MotoGP: Neuer Yamaha-Motor zu stark

Ross Brawn (Liberty Media) zum Thema Überholen

Von Mathias Brunner
​Der frühere Weltmeistermacher Ross Brawn (62) will für Formel-1-Grossaktionär Liberty Media eine Gruppe unabhängiger Experten zusammenstellen. Der Engländer sagt, was deren Aufgaben sein werden.

Ross Brawn, früherer Erfolgsteamchef von Benetton, Ferrari, BrawnGP und Mercedes, ist vom Formel-1-Grossaktionär Liberty Media dazu engagiert worden, sich um die Entwicklung des GP-Sports zu kümmern, was Technik und Reglement angeht. Im Gespräch mit den Kollegen von Autosport hat der eulenhafte Brawn nun etwas detaillierter dargestellt, wie genau er sich das vorstellt.

Das grösste Hindernis derzeit ist das so genannte Concorde-Abkommen, das die wirtschaftlichen und sportlichen Zusammenhänge regelt im Dreiecke FIA, Formula One Management und Rennställe. Dieses Abkommen gilt bis 2020. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Teamverantwortlichen immer so argumentieren, dass eine Regeländerung für sie von Vorteil wäre. Daher müssen sie von diesem Entscheidungsprozess ausgeschlossen werden.

Ross Brawn will zu diesem Zweck eine Expertengruppe aus unabhängigen Fachleuten zusammenstellen. «Wir werden Experten haben, die aus der Industrie kommen und welche von den Leuten respektiert werden. Das wird kein grosses Team sein, vielleicht fünf oder sechs Menschen. Aber wir werden genügend Erfahrung, Kapazität und Fachwissen haben, um gut belegte Argumente für Änderungen zu besitzen.»

«Im Laufe der Zeit will ich den Hebel bei der Qualität des Sports ansetzen und auch bei den Kosten. Es gibt eine ganze Reihe von Punkten, die es zu beachten gilt, wenn wir eine Entscheidung fällen. Wir müssen auch an die Integrität des Sports denken. Wir müssen daran denken, was die Fans wollen, welche Kosten eine Änderung verursacht und wie genau der Sport davon betroffen sein wird.»

Hoch auf der Prioritätenliste von Ross Brawn steht das Überholen. «Ein komplexes Problem», wie der Engländer weiss. «Wir wollen nicht zurück zu langsameren Autos. Wir wollen also das Haftungsniveau von 2017 behalten. Aber wir wollen Rennwagen, welche die Luft nicht auf eine Art und Weise verwirbeln, die es dem Hintermann so schwermacht, dichtauf folgen zu können. Ich glaube: Wenn wir die richtigen Leute an so eine Aufgabe setzen, und wir geben ihnen zwölf bis achtzehn Monate, dann finden die eine Lösung.»

«Ich weiss, dass wir das schon einmal versucht haben, im Rahmen der so genannten Arbeitsgruppe Überholen. Aber damals hatten wir nicht das Wissen, das wir heute haben. Computer-Simulationen haben enorme Fortschritte gemacht, das gibt uns zusätzliche Möglichkeiten, das Problem an der Wurzel zu packen.»

«Mir ist klar, dass es Leute geben wird, die sagen – das ist nicht zu machen. Aber das glaube ich nicht. Ich glaube vielmehr, dass wir uns bisher einfach noch nicht mit aller Kraft hinter dieses Problem geklemmt haben.»

Das heutige Problem

Die Meinungen im Fahrerlager gehen weit auseinander, wie sich das neue Formel-1-Reglement auf das Überholen und damit auf die Qualität des Sports auswirken wird. Der dreifache Formel-1-Champion Lewis Hamilton spricht davon, dass mehr Abtrieb bedeute, er könne dem Gegner weniger dichtauf folgen. Valtteri Bottas meint, die Autos würden mehr Luftwiderstand erzeugen, also könne er sich besser an den Rivalen ansaugen. Max Verstappen sagte, er könne die ganze Diskussion ohnehin nicht verstehen.

Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost sagte mit im SPEEDWEEK.com-Exklusiv-Interview: «An all den Aussagen ist etwas Wahres dran. Was Bottas gemeint hat, trifft auf die Geraden zu. Die Autos sind breiter, auch dank der fetten Reifen, da wird ein grösseres Vakuum entstehen, das erleichtert das Überholen, begünstigt durch den verstellbaren Heckflügel. Hamilton spricht von den Kurven. In mittelschnellen und schnellen Kurven wird der Hintermann nicht so nahe folgen können wie früher. Weil durch das Plus an Abtrieb mehr verwirbelte Luft entsteht, wir sprechen hier von «dirty air», schmutziger Luft. Da verliert der Verfolger auf der Vorderachse und gemäss der Schilderung unserer Piloten auch auf der Hinterachse Abtrieb.»

«Für den Kurs von Barcelona heisst das: In den schnellen Bögen der Kurven 3 und 9 geht schon mal gar nichts. Du kannst dort einfach nicht nahe genug aufschliessen, um auf der folgenden Geraden anzugreifen. Du musst dort Abstand halten, weil sonst dein Auto dermassen untersteuert, dass dir die Strasse ausgeht. Dann geht es runter zur Kurve 10, die ist zwar langsam, aber da bist du wegen Kurve 9 zu weit hinten. Auch in den Kurven 11 und 12 kannst du nicht nahe genug aufschliessen, weil du auch dort Probleme mit dem Abtrieb haben wirst. Wir haben dann aber eine ganz langsame letzte zweitletzte Kurve. Da ergibt sich die Chance aufzurücken, um dann auf der langen Start/Ziel-Geraden zu attackieren.»

«Aber dann haben wir das nächste Problem: Das Plus an Abtrieb hat dazu geführt, dass die Bremszonen markant kürzer geworden sind. Das sehe ich als Riesenproblem. Vorher waren es vielleicht 100 Meter, jetzt sind es 70. Du musst es schaffen, dein Auto schon vor der Bremszone neben den Renner des Gegners zu setzen. Wie das gehen soll, werden wir sehen.»

«Fazit: Ich bin skeptisch, wie sich das auf die Rennen auswirken wird. Ich fürchte, dass die Fahrer einen gewissen Abstand halten müssen. In Melbourne werden wir schlauer sein.»

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