Max Verstappen: Urteil über Red Bull Racing-Honda
Die ersten drei Formel-1-Testtage sind beinahe vorbei. Als wir uns mit Max Verstappen zusammensetzen, wird draussen auf der katalanischen Rennstrecke noch fleissig getestet, am Lenkrad des Red Bull Racing RB16-Honda sitzt Max’ Stallgefährte, der Londoner Alex Albon.
Max, wie lautet dein Urteil zum neuen Rennwagen ungefähr nach Hälfte der Testfahrten?
Für uns stand in dieser ersten Testwoche im Mittelpunkt, möglichst viele Runden zu fahren und den Wagen auf Herz und Nieren zu prüfen. Es ging nie um Rundenzeiten. Wir wollten sicherstellen, dass die ganze Technik standfest läuft. Ich darf mich nicht beklagen, wenn ich sehe, wie viele Runden ich zurücklegen konnte.
Wie sehr hast du bereits ein Gefühl dafür bekommen, was der 2020er Wagen besser kann als das Vorjahresmodell?
Ich spüre einfach, dass der Wagen gewissermassen besser mit der Bahn verzahnt ist, ich spüre mehr Verbundenheit mit der Rennstrecke. Und genau das wollten wir erreichen. Wir hatten bereits in der zweiten Saisonhälfte 2019 an diesem Ziel gearbeitet und einige Dinge für 2020 ausprobiert. Als ich beim Filmtag in England erstmals ins neue Auto gestiegen bin, konnte ich spüren – da kommt mehr. Das Fahrgefühl ist gut, aber überrascht hat mich das nicht, weil wir das schon in den Simulator eingespiesen hatten und ich damit üben konnte.
Obschon ihr gestern einen Motorwechsel hattet, ist die Laufleistung wirklich eindrucksvoll und kommt jener von Mercedes nahe. Ist das ein Hinweis darauf, welche Fortschritte ihr als Partner gemacht habt?
Ja, das sehe ich so. Wenn du in der Formel 1 Erfolg haben willst, dann musst du das Fahrzeug verstehen, und das Auto verstehst du nur dann, wenn du üppig zum Fahren kommst. Bislang sind wir von der Arbeit sehr erfreut. Mein erster Tag war traumhaft: 168 Runden, alle Punkte abgehakt. Alles lief reibungslos, so darf es weitergehen.
Welches sind die Bereiche, in welchen ihr weiter zulegen müsst?
Du willst immer mehr, in allen Bereichen, aber so denkst du übers ganze Jahr. Für diese Woche ging es nicht um die ideale Abstimmung oder um Top-Rundenzeiten. Es ging um Grundlagenarbeit. Die kannst du besser machen, wenn du mit dem gleichen Set-up fährst.
Wie sieht es in Sachen Konstanz beim Dauerlauf aus?
Die ist gut. Auch wenn wir heute schon wissen – am Rennwochenende von Barcelona werden die Verhältnisse komplett anders sein. Das war auch 2019 so. Reifenverschleiss ist kein Thema, das wir im Moment zu gründlich beleuchten.
Im vergangenen Jahr seid ihr mit dem vorgeschriebenen Motorkontingent nicht über die ganze Saison gekommen. Macht dir das Sorgen?
Nein, denn auch im vergangenen Jahr haben wir nicht wegen Schäden neue Motoren eingebaut, sondern weil Honda Triebwerke jüngster Spezifikation auf die Bahn brachte, mit stattlichen Fortschritten in Sachen Leistung. In diesem Jahr wollen wir ohne Motorwechsel auskommen. Bislang läuft alles gut.
Was lässt sich über den 2020er Honda-Motor sagen?
Bislang sind wir noch nicht mit vollem Dampf gefahren, also ist das schwer zu beantworten. Bisher laufen die Motoren standfest, mehr kann man zu diesem Zeitpunkt der Saisonvorbereitung nicht verlangen. Was mir bei Honda viel Eindruck macht: Jedes Mal, wenn sie einen gewissen Schritt nach vorne ankündigen, dann halten sie Wort und dieser Fortschritt kommt exakt wie versprochen. Also erwarte ich, dass die 2020 auch so sein wird. Honda gibt wirklich Vollgas.
Was ist deine Ansicht zum Lenksystem von Mercedes, dem so genannten DAS?
Das macht mir keine grossen Sorgen. Ich bin hier der Fahrer, meine Aufgabe besteht darin, so schnell als möglich um den Kurs zu wetzen. Es liegt an unseren Ingenieuren einzuschätzen, was in unserem Wagen drinstecken sollte und was nicht oder was erlaubt ist und was nicht. Auch ich habe so etwas nicht erwartet, aber als wir das Video sahen, war schon klar, was Mercedes damit anstrebt.
Wir sind bereits ziemlich nahe am Rundenrekord von Barcelona, dabei haben wir erst drei Testtage hinter uns.
Das ist schön, aber mir wäre lieber, wir könnten besseren Sport zeigen. Ja, die 2020er Autos sind superschnell, und wir werden einige Rundenrekorde knacken. Aber wenn du einem Gegner folgen willst, dann hast du alle Hände voll zu tun, es ist schlimmer denn je, weil diese Fahrzeuggeneration mehr und mehr Abtrieb aufbaut. (Beginnt zu lachen.) Ihr könnt euch wirklich nicht vorstellen, wie viel Abtrieb wir hinter einem Gegner verlieren, und jedes Jahr wird das schlimmer. Wenn ich also höre, dass die neuen Rennwagen für 2021 weniger schnell sein werden und vielleicht nicht so cool zu fahren, dann kann ich nur sagen – wenn der Sport dafür besser ist, dann soll mir das recht sein.
Ihr habt die ganzen Simulationswerkzeuge um hochzurechnen, wo ihr genau steht, wenn ihr Volldampf gebt und wie schnell die Gegner sein könnten. Ist das ein Grund zur Zuversicht oder zur Sorge?
Ich bin weder zuversichtlich noch besorgt. Ich sage das, weil mir das im Moment nicht so wichtig ist. Mein Fokus liegt darauf, unser Paket im Einklang zwischen Chassis, Motor und Reifen zu verbessern. Darauf habe ich einen Einfluss. Auf die Gegner habe ich keinen. Ob das gegen die Rivalen reichen wird, werden wir dann in Melbourne sehen.