Pierre Gasly 2. für Toro Rosso-Honda: «Unfassbar!»
Pierre Gasly hörte gar nicht mehr auf zu brüllen, der Franzose schrie sich seinen ganzen Frust von der Seele, es klang wie ein Tier, das viel zu lange eingesperrt war und nun in Freiheit ist. Nein, es hatte gewiss keinen Spass gemacht, im vergangenen Sommer diese Nachricht zu erhalten – die Leistungen mit Red Bull Racing-Honda zu wenig gut, gemessen an Max Verstappen; daher Versetzung vor dem Belgien-GP zu Toro Rosso, während im Gegenzug der Thai-Brite Alex Albon ins grössere Red-Bull-Team rückte.
Albon bedankte sich mit einem Spitzenergebnis nach dem anderen, und wäre er in Brasilien nicht von Lewis Hamilton angeschubst worden, so hätte er wohl den Doppelsieg von Red Bull Racing-Honda sichergestellt. Aber das ist Interlagos! «Hier kann alles passieren», hatte Sebastian Vettel am Donnerstag orakelt, und das traf nicht nur auf den Heppenheimer zu, sondern eben auch auf Albon und Gasly, deren Karrieren nun so eng verwoben sind.
Durch die Kollision der beiden Ferrari und durch den ungestümen Angriff von Hamilton auf Albon lag auf einmal Gasly auf dem zweiten Rang, und der Franzose fuhr jetzt gewaltig die Ellbogen aus.
Ich weiss noch, wie hart die Kritik an Pierre nach dem Chaos-GP von Hockenheim gewesen war, als er sich damals im RBR-Rennwagen von Albon im Toro Rosso demütigen lassen musste. Das war einer der Gründe, wieso er im Sommer versetzt wurde.
Nun aber, als Weltmeister Hamilton, auf Rang 2 dürstend, im Rückspiegel von Gasly immer grösser wurde, da wurde schnell klar: An diesem Tag wird Pierre seinen Platz verteidigen, oder dann kracht es eben.
Gasly wehrte sich gegen die letzte Attacke von Hamilton, am Ende lag er um 62 Tausendstelsekunden vor dem Engländer. 62 Tausendstel, das sind zwei Wimpernschläge ...
Doppelsieg für Honda, mit einem Red Bull Racing-Piloten vor einem Toro Rosso-Fahrer, wer auf so ein Ergebnis Geld gesetzt hat, dürfte ein sehr reicher Mann geworden sein.
Der zweite Rang von Gasly ist das beste Formel-1-Ergebnis des Mannes aus der Rennstadt Rouen, und wir müssen um zwei Jahre bis nach Sugo 2017 zurückblättern, als er letztemals auf dem Siegerpodest zu sehen war, damals in der Top-Monopostoserie von Japan, in der Super Formula.
Zweiter Rang für Gasly, das ist auch das beste Ergebnis für Toro Rosso seit dem nicht weniger sensationellen Sieg von Sebastian Vettel in Monza 2008. In dieser irren Saison 2019 wurde Daniil Kvyat in Hockenheim Dritter, auch damals im Regen von Süddeutschland hatte Toro Rosso eine Chance eiskalt genutzt.
Gasly nach dem Rennen: «Ich weiss nicht, was ich sagen soll. Jeder kann mir nachfühlen, dass dies keine einfache Saison gewesen ist, und nun finde ich mich auf dem Siegerpodest wieder, ich bin platt. Das ist mein erstes Siegerpodest in der Königsklasse, und ich hatte schon fast vergessen, welche überirdisches Gefühl es ist, unter die ersten Drei zu kommen. Diesen Tag werden alle meine Kollegen von Toro Rosso und ich nie vergessen!»
«Es war immer mein Ziel, in diesem Jahr auf dem Podest zu stehen, klar sollte das eigentlich anders laufen, aber nun stehe ich hier, ich bin fassungslos.»
Wie hat Gasly diese letzte Attacke von Lewis Hamilton erlebt? «Ich sah ihn kommen, dann duckte ich mich ganz tief ins Auto, ich wollte jedes mögliche km/h gewinnen, um auch ja vorne zu bleiben – und dank des starken Honda-Motors hat das auch geklappt.»
«Honda hat in diesem Jahr unglaubliche Fortschritte erreicht. Ohne die unablässige Arbeit der Japaner wäre dieses Ergebnis nicht möglich gewesen. Ich bin überglücklich und ich bin komplett fertig.»
Gasly ist dank dieser 18 Punkte wieder WM-Sechster, und seine Scuderia Toro Rosso bringt Renault in Bedrängnis: Die Mannschaft aus Faenza liegt im Konstrukteurs-Pokal nur noch sechs Punkte hinder den fünftplatzierten Franzosen!
Zwei Fahrer mit Honda-Power ganz vorne, wann hatte es das vor Brasilien 2019 letztmals gegeben? Wir müssen ziemlich weit zurückblättern – es war in Japan 1991, mit Gerhard Berger vor Ayrton Senna.