Daniel Ricciardo: «Sonst bist du schnell Ex-GP-Pilot»
Daniel Ricciardo
Daniel Ricciardo hat sich für den Singapur-GP viel vorgenommen: Nach dem dritten Platz 2014 und zwei zweiten Rängen 2015 und 2016 (hinter Sebastian Vettel und Nico Rosberg) will der Australier am kommenden Sonntag endlich den ersten Sieg im Nacht-GP.
In unregelmässigen Abständen macht sich der Baku-Sieger für Red Bull einige Gedanken zu seinem Job im Allgemeinen und den kommenden Grands Prix im Besonderen. Dabei sagt der 28-Jährige aus Perth: «Die letzten sieben Rennen der WM finden in Übersee statt, und nach Monza galt es, das Training nochmals zu intensivieren. Mit den beiden WM-Läufen von Singapur und Malaysia stehen zwei Rennen auf dem Programm, die uns alles abfordern. Ich will da gar nicht erst um den heissen Brei herumreden – diese zwei Grands Prix sind brutal. Und du musst körperlich schon auf der Höhe sein, um deine volle Leistung abzurufen.»
«Singapur ist für uns die beste Siegchance seit geraumer Zeit. Klar ist der Nacht-GP nicht das einzige Rennen, das wir gewinnen können. Immerhin bieten sich oft Möglichkeiten, mit welchen du überhaupt nicht gerechnet hättest – oder wer hätte schon gedacht, dass wir in Baku triumphieren würden? Aber Singapur ist von der Papierform her jenes Rennen, das uns in Sachen Pistenlayout am ehesten entgegenkommen müsste.»
«Ich bin mit einigen schönen Ergebnissen im Gepäck nach Asien geflogen. Rang 3 in Belgien und Platz 4 in Italien, von ganz hinten kommend, das darf sich sehen lassen. Der dritte Platz in Spa-Francorchamps war besonders süss, weil wir die Gelegenheit nach der Safety-Car-Phase perfekt genutzt haben. In Monza hat es knapp nicht gereicht, ich hätte einige Runden mehr gebraucht, um Sebastian Vettel zu schnappen. Damit habe ich es ein weiteres Mal verpasst, auf jenem Podest zu stehen, das ich unbedingt mal erleben möchte – Monza. Früher oder später wird der Tag kommen.»
«Wir dürfen also selbstbewusst antreten in Singapur. Die Piste hat mir in den letzten Jahren Glück gebracht – mit dem zweiten Platz 2014 und dann den beiden zweiten Rängen. Aber da geht nach oben noch mehr!»
«Wir Fahrer sind alleine»
Seit Monza hat Daniel auch seiner zweiten Leidenschaft gefrönt – wir befinden uns bei den Ausscheidungsspielen im australischen Football. Dabei ist dem Rennfahrer aufgefallen: «Als nach Spielschluss die ganzen Betreuer aufs Feld eilten, fand ich es verblüffend, wieviele Coaches ein AFL-Team hat. Mir fiel dabei ein: Was haben wir Rennfahrer denn schon in Sachen Betreuung? Wir haben einen Trainer, und Stu Smith hat einen riesigen Anteil an meinen Erfolgen. Und das war es schon. Mehr ist da nicht.»
«Für Aussenstehende mag es vielleicht seltsam klingen, dass wir in der Königsklasse mehr oder weniger auf uns alleine gestellt sind. Aber so ist es nun mal, und ich finde auch: So sollte es sein.»
«Als ich in jungen Jahren nach Europa kam, da ging ich zu einigen Experten, welche versucht haben, mir ihre Erfahrung mit auf den Weg zu geben. Wir reden hier von Fahrtechnik oder der Herangehensweise an deinen Job. Aber je länger meine Karriere dauerte, desto eher kam ich zum Schluss – ich muss mir das alles selber aneignen. Ich bin letztlich der Mann in Cockpit. Wenn du dich einem neuen Team, neuen Reifen oder einem neuen Reglement anpassen musst, dann kann dir keiner die Arbeit abnehmen. Es gibt nur eines: Den Job mit Hingabe erfüllen, viel Zeit investieren, um alles selber zu lernen. Sonst bist du ziemlich schnell ein Ex-Formel-1-Pilot.»
«Im Tennis kannst du auf den Platz gehen und hundertfach einen Aufschlag üben. Unsere Zeit im Auto ist begrenzt. Wir können nicht in der Freizeit in den Rennwagen springen und am Fahrstil feilen.»
«Wie also wirst du besser? Mit Datenstudium. Wobei du hier aufpassen musst, dass du es nicht übertreibst. Mit einem flüchtigen Blick auf die beste Runde von dir und deinem Stallgefährten ist es da nicht getan.»
«Du musst schon in die Tiefe gehen und dir die Rennrunden im Detail vornehmen. Wer war auf älteren Reifen besser und warum? Moduliert dein Teamgefährte die Bremse besser als du? Geht er vielleicht früher vom Gas und das hält die Hinterreifen besser im Schwung? Du musst mit deinem Renningenieur die Daten so verstehen, dass du dir daraus einen Vorteil verschaffen kannst. In der Formel 1 gibt es immer etwas zu lernen.»
«Der Kniff ist, entscheiden zu können, wie viele Daten dir etwas nützen und an welchem Punkt die Datenmenge einfach überwältigend wird. Damit hatte ich zunächst Probleme. Da opferte ich gerne mal zwei Stunden Schlaf für noch mehr Datenwälzen. Damit habe ich aufgehört. Denn mehr ist nicht immer besser, und heute vertraue ich meinem Ingenieur Simon Rennie so, dass ich weiss – wir fischen uns da schon das wirklich Interessante heraus.»