Hockenheim-Schlappe Mercedes: Keine Strategie perfekt
Unmittelbar nach dem Rennen sah das für Weltmeister Mercedes in Hockenheim so aus: Valtteri Bottas in der ersten Kurve von der Bahn gesegelt, Lewis Hamilton nur Elfter, Mercedes erstmals seit einem Jahr mit keinem Auto in den Punkten. Später erhielt Lewis Hamilton durch die Strafversetzung der beiden Alfa Romeo-Sauber zwei Punkte geschenkt. Das änderte aber nichts an der Tatsache, dass Mercedes ausgerechnet zur Feierstunde von 125 Jahren Motorsport und zum 200. Grand Prix in der Formel-1-WM eine schlechte Leistung gezeigt hatte.
Andrew Shovlin, der leitende Ingenieur an der Rennstrecke, spricht in seiner Video-Nachbesprechung des turbulenten Deutschland-GP offen darüber, wie sein Team von den Verhältnissen in Hockenheim auf dem falschen Fuss erwischt worden ist. Der Engländer beginnt: «Wenn wir uns die verschiedenen Strategien ansehen, dann ist es vielleicht fair zu sagen – keiner hatte in diesem Rennen die ideale Vorgehensweise. Ideal wäre gewesen, nach Regenreifen am Start auf Intermediates zu wechseln, beim Safety-Car dann auf neue Intermediates zu gehen und dann das zu tun, was Lance Stroll tat, nämlich in einer weiteren Safety-Car-Phase neue, weiche Reifen von Pirelli aufziehen zu lassen. Er war der Erste, der das tat und der auch durchfuhr.»
«Die Tatsache, dass kein Team oder kein Fahrer in diesem turbulenten Rennen das komplett Richtige getan hat, das zeigt mir, wie schwierig die Verhältnisse waren. Wir haben unsere Entscheidungen unter die Lupe genommen, denn eines muss klar sein – das war nicht gut genug, und als Ergebnis haben wir ein schlechtes Resultat erzielt.»
Viel ist nach dem Rennen über den chaotischen Boxenstopp von Lewis Hamilton geredet worden, wo doch besonders bei Mercedes die Reifenwechsel in der Regel vorbildlich absolviert werden.
Shovlin weiter: «Wir waren zuvor mit Lewis am Funk und diskutierten über die mittelharten Reifen. Zu diesem Zeitpunkt sah es so aus, als ob es abtrocknen und trocken bleiben würde; und die mittelharte Mischung war aus unserer Sicht die einzige, die bis zum Schluss durchgehalten hätte. Lewis monierte am Funk, der Reifen sei zu hart, also erhielt er beim nächsten Stopp die weichen Pirelli. Aus heutiger Sicht ist klar: Die Diskussion hätte sich vielmehr darum drehen müssen, ob wir nicht wieder auf Intermediate wechseln sollten.»
«Als Lewis dann hereinkam, verlief alles ein wenig chaotisch, weil die Jungs eigentlich für Valtteri Bottas bereitstanden. Aber Valtteri entschloss sich, noch auf der Bahn zu bleiben. Gleichzeitig hatte Hamilton seinen Ausrutscher, bei dem der Frontflügel ramponiert wurde. Das war kurz vor der Boxeneinfahrt, also kam Lewis unverzüglich herein. Wir konnten dann sehen, wie er Richtung Box abbiegt, aber es dauert nun mal eine gewisse Zeit, die anderen Reifen zu holen. Zudem mussten wir die gebrochen Fahrzeugnase ersetzen, und das können wir nicht tun, wenn wir mit dem üblichen Wagenheber den Renner aufbocken und Reifen wechseln müssen.»
«Das sah im Fernsehen alles ziemlich chaotisch aus, aber wenn so viel fast gleichzeitig passiert, dann ist die Kommunikation zwischen dem Kommandostand und den Jungs eben schwierig. Diese Szene ist nicht schön anzusehen, aber gemessen an den Umständen machten die Mechaniker einen guten Job. Eine solche Situation lässt sich nicht simulieren. Sie zeigt uns aber, wo wir uns künftig verbessern müssen.»