Mercedes kuscht vor Hamilton: Doch keine Anarchie
Lewis Hamilton mit Toto Wolff
Ob der Aufregung um den Rücktritt von Nico Rosberg und die Nachfolgefrage ist die Renntaktik von Lewis Hamilton in Abu Dhabi fast vergessen gegangen. Teamchef Toto Wolff sagte unmittelbar nach dem WM-Finale auf dem Yas Marina Circuit: «Natürlich haben wir vor dem Rennen über dieses hoch wahrscheinliche Szenario geredet, also dass Hamilton vor Rosberg liegt und dass es natürlich in Lewis’ Interesse wäre, dass Nico Druck von hinten bekommt. Und so kam es auch.»
«Seit drei Jahren – und es ist egal, ob es sich um das erste Rennen der Saison handelt oder um das letzte – haben wir die Vorgabe: Wir wollen den Sieg absichern. Daher erhielt Lewis die Anweisung, bitteschön Tempo zu machen.»
Aber Hamilton weigerte sich.
Der Engländer maulte am Funk, er verliere hier einen WM-Titel, da sei ihm ein entgangener Sieg herzlich egal.
Toto Wolff sagte nach dem Rennen weiter: «Was ich nicht will – dass die Interessen des einen über jene des ganzen Teams gestellt werden. Aber das könnte ein gefährlicher Präzedenzfall sein. Wir sind 1500 Menschen, die beim Rennstall arbeiten, wir sind 300.000 Mitarbeiter bei Daimler. Die arbeiten alle nach gewissen Werten. Eine Struktur in aller Öffentlichkeit zu unterminieren, das stellt den einen über alle anderen. Und Anarchie geht bei keinem Rennstall und auch in keiner Firma.»
Aber nun klingt alles ganz anders, wenn Wolff bei den Kollegen von Sky Sports festhält: «In der Hitze des Gefechts werden ab und an Entscheidungen getroffen, die sich als falsch erweisen. Wie sich das Rennen entwickelt hat, das hätte zu einer anderen Kommunikation führen müssen. Rückblickend hätten wir sie so fahren lassen sollen, wie die beiden es als angemessen erachtet haben.»
Will heissen: Hamilton hätte gar keine Anweisung erhalten sollen, Tempo aufzunehmen. Technikchef Paddy Lowe vertiefte bei den Autosport-Awards in London: «Als ich Lewis gesagt hatte, er solle Tempo machen, hatten wir am Kommandostand eine Diskussion. Toto meinte: „Sag es ihm noch einmal, er tut es nicht.“ Aber ich meinte: Nein, das mach ich nicht, sonst sehe ich wie ein Schwachkopf aus. Mein Argument war: Wenn er einen roten Wagen im Rückspiegel auftauchen sieht, wird er gewiss schneller fahren. Das gab schon Diskussionen.»
Selbst wenn Lewis Hamilton im Abu-Dhabi-GP bockig war und eine Anweisung des Teams ignoriert hat, dürfte die Angelegenheit damit vom Tisch sein.
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