg 50 Jahre nach dem ersten Triumph an der Sarthe war ja eines der Kernelemente des Projektes). Insofern war der errungene Doppelsieg in Fuji keine wirkliche Überraschung.
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