Russland-GP: Igora Drive St. Petersburg nach Sotschi?
Der moderne neue Igora Drive-Circuit sollte schon 2020 Schauplatz eines Laufes zur DTM sein, der Event fiel aber der Coronakrise zum Opfer. Jetzt steht die 4,086 km lange und mit 15 Kurven gespickte Strecke, 54 km nördlich der Hafenstadt St. Petersburg gelegen, sogar als Reserve-Circuit für die MotoGP-WM auf dem Kalender.
Doch bisher steht der Igora Drive nicht endgültig im Kalender, und zwar aus zwei Gründen. Nach einem Urteil des Internationalen Sportgerichtshofs CAS dürfen nach dem Dopingskandal in Russland bis Ende 2022 keine Weltmeisterschaften von Sportarten stattfinden, die sich den Bestimmungen der Welt-Anti-Doping-Agentur unterworfen haben. Dazu gehören auch sämtliche Disziplinen des Motorrad-Weltverbands FIM und der Formel-1-WM. Theoretisch ist eine Ausnahme möglich, denn auch die Formel 1 in Sotschi sowie Spiele zur Fußball-EM 2021 in Sankt Petersburg dürfen offenbar stattfinden. Aber die WADA hat der FIM bisher kein grünes Licht für die Eisspeedway-Weltmeisterschaft 2021 Mitte Februar soll in Togliatti (Russland) gegeben! Deshalb drohen auch den Machern der Motocross-WM, der Superbike-WM und der MotoGP-WM Ungemach.
Erschwerend kommt hinzu, dass Russland zur Eindämmung der Covid-19-Seuche seine Grenzen geschlossen hat. Ein Visum zu kriegen, ist nach heutigem Stand unmöglich.
Igora Drive wurde vom deutschen Unternehmen «Tilke Engineers & Architects» geplant und errichtet. Ex-Sportwagen-Rennfahrer Hermann Tilke hat bereits 21 Formel-1-Rennstrecken und 90 weitere Rennpisten und Teststrecken geplant und designt.
Die Anlage hat bisher rund 192 Millionen US-Dollar gekostet. Sie beinhaltet unterschiedliche Strecken-Varianten und verfügt bereits über eine FIA-Grade-1-Homologation für die Formel 1. Dazu gibt es einen Karting Circuit, einen Motocross-WM-Parcours, eine Rallye-Piste, einen Winter Driving-Kurs und Konferenz-Gebäude.
Ursprünglich war er nicht für die Formel-1-WM vorgesehen. «Aber ein FIA-Funktionär hat uns empfohlen, um die Grade-1-Homologation anzusuchen», erklärte Investor Wladimir Vasiliew 2019.
Einer der Haupt-Investoren ist Milliardär Yury Kovalchuk, Haupteigentümer der Rossiya Bank und ein enger Verbündeter von Präsident Putin, der sich gern im Igora Ski Resort aufhält.
Igora-Besucher kommen zur Ansicht, die Rennstrecke habe gewisse Ähnlichkeiten mit dem ebenfalls von Tilke gebauten MotorLand Aragón, obwohl der Circuit in Russland mit einem Höhenunterschied von total 17 Höhenmetern pro Runde vergleichsweise flach ausgefallen ist.
FIA-Präsident Jean Todt hatte die Baustelle im Dezember 2018 besucht, seitdem gibt es Spekulationen, der Igora Drive Circuit werde in absehbarer Schauplatz eines Formel-1-GP von Russland sein.
Doch bisher sieht die vorhandene Infrastruktur in St. Petersburg im Vergleich zur Formel-1-Piste von Sotschi, wo seit 2014 gefahren wird, noch sehr bescheiden aus.
Ursprünglich war Igora nicht als Schauplatz für die Formel 1 und MotoGP eingeplant. Inzwischen beschäftigt sich Hermann Tilke aber mit einer Verlängerung des Strecken-Layouts, damit eine Grade-A-Homologation für einen Grand Prix erfüllt werden kann. Durch die «extension» soll sich die GP-Version der Anlage auf ca. 4,6 bis 4,8 km lang erstrecken. Die Piste wurde von vornherein mit einer Reserve von 850 Metern geplant. Für die Formel 1 müsste die Anzahl der Boxen von 24 auf 30 erweitert werden. Die Ausstattung des Medical Centres übertrifft bereits jetzt die Ansprüche der Formel-1-WM. Das Media Centre müsste hingegen vergrössert werden. Einige weitere Veränderungen in den Sturzräumen werden für die MotoGP- und F1-Homologation erforderlich sein. Diese Erweiterung soll dann auch dem Superbike-WM-Event zugutekommen.
In der Formel 1 wäre Igora Drive Circuit mit 4 km die drittkürzeste Strecke nach dem Straßenkurs von Monte Carlo und dem 4,018 km langen Red Bull Ring. Deshalb wird die Verlängerung geplant.
Durch die MotoGP-Pläne rückt in Russland auch wieder die Frage nach einem Formel-1-Rennen nahe St. Petersburg in den Vordergrund.
Aber es gibt eine weitere Ursache.
Der damalige russische Präsident Dmitry Medvedev erklärte bereits 2010, Russland müsse sich schneller bewegen und eine Heimat für innovative Unternehmen der High-Tech Industrie werden, er suchte einen «showcase», deshalb wurde dieses Pilotprojekt schon damals mit den Olympischen Spielen in Sotschi 2014 in Verbindung gebracht. Inzwischen hat längst Putin wieder das Ruder übernommen, und er hat immer wieder die Modernisierung der heimischen Wirtschaft angekündigt, die bisher in erster Linie aus dem Erdöl und Erdgas gespeist wird.
Seit April 2016 laufen konkrete Bestrebungen, aus dem Olympia Park in Sotschi ein russisches «Silicon Valley» zu machen. Die ITMO Universität ist mit dem Projekt «Interregional Network Program Start-Up Accelerator School» mit dem Partner «Storm of Ideas» in Sotschi längst tätig geworden.
Es fanden viele Brainstormings von IT-Experten, Progammierern und Start-up-Spezialisten statt, es wurden Investoren gesucht.
Inzwischen haben sich Hunderte potenzielle Teilnehmer aus ganz Russland gemeldet, die sich um innovative Projekte kümmern und das brachliegende Olympia-Areal in ein pulsierendes neues Silicon Valley umwandeln wollen.
Die Pläne sind weit fortgeschritten, es sollen kleine und mittelständische Unternehmen angesiedelt werden.
Sobald neue Geschäftsideen in diesem «Innovations Cluster» umgesetzt werden, wird das Auswirkungen auf die Formel-1-Rennstrecke namens «Sochi Autodrom» am Schwarzen Meer haben, die am 12. Oktober 2014 erstmals F1-GP-Schauplatz war.
Der Sotschi Olympia Park wird also neu gestaltet, das Areal wird dann viele neue Gebäude für die Start-ups sowie Wohnungen beinhalten.
Die 5,848 km lange Formel-1-Piste soll deshalb in eine nicht-permanente Rennstrecke umgebaut werden. Teile des Kurses werden dann währen des Jahres für den täglichen Verkehr genutzt. Als permanenter Kurs soll nur rund um das Boxengebäude eine ca. 2,5 km langen Piste für kleinere Veranstaltungen bleiben. Der Rest der Strecke mit den ganzen Begrenzungsmauern wird künftig jeweils für den Grand Prix neu aufgebaut, wie zum Beispiel einst in Valencia.
Der Rückbau wird aber einige Zeit in Anspruch nehmen, deshalb wird Sotschi auch 2021 fix den Formel-1-GP beherbergen.
In der Zwischenzeit wird der Igora Drive auf 4,6 oder 4,8 km verlängert, es wird dort die Infrastruktur verbessert, es müssen etliche Hotels errichtet werden.
Wenn in Igora rechtzeitig ausreichend investiert wird, soll der Formel-1-GP von Russland bereits für 2022 vom Schwarzen Meer nach St. Petersburg übersiedeln.