MotoGP: Neuer Yamaha-Motor zu stark

History: British American Racing, viel Rauch um wenig

Von Mathias Brunner
​Finanziert vom Tabakkonzern «British American Tobacco» (BAT) debütierte am 7. März 1999 in Melbourne/Australien «British American Racing» (BAR). Die Siegeshoffnungen lösten sich schnell auf.

Ich muss immer wieder schmunzeln, wenn ich daran denke, wie tief die Wurzeln des heutigen Formel-1-Rennstalls von Dauer-Weltmeister Mercedes-Benz greifen. Vom knorrigen Ken Tyrrell über die vorlaute Truppe von «British American Racing» (BAR), via Honda und BrawnGP zu den heutigen Silberpfeilen. Vor exakt 20 Jahren, am 7. März 1999, begann BAR in der Formel 1. Und das kam so.

Nach dem Rücktritt von Jackie Stewart Ende konnte der legendäre Rennstall besitzer Ken Tyrrell an seine besten Zeiten nicht mehr anschliessen, daran änderte auch das spektakuläre Sechsrad-Projekt von 1976 nichts. Ken Tyrrell behielt sein scharfes Auge für Nachwuchstalente, aber das grosse Geld floss längst woanders hin. Der knorrige Tyrrell hielt sich bis 1998 in der Formel 1, in einigen Saisons vom langjährigen Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone vor dem Ruin bewahrt, dann übernahm Craig Pollock – jahrelang Manager von Jacques Villeneuve – das Team.

Finanziert vom Tabakhersteller British American Tobacco (BAT) gründete Pollock «British American Racing», kurz BAR. Im ersten Jahr steckten so genannte Supertec-Motoren im Heck – nichts Anderes als umbenannte Renault-Triebwerke, ab 2000 begann eine Kooperation mit Honda.

BAR siedelte sich am heutigen Mercedes-Standort Brackley an. Vollmundig sprach Rennwagen-Designer Adrian Reynard von einem Volltreffer gleich beim ersten Rennen, schliesslich war das dem britischen Rennwagenbauer in den meisten anderen Monoposto-Serien auch gelungen – wie in der Formel 3, der Formel 3000 oder der ChampCar-Serie (IndyCars).

BAR legte sich gleich mal mit dem Autoverband FIA an, da hatten die Autos im Albert-Park von Melbourne noch keinen Meter zurückgelegt. Die kecken Neulinge erhielten keine Erlaubnis, die beiden Wagen von Jacques Villeneuve und Ricardo Zonta in unterschiedlichen Lackierungen fahren zu lassen (der Zigarettenmarken Lucky Strike und 555). So entstand das berühmte Reissverschluss-Design in Längsrichtung. Die Overalls der Boxenmannschaft sahen aus wie in der Mitte durchgeschnitten.

Von Erfolg konnte dann leider keine Rede sein: Nicht nur, dass aus dem anvisierten Sieg in Australien nichts wurde, Startplatz 11 für Jacques Villeneuve, beide Autos im Rennen out, British American Racing eroberte im ersten Jahr keinen einzigen WM-Zähler! Rang 7 von Mika Salo in Imola blieb die beste Platzierung (der Finne sprang für Zonta ein, der sich bei einem Crash beim Heim-GP von Brasilien Fussverletzungen zugezogen hatte).

Natürlich wurde es Craig Pollock von den Gegnern genüsslich unter die Nase gerieben, dass er den Firmen-Wahlspruch «Tradition voller Exzellenz» gewählt hatte. An Tradition hatte BAR im ersten Jahr so wenig vorzuweisen wie an Exzellenz.

BAR wurde in den folgenden Jahren zu einer unfassbaren Geldvernichtungsmaschine, typisch für die Formel 1. Von Australien 1999 bis China 2005 gab es zwar zwei Pole-Positions und einige Podestränge, aber aus dem erhofften Sieg wurde nie etwas.

Honda übernimmt

Doch aus der Partnerschaft mit Honda erwuchs mehr: Ende 2005 übernahm der japanische Autohersteller das Team, damit hatte Honda wieder einen reinen Werksrennstall.

Der Schritt schien nachvollziehbar: 2004 hatte das Team ein höchst erfolgreiches Jahr – zweiter WM-Schlussrang hinter dem übermächtigen Ferrari, elf Podestplätze dank der starken Jenson Button und Takuma Sato. Der Brite stand allein zehn Mal auf dem Podest. Im Laufe der Saison 2004 hatte Honda schon 45% von BAR übernommen.

Aber auch Honda Racing scheiterte.

Das Team befand sich im Rückwärtsgang: WM-Rang 4 2006, nur noch WM-Achter 2007 und gar WM-Neunter 2008. Die Motoren waren zu schwer, zu durstig, die Autos aerodynamische Fehlschläge. Honda geriet nicht nur der schlechten Rennergebnisse wegen unter Druck, sondern auch aufgrund der Absatzprobleme mit den Serienfahrzeugen. Die Weltwirtschaftskrise brach dem Team den Hals: Am 5. Dezember 2008 wurde bekanntgegeben, dass sich Honda aus der Formel 1 zurückzieht.

Ken Tyrrell erlebte das alles nicht mehr: Der legendäre Holzhändler erlag im August 2001 im Alter von 77 Jahren dem Krebs.

 

Ross Brawn: GP-Team für 1 Pfund

Noch im Frühsommer 2008, als klar war, dass der Honda RA108 nichts taugte, war die Entwicklung ganz auf 2009 verlegt worden. Honda ging in aller Ehre: Der Rennstall wurde für ein symbolisches Pfund Teamchef Ross Brawn überlassen, die Saison 2009 wurde von Honda finanziert, angeblich investierte Honda für 2009 mehr als 150 Millionen Dollar. Um gar nicht in der Formel 1 vertreten zu sein ...

Es schmerzt die Honda-Chefetage bis heute, was dann passierte: Aufgrund der üppigen Entwicklungszeit und dank des tollen Kniffs des Doppeldiffusors eilten Jenson Button und Rubens Barrichello von Sieg zu Sieg. Von den ersten sieben WM-Läufen gewann der Engländer sechs, Barrichello doppelte in Valencia und Monza nach.

Ein Formel-1-Märchen wurde wahr: Das Team, Ende 2008 in Scherben, wurde Ende 2009 bei der FIA-Gala für die Titel bei den Marken und Fahrern geehrt. Obschon Red Bull Racing im Verlaufe der Saison immer stärker wurde, rettete Button seinen Vorsprung und liess sich in Brasilien als Champion feiern.

Wieviel Honda steckt im heutigen Silberpfeil?

Nach Saisonende 2009 wurde verkündet, dass BrawnGP 75,1 Prozent seiner Anteile an Mercedes-Benz verkauft. Ab 2010 nahm Mercedes unter eigenem Namen an der Formel-1-Weltmeisterschaft teil. BrawnGP hatte nur einen Sommer lang getanzt.

Viele der damaligen BAR-, Honda- und BrawnGP-Mitarbeiter stehen noch heute in Diensten jenes Rennstalls aus Brackley, der nun Mercedes-Benz heisst.

Ross Brawn goss mit seinem Wegbegleiter Michael Schumacher und mit Nico Rosberg das Fundament zu den späteren Titeln von Lewis Hamilton und Rosberg. Ende 2013 wurde er durch Paddy Lowe ersetzt. Dank Ross Brawns Arbeit fuhren Lewis Hamilton und Nico Rosberg die Ernte ein – der Engländer wurde Weltmeister 2014, 2014, 2017 und 2018, Nico holte den Titel 2016. Mercedes holte fünf Markensiege in Folge, nur Ferrari hat das von 1999 bis 2004 noch besser gemacht.

Und «British American Tobacco»? Die haben über eine Hintertür den Weg zurück in die Formel 1 gefunden. BAT hat im Februar 2019 ein Bündnis mit McLaren eingegangen, mit dem Slogan «A better Tomorrow». BAT strebt damit «eine bessere Zukunft für Tabak- und Nikotin-Konsumenten» an. Und wie die aussehen soll, hat Marketing-Chef Kingsley Wheaton erklärt: «Die Formel 1 bietet uns eine globale Plattform für unsere Produkte mit potenziell geringerem Risiko, wie Vype, Vuse oder Glo.» Dabei handelt es sich um E-Zigaretten.

British American Racing in der Formel 1

Erster Grand Prix: Australien 1999
Letzter Grand Prix: China 2005
117 WM-Läufe
227 Punkte
Bestes Team-Ergebnis: WM-2. 2004
Bestes Fahrer-Ergebnis: Rang 2 (Jenson Button 2004 in Imola, Monaco, Deutschland und China)
Beste WM-Platzierung Fahrer: Button WM-3. 2004
2 Pole-Positions (Button in Imola 2004 und Kanada 2005)
15 Podestplätze
227 Punkte
81 Führungsrunden
7 Fahrer (Jacques Villeneuve 1999–2003, Jenson Button 2003–2005, Olivier Panis 2001/2002, Takuma Sato 2003–2005, Ricardo Zonta 1999/2000, Mika Salo 1999, Anthony Davidson 2005)

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