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Teamchef Andreas Seidl: McLaren – der grosse Plan

Von Mathias Brunner
​Der Passauer Andreas Seidl hat laut McLaren-CEO Zak Brown viel Ruhe in den Traditionsrennstall gebracht und eine neue Form strukturierter Arbeit. Wie schätzt Seidl die Chancen von McLaren ein?

McLaren befindet sich in einem schönen Aufwärtstrend: Der englische Traditionsrennstall ist 2019 feiner WM-Vierter geworden, Carlos Sainz angelte sich den sechsten WM-Schlussrang, Lando Norris beendete seine erste GP-Saison als beachtlicher Elfter. Der grösste Grund für die Renaissance der Papaya-Renner stammt gemäss McLaren-CEO Zak Brown aus Passau – Teamchef Andreas Seidl.

Zur Erinnerung: Der Kalifornier Zak Brown wurde von den McLaren-Teilhabern geholt, um die Ära nach Ron Dennis zu leiten. Und der Marketing-Spezialist und Hobby-Rennfahrer räumte gewaltig auf. «Wir hatten bei McLaren zu viele Chefs in der Küche. Da passierte in der Firma sehr viel und auch zwischen den Teilhabern. Es gab gleichzeitig einen Mangel an Führung, aber inzwischen ist die ganze Struktur viel klarer, und einer hat das Sagen – Andreas. Er macht einen exzellenten Job.»

«Gewiss, Andreas baute nicht das 2019er Auto, das wurde ja schon aufgegleist, bevor er zu uns gekommen ist. Aber er dank seiner klaren Art und seinen Führungsqualitäten wurde unser Team entschlackt, die Leute wissen nun viel genauer, was ihre Aufgaben sind. Seidl hat dabei Technikchef James Key und den leitenden Ingenieur Andrea Stella eng eingebunden.»

«Andreas hat aus dem Rennstall gewissermassen die Politik entfernt. Wenn keine klare Führung da ist, dann kann alles sehr schnell sehr politisch werden. So langsam fallen die Puzzle-Teilchen ans richtige Ort.»

Was kann der zweiterfolgreichste Rennstall der Formel 1 (hinter Ferrari) in der kommenden Saison erreichen? Der 44jährige Seidl sagt am Circuit de Barcelona-Catalunya über die Testarbeit in der ersten Woche: «Ich bin sehr zufrieden damit, wie es bislang läuft. Erstens, weil wir sehr viel gefahren sind. Das ist der beste Saisonbeginn für McLaren seit Jahren und stellt all unseren Mitarbeitern ein schönes Zeugnis aus. Wir konnten alle Punkte durchgehen. Wir achten nicht auf Rundenzeiten, wir sind ganz auf uns selber fokussiert. Wir haben am dritten Tag einen anderen Frontflügel gebracht, wir werden in der zweiten Barcelona-Woche jede Menge neuer Teile haben. So wird das auch weitergehen, wir wollen diesen Schwung behalten. Der Wagen macht bisher, was er tun sollte, der Abgleich zu Flussdynamikberechnungen und zum Windkanal stimmt.»

Am Saisonziel hat sich nichts geändert: McLaren will die Position als erster Verfolger der drei Top-Teams festigen, sich also im knallharten Mittelfeld behaupten, gleichzeitig soll der Abstand zu den besten drei Rennställen Mercedes, Red Bull Racing-Honda und Ferrari weiter verringert werden.

Andreas Seidl: «Wir haben einen klaren Plan für 2020 und die Entwicklung des Autos. Das bindet all unsere Ressourcen, zumal wir gleichzeitig sehr sorgfältig abwägen müssen, wie viel Arbeit wir in den 2021 Wagen investieren wollen, diese Arbeit verläuft ja parallel.»

«Wir wollen 2020 bei McLaren den nächsten Schritt machen, um eines Tages wieder Rennen zu gewinnen. Daher befassen wir uns auch nicht zu sehr mit der Problematik, dass wir ein wenig alleine stehen gemessen an rivalisierenden Rennställen, welche von starken Seilschaften mit Werksteams profitieren. Wir haben ein Reglement, und ich gehe davon aus, dass all unsere Gegner gemäss dieses Reglements arbeiten.»

«Was uns wichtig ist für 2021 und darüber hinaus, dass wir Chancengleichheit erhalten. Wir müssen dabei sicherstellen, dass im Rahmen einer Zusammenarbeit zwischen zwei Teams die Regeln nicht ausgehebelt werden; etwa in Form rotierender Fachkräfte, die geistiges Eigentum mitnehmen. Das wäre gegen das Reglement. Die FIA ist sich dieses Problems bewusst. Der Sinn eines Budgetdeckels wird erst dann erfüllt, wenn sich wirklich alle daran halten.»

«Der zweite Punkt, der uns am Herzen liegt: Als unabhängiges Team wollen wir, dass Werksrennställe und Kundenrennställe die absolut gleichen Triebwerke einsetzen.»

Wie sieht das grössere Bild bei McLaren aus? Wie will der Passauer Seidl das zweiterfolgreichste Team wieder an die Spitze führen?

«Wir haben einen klaren Mehrjahresplan. Es ist mir aber ganz wichtig, dass wir uns von einem Jahr zum folgenden auch realistische Ziele setzen. Red Bull Racing und Mercedes haben ja bewiesen, dass es einige Jahre des Aufbaus braucht, um dermassen konkurrenzfähig zu werden. Wir wollen wieder Rennen gewinnen, dies muss unser Antrieb sein. Aber Magie gibt es keine, nur harte Arbeit. Du musst die richtigen Leute in der passenden Infrastruktur haben. Das ist ein hochkomplexer Sport, das alles geht nicht über Nacht. Wie sind auf Kurs, so muss das weitergehen.»

Was sagt Seidl eigentlich zum DAS von Mercedes? «Zunächst mal Hut ab vor Mercedes, dass sie sich so etwas ausgedacht haben. Ich finde es für die Formel 1 toll, dass wir solche Innovationen haben. Und bei Mercedes beklagt sich gewiss keiner über die Publicity durch das Lenksystem. Details über DAS kenne ich keine, also will ich mir kein Urteil anmassen. Wenn ihr wissen wollt, ob wir das kopieren werden – ich schätze, wir haben in unserer Position andere Bereiche, auf welche wir uns konzentrieren wollen und wo wir grössere Fortschritte erreichen können.»

«Ich will, dass McLaren wieder Pionier wird. Du musst in den Mitarbeitern diesen Gedanken im Kopf festsetzen, ganz ohne Arroganz, dass wir etwas anders machen können und wollen, und das wird eines Tages wieder zu Siegen führen. Du gewinnst in der Formel 1 nur, wenn du Vorreiter bist, nachahmen reicht nicht.»


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