Alex Zanardi über Kubica: «Behinderung ist relativ»
Alex Zanardi
Williams gab im Rahmen des Formel-1-WM-Finales 2018 in Abu Dhabi bekannt: Der Pole Robert Kubica wird in Australien 2019 wieder als Grand-Prix-Fahrer an den Start gehen, nach unfassbaren 3046 Tagen Pause. Der heute 34jährige Krakauer stand 2010 vor einer grossen Karriere, er hatte mit Renault eine Testbestzeit hingelegt, er hatte einen Vorvertrag von Ferrari in der Tasche, um an der Seite von Fernando Alonso zu fahren. Dann ging alles schief: Übler Rallye-Unfall im Februar 2011, fast drei Dutzend Operationen. Dass Kubica nach all diesen Jahren wieder Formel-1-Rennen fährt, das ist ein modernes Grand-Prix-Märchen, aber nicht alle haben Freude daran.
Nicht nur aus der Internet-Gemeinde kommen kritische Töne. Formel-1-Star Sebastian Vettel liess beispielsweise wissen – er freue sich sehr für Robert, aber es gebe gewiss auch junge Piloten, die eine Chance verdient hätten. Kubica konterte: «Man kann auch nicht wirklich behaupten, dass Sebastian sehr viel jünger als ich wäre. Ausserdem gibt es ja durchaus junge Fahrer, die in die Formel 1 aufsteigen, wie beispielsweise mein Williams-Teamkollege George Russell.»
Alex Zanardi weiss genau, wie es sich anfühlt, sich wieder ins Leben zurückzukämpfen. Der 52jährige Italiener erlitt als zweifacher IndyCar-Champion 2001 in der Lausitz einen fürchterlichen Unfall, der ihn beide Beine kostete. Zanardi ist für alle Menschen ein leuchtendes Vorbild, wenn es darum geht, sich nicht unterkriegen zu lassen. Er fährt wieder Autorennen, mit dem Handrad ist er Olympiasieger in London und Rio geworden, er ist erfolgreicher Triathlet. Im Corriere della Sera hat der frühere Formel-1-Fahrer gesagt, was er von der Rückkehr Robert Kubicas hält.
«Ich schätze Robert überaus, er hat schier grenzenlos Talent, das über die Fähigkeiten der meisten anderen Piloten hinausgeht. Er muss nur Mittel und Wege finden, diese gewaltige Begabung umzusetzen. Seine körperlichen Fähigkeiten haben Grenzen, so wie bei mir, das hält ihn davon ab, alles machen zu können. Die Leute nennen so etwas eine Behinderung, aber das ist ein sehr relativer Zustand. Menschen sind zu Aussergewöhnlichem geboren. Ich kenne keine Person, die fliegen kann. Und doch bewegen wir uns durch die Lüfte, dass es so normal geworden ist wie Busfahren.»