Dr. Helmut Marko über Red Bull Racing: Neue Taktik
Dr. Helmut Marko
Der Grazer Dr. Helmut Marko blickt in der Sendung «Sport und Talk aus dem Hangar-7» von Servus TV auf das GP-Jahr 2017 zurück. Viele Fans hatten erwartet: Mit dem Schritt zur neuen Formel 1, also mit breiteren Reifen und mehr Abtrieb, würde Red Bull Racing zum Klassenbesten Mercedes-Benz aufschliessen können. Dann aber war es Ferrari, die sich lange mit den Silbernen um den Titel rauften.
RBR kämpfte zu Beginn der Saison mit Abgleichungsproblemen der Daten aus Flussdynamikberechnung, Windkanal und Rennstrecke. Als dieses Problem erkannt und bereinigt war, legte der Rennstall aus Milton Keynes tüchtig zu – Siege von Daniel Ricciardo in Baku und von Max Verstappen und Malaysia und Mexiko.
Dr. Marko sagt: «Wir hatten den gleichen Erfolgslauf wie Mercedes jetzt, also vier Titel hintereinander. Dann kam das neue Motorenreglement, bei dem Mercedes einen unglaublichen Job gemacht hat. Die sind im ersten Turbo-Jahr 2014 spazieren gefahren und waren dank ihrer Motorleistung noch immer überlegen.»
«2017 nun haben wir in der neuen Turbo-Ära erstmals erlebt, dass sie verwundbar waren. Wir sind dazu schwach in die Saison gegangen, unser Auto war bis Barcelona eigentlich gar nicht podestfähig. Wir haben uns von den Datenproblemen gut erholt, und in den letzten sechs Rennen der Saison hat Max Verstappen von allen Piloten am meisten Punkte geholt. Leider hatte er von Bahrain bis Singapur auch eine Phase mit sieben Ausfällen in zwölf Rennen. Die mangelnde Standfestigkeit des Antriebs war unsere grösste Schwäche. Dazu hatte Max zwei unnötige Fehler drin, in Monza und in Budapest.»
«Ferrari hatte über die ganze Saison sicher das beste Auto. Aber sie haben zu viele Fehler gemacht, taktisch wie auch technisch. Früher, als Sebastian Vettel noch für Red Bull fuhr, war seine grösste Stärke die Form nach der Sommerpause. Da ist er teilweise mit einer unheimlichen mentalen Stärke zurückgekehrt und hat ganze Siegesserien hingelegt. Schon bei der Startkollision von Singapur habe ich mir gedacht: Das passiert in diesem Jahr nicht.»
Gute Nachricht Ende Oktober: Max Verstappen bleibt Red Bull Racing-Fahrer, bis Ende 2020. Dr. Marko: «Wir haben ihm einfach dargelegt, wie unsere Pläne für die Zukunft aussehen. Wir haben ihm garantiert, dass wir die Top-Leute alle bis 2020 unter Vertrag haben. Und dass wir auf dem Motorsektor eine Alternative haben. Wir sind zu Honda nach Sakura geflogen, die haben eine unglaubliche Fabrik. All das hat ihn überzeugt. Klar hat er die Situation auch genutzt und eine Gehaltserhöhung ausgehandelt, auch wenn er in Sachen Salär noch lange nicht in der Liga von Hamilton und Vettel ist. Wenn er Weltmeisterschaften gewinnt, dann kann er in diese Regionen aufsteigen. Wir haben ein relativ niedriges Fixum, aber ein starkes Boni-System, pro Punkt, pro Sieg, pro WM-Titel, da klingelt dann schon kräftig die Kasse.»
Verblüffende Statistik: Von 2014 bis 2017 war Red Bull Racing in der zweiten Saisonhälfte immer stärker. 2014 wurden 41 Prozent der herausgefahrenen Punkte in der ersten Hälfte erreicht, 59 dann in der zweiten. 2015 lautete das Verhältnis sogar 34:66 Prozent, 2016 dann 42:58 und 2017 schliesslich 47:53.
Dr. Marko: «Das ist uns auch aufgefallen. Jahrelang bedeutete ein Teil der Philosophie von Technikchef Adrian Newey, so spät als möglich mit dem Auto fertig zu werden, um noch die allerletzten Kniffe am Wagen zu haben. Der erste Test war also jeweils kein Test, sondern Fahrten, um das Auto zuverlässig zu machen.»
«Wir haben das alles vorgezogen, wir werden 2018 ein Roll-out vor dem ersten Test haben. Wir sind im Zeitplan gemessen an 2017 zweieinhalb Wochen voraus. Sofern der Motor standfest läuft, kommen wir aussortiert zum ersten Rennen, um eben dieses Manko auszugleichen und vom Start in Australien weg vorne mitfahren zu können.»