Formel 1: Max Verstappen – alles für die Katz

Australien-Training: Hamilton vor Vettel, Albon-Crash

Von Mathias Brunner
​Training 1 zum Australien-GP im Albert-Park von Melbourne, das kommt uns bekannt vor: Lewis Hamilton (Mercedes) vor Sebastian Vettel (Ferrari), Pech für Nico Hülkenberg (Renault), Crash von Alex Albon (Toro Rosso).

Hübscher kann sich die Formel 1 nicht in die Auslage stellen als im ersten Training zum Grossen Preis von Australien: Spätsommerwetter in Melbourne, 21 Grad, blauer Himmel mit einigen harmlosen Wolken. Doch die GP-Teams steckten im üblichen Dilemma: Im freien Training sollen eine verlässliche Abstimmung erarbeitet und das Verhalten der Reifen ergründet werden. Nur stehen die Rennställe dabei vor zwei Hürden. Hürde 1: Sie müssen pro Fahrer und Saison mit drei Motoren auskommen. Da will keiner in freien Trainings unnötig Kilometer bolzen. Hürde 2: Die Pistenverhältnisse im ersten Training entsprechen nicht der Quali und nicht dem Rennen. Denn zu Beginn eines GP-Wochenendes in Melbourne ist die Bahn in der Regel schmutzig und ohne Reifengummi. Sebastian Vettel hat das einmal so beschrieben: «Du musst bei der Abstimmung erahnen, wie sich die Bahn entwickeln wird. Sonst besteht die Gefahr, dass du zu sehr auf die aktuellen Pistenverhältnisse eingehst und das grosse Bild aus den Augen verlierst.»

Wer war am heissesten aufs Fahren? Kimi Räikkönen (Alfa Romoe-Sauber) ging als Erster auf die Bahn und eröffnete damit die GP-Saison, vor den beiden Papaya-farbenen McLaren-Renault von Carlos Sainz und Lando Norris, gefolgt von Sebastian Vettel (Ferrari) und Robert Kubica (Williams-Mercedes).

Racing Point tauchte wie angekündigt mit neu geformten Seitenkästen auf, schmaler geschneidert, und mit komplett neuen seitlichen Luftleit-Elementen (Barge-Boards), der grössten Spielwiese der Formel-1-Aerodynamikern. Kein Auto wies mehr Verbesserungen auf, so wie es der Rennstall aus Silverstone immer geplant hatte, das schliesst neue Flügel vorne und hinten mit ein. Genau so ging das Team schon vor einem Jahr vor – Grundlagenarbeit in Barcelona, Evo-Paket in Melbourne. Teamchef Otmar Szafnauer: «Das war von Anfang an so geplant.»

Erster Schreckmoment: Ferrari-Zögling Antonio Giovinazzi liess am Alfa Romeo-Sauber den rechten Frontreifen verrauchen, beim Anbremsen von Kurve 3.

McLaren, Toro Rosso, Alfa Romeo-Sauber, viele Autos tauchten mit FloViz beschmiert auf, um die Wirkungsweise der jüngsten Aero-Teile zu prüfen. FloViz ist eine Abkürzung für «flow visualization» (Flussveranschaulichung). In der Formel 1 ist die Verwendung dieser Paste verhältnismässig jung: McLaren benutzte die Farbe 2010 erstmals auf dem Testplatz in aller Öffentlichkeit. In den Werken war schon länger damit gearbeitet geworden. Wieso das späte Debüt an der Teststrecke? Weil nicht nur die eigenen Techniker den Strömungsverlauf sehen, sondern auch die Argusaugen der Konkurrenz.

Die Paste muss flüssig genug sein, um sich leicht auftragen zu lassen und wenig zu tropfen. Aber auch aushärtend genug, um nicht vom Luftstrom komplett weggepresst zu werden. Die Ingenieure wissen: CFD-Programme können noch so hochgestochen sein, der Windkanal nach dem jüngsten Stand – nichts ersetzt die Arbeit an der Strecke. Das Vorgehen ist immer gleich: Ein bestimmtes aerodynamisches Teil, sagen wir ein Frontflügel, wird mit der Paste eingeschmiert. Der Fahrer legt eine Runde zurück. Die Farbe verschmiert nach Strömungszwang und trocknet aus. An der Box können die Spezialisten dann überprüfen, ob der Verlauf so ist, wie sie sich das vorgestellt hatten.

Haas-Fahrer Romain Grosjean ging als Letzter auf eine Installationsrunde – Batteriewechsel im Haas-Ferrari. Die Haas-Renner tragen einen letzten Gruss an Formel-1-Rennleiter Charlie Whiting. Zum Bedauern vieler Hamilton-Fans ist seine Startnummer 44 auf dem Silberpfeil nicht mehr rot, sondern schwarz. Valtteri Bottas hat das Blau seiner 77 behalten.

Erster Mann in der Wiese: Formel-1-Rückkehrer Robert Kubica, der es mit den weichen Pirelli (rot markiert) in der ersten Kurve ein wenig übertrieb.

Stand nach einer halben Stunde: Bottas (Mercedes) vor Verstappen (Red Bull Racing-Honda), Hamilton (Mercedes), Vettel (Ferrari), Magnussen (Haas), Leclerc (Ferrari) und den beiden Toro Rosso von Kvyat und Albon. Eine bessere Zeit von Vettel wurde vereitelt, als er von Bottas aufgehalten wurde.

Nach 45 Minuten stand bei Renault-Fahrer Nico Hülkenberg nur eine Installationsrunde zu Buche, da hatten die meisten anderen Piloten schon fünfzehn Runden gefahren. Was war los? Ein Elektronikproblem, am Wagen des Emmerichers musste der Boden entfernt werden, um an einen der Bordrechner zu kommen. Früher hantierten die Mechaniker mit Schraubenschlüsseln, heute mit Laptops, andere Zeiten, andere Sitten.

Nach einer Stunde lag Lewis Hamilton vorne, vor Max Verstappen und Valtteri Bottas. Aber Weltmeister Damon Hill fiel auf: «Die Mercedes hüpfen auf den Bodenunebenheiten und den Randsteinen stark, Bottas und Hamilton haben alle Hände voll, komfortabel sieht anders aus.»

Nach 67 Minuten der ersten. Crash: GP-Rookie Alex Albon zerknüllte ausgangs Kurve 2 seinen Toro Rosso-Honda rückwärts an der Mauer, das Training musste mit der roten Flagge untergebrochen werden. Der Thai-Brite konnte den Wagen an die Box zurückfahren, ohne Frontflügel und mit beschädigtem Heck. Die rote Flagge zwang Nico Hülkenberg zurück an die Box, der endlich wieder auf die Bahn gegangen war.

Dann erwischte es auch Valtteri Bottas: Dreher in der zweitletzten Kurve, nachdem der Finne mit dem rechten Hinterrad aufs Gras geraten war. Der dreifache GP-Sieger vermied mit Geschick und Glück einen Mauerkuss.

Die ersten Vier nach den ersten 90 Trainingsminuten der Saison 2019: Hamilton 38 Tausendstelsekunden vor Vettel, der junge Leclerc 37 Tausendstel hinter Vettel, auf Rang 4 Max Verstappen, zwei Zehntel hinter Leader Hamilton. So würden wir uns das gerne gefallen lassen. Aber GP-Sieger Johnny Herbert warnt: «Den wahren Speed dieser Autos haben wir noch nicht gesehen.»

Damon Hill sagt: «Sebastian Vettel spürt schon den heissen Atem von Charles Leclerc im Nacken, der Monegasse ist super-cool, und seine ganze Körpersprache sagt – alles im grünen Bereich, ich kann das.»

Sportwagenweltmeister Martin Brundle: «Ich finde, die Mercedes sehen schnell aus, aber sie sind sehr steif abgestimmt und hüpfen daher stark. Für mich hat das erste Training bestätigt – die Top-Drei-Rennställe liegen ungefähr eine Sekunde vor einem ganz dichten Mittelfeld.»

Nochmals Damon Hill: «Für mich ist ermutigend, dass Verstappen mit dem Red Bull Racing-Honda mitgeigt. Ich bin überzeugt, wir haben da noch nicht alles gesehen, aber das macht Appetit auf mehr.»

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