Formel 1: Abschied in der Unterhose

Lewis Hamilton: Talentsuche in der Arbeiterklasse

Von Mathias Brunner
Lewis Hamilton mit einem der Grid-Kids

Lewis Hamilton mit einem der Grid-Kids

​Der Engländer beginnt, an seinem Vermächtnis zu arbeiten. Ein Teil davon soll die Nachwuchsförderung sein: Der Mercedes-Star findet es nicht richtig, dass wir kaum mehr Piloten aus der Arbeiterklasse haben.

Lewis Hamilton ist auf gutem Weg, seinen sechsten Formel-1-Fahrer-WM-Titel einzufahren. In Silverstone hat er seinen 80. Grand-Prix-Siege gefeiert. Auf einmal erscheinen Michael Schumachers Rekorde nicht mehr für die Ewigkeit zu sein. Der legendäre Deutsche bringt es auf sieben Titel und 91 Siege.

Wäre ihm 2016 nicht Nico Rosberg vor der Sonne gestanden, Hamilton hätte in der neuen Turbo-Ära einen glatten Durchmarsch gezeigt. Hamilton auf einer Stufe wie Juan Manuel Fangio, der Engländer findet: «Allein dieser Gedanke ist unwirklich, verrückt, unfassbar.»

Hamilton hat einem anderen Piloten den fünften Titel verwehrt, Sebsatian Vettel. Keiner wird mir widersprechen, wenn ich festhalte: Der beste Mann hat 2018 den Titel gewonnen, so wie es sein sollte, und wenn Hamilton 2019 so weiterfährt, gilt das auch für diese Saison. Es sind nicht so sehr die Pole-Positions, besten Rennrunden und Siege, die mich tief beeindrucken, es ist vielmehr die Fehlerquote. Oder der Mangel einer solchen. Denn während Vettel einige Male patzte und sich vermutlich erneut um den Titel bringt, fährt Hamilton auf gleichbleibend hohem Niveau.

Bei aller Reife ist Lewis Hamilton im Kern der kleine Bub aus Stevenage geblieben. Dieses Glitzern in den Augen, wenn er von einem Erlebnis schwärmt wie etwa vom Kartfahren mit Kids, samt Herumblödeln für alberne Instagram-Fotos, diese Verletzlichkeit, wenn er einen Tiefschlag verdauen muss und offen darüber redet – Hamilton ist stets sich selber treu, zum Glück für uns ist er ein miserabler Schauspieler.

Nach seinem Heimsieg in Silverstone hat Hamilton festgehalten: «Auf eines bin ich wirklich stolz – ich habe es aus einer Arbeiterfamilie mit ethnischem Hintergrund zum Formel-1-Champion gebracht. Es inspiriert mich, bei einem Rennen so viele verschiedene Menschen zu treffen, aus zahlreichen Ländern, mit unterschiedlichen Religionen, mit komplett verschiedenen Werdegängen. Sie alle kommen hier zusammen und haben Freude an einem Autorennen. Das finde ich fabelhaft, aber ich habe noch viel Arbeit.»

«Dieser Sport ist grandios, und seine Zukunft sind die Kinder. Doch Karting ist nicht mehr so, wie es zu meiner Zeit war. Um dich durchzusetzen, musst du für ein Top-Team fahren. Es kostet inzwischen Hunderttausende, um auf höchstem Niveau mithalten zu können. Das ist nicht mehr wie zu meiner Zeit, als mein Vater und ich in unserem kleinen Transporter schraubten.»

«Ich möchte dazu beitragen, dass sich etwas ändert. Ich möchte das Format von Einsteigerformeln so beeinträchtigen helfen, dass es für Kids aus der Arbeiterklasse einfacher wird, sich durchzubeissen. Mein Vater pflegt zu sagen: ‘Wir gehören einer aussterbenden Spezies an.’ Das will ich widerlegen. Also möchte ich den nächsten Formel-1-Fahrer aus der Arbeiterklasse finden.»

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