Ferrari-Stratege: Fragwürdige Pläne für Monaco-GP
Der frühere Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene hatte in seiner Weisheit entschieden, sich weitgehend nicht mehr zum Formel-1-Geschehen zu äussern. Besonders die italienischen Berichterstatter reagierten irritiert. Die neue Teamführung tickt anders: Mattia Binotto will Transparenz. So stellt sich der in der Schweiz geborene Italiener auch hin, wenn sich Ferrari blamiert hat, wie im ersten Teil des Monaco-Abschlusstrainings – als Charles Leclerc nicht mehr auf die Bahn geschickt wurde und prompt ausschied.
Es gehört auch zum neuen Ferrari, dass die Italiener hier in Monaco zu einem ungewöhnlichen Termin eingeladen haben: Chef-Stratege Inaki Rueda erklärte Hintergründe zu Formel-1-Rennstrategien. So enthüllt der Spanier: Wir haben in den vergangenen zwanzig Jahren 18 Safety-Car-Phasen erlebt, die hohe Wahrscheinlichkeit führt dazu, dass gewisse Rennställe ihre Autos absichtlich mit weniger Sprit ins Rennen schicken – weil sie darauf spekulieren, dass in der neutralisierten Phase weniger Kraftstoff verbraucht wird. Erleben wir hingegen einen regulären Rennverlauf, dann sind die Fahrer gezwungen, so lange Sprit zu sparen, bis sie wieder im grünen Bereich liegen. Das ist dann die Phase von «lift and coast», wenn die Fahrer früh vom Gas gehen und in die Kurven hineinrollen.
Inaki Rueda: «In einer Safety-Car-Phase wird das Tempo um rund 60 Prozent gedrosselt. Wenn du bei einem normalen Boxenstopp gute zwanzig Sekunden einbüsst, sind es bei neutralisiertem Rennen nur noch zwölf, weil sich das Feld langsamer bewegt. Das ermöglicht also einen Zeitgewinn von acht Sekunden gegenüber Konkurrenten, die bei Rennverlauf unter grün Reifen abgeholt haben. Acht Sekunden, das können in Monte Carlo leicht einige Plätze sein.»
«Das Gefährliche in Monaco: Du kannst neue Reifen abholen und damit auf dem Papier schneller fahren, aber du gibst Positionen preis, und der enge Kurs bedeutet, dass es sehr schwierig ist, diese Plätze wieder wettzumnachen. Das kann dazu führen, dass du einen Fahrer auf der Bahn lässt, obschon seine Reifen ziemlich am Ende sind. Weil er in Monte Carlo gute Chancen hat, seinen Platz trotzdem zu verteidigen.»
«Die Safety-Car-Phase hat direkten Einfluss auf den Spritverbrauch. Hinter dem Führungwagen verbraucht ein Pilot zwischen 30 und 40 Prozent weniger Benzin. Anders gesagt – fünf Runden hinterm Safety-Car können dir so viel Sprit sparen, wie du für drei Runden benötigen würdest. Und da jedes Kilogramm zählt, gehen gewisse Rennwagen mit an sich zu wenig Benzin ins Rennen.»
Inaki Rueda spricht auch über das so genannte Unterschneiden (undercut), wenn also ein Verfolger früher zum Reifenwechsel hereinkommt als sein Gegner, in der Hoffnung, in den folgenden Runden so schnell fahren zu können, dass er die Nase vorn hat, wenn sein direkter Gegner ebenfalls frische Reifen abholt. «Hier in Monaco ist ein Undercut ganz schwierig. Die Rennhistorie hat gezeigt, dass es eher ratsam ist, möglichst lange auf der Bahn zu bleiben, ein Overcut ist also vielversprechender. Das hat auch mit dem Aufwärmen der Reifen zu tun. Wir gehen hier mit dem weichsten Pirelli ins Rennen, der Verschleiss ist niedrig, der Reifen hält recht lange.»
«Wer sich frische Walzen abholt, der kann sie nicht sofort ideal nutzen, weil er in der Regel zwei bis drei Runden braucht, bis diese neuen Pirelli auf der richtigen Temperatur sind. In dieser Zeit fährt ein Pilot weniger schnell. Wer länger auf der Bahn bleibt, kann davon profitieren. Auf anderen Strecken, die mehr Energie in die Reifen kneten, sind die Pirelli schneller auf Temperatur.»