Jutta Fausel ist 80: Brief an eine Weggefährtin
Hallo Jutta im fernen Kalifornien
Nun wirst du am 27. April 2021 also tatsächlich 80 Jahre jung. Große Gratulation, Glückwünsche und alles erdenklich Gute für die nächsten Jahre. Ich hoffe, es geht dir gut und Corona hat einen großen Bogen um dich und deine Lieben gemacht.
Wenn ich unsere gemeinsamen Jahre an der Rennstrecke Revue passieren lasse, dann wird mir wieder mal klar, wie oft sich unsere Wege zwischen 1962 und 1988 gekreuzt haben.
Du warst immer zur Stelle, wenn es sich gelohnt hat, auf den Auslöser zu drücken. Du hast uns Formel-V-Buben 1970 zum Israel-Abenteuer und danach durch die wilde Super-V-Zeit begleitet.
Du bist mit der Formel-2-EM durch ganz Europa gereist und die Rennsport-Meisterschaft in guter Schussposition auf Flugplätzen wie Diepholz, Wunstorf, Mainz-Finthen und anderswo erlebt.
In dieser Zeit hast du mehr als 170 Formel-1-GP, dazu 100 Formel-2-EM- und Formel-5000-Läufe und mindestens genauso viele Rundstrecken- und Bergrennen fotografisch bereist.
Deine Fotos musstest du oft noch in der Nacht nach den Rennen im eigenen Labor in deiner schwäbischen Heimatstadt Göppingen entwickeln, damit das Bildmaterial rechtzeitig bei den Fachmagazinen «Powerslide», dem Nachfolge-Titel «Motorsport aktuell», der «Auto Zeitung» oder «sport auto» vorlag.
Oft genug sind dir die männlichen Fotografen-Kollegen mit Skepsis und Vorurteilen begegnet. Deshalb hast du mir irgendwann mal gesagt, dass es gerade hierzulande «nicht in die Köpfe der Männer reingehen will, wenn eine Frau professionell Rennen fotografiert».
Heute, liebe Jutta, haben manche Frauen sogar ein besseres (Foto)-Auge als ihre männlichen Kollegen.
Nur HP Seufert und Ferdi Kräling hätten dich akzeptiert und seien dir hilfreich zur Seite gestanden.
Und dann der ewige Kampf ums passende Foto-Ticket, schlimmstenfalls hat da bei der Formel 1 auch mal dein Förderer Bernie Ecclestone geholfen.
Ja, und plötzlich war die blonde Jutta weg.
USA-Reise, Indy 500, ein attraktiver IndyCar-Renn-Ingenieur namens John Ward, in Diensten der Rennlegende Dan Gurney – und schon war’s passiert. Aus Fausel wurde Fausel-Ward, US-Staatsbürgerin seit 1989, Wohnort erst Indianapolis, dann bis heute Costa Mesa, in der Nähe von Newport Beach, Kalifornien.
Schön, dass du uns wenigstens noch ein paar Mal bei der großen «Hallo wie geht’s»-Sause in Essen besucht hast, auch wenn du die Objektive 2008 zur Seite gelegt hast. Da konnten wir uns alle davon überzeugen, wie jung und sportiv du noch immer ausschaust. Und das «bisschen Rücken» wirft auch so schnell nicht um.
Nochmals alles erdenklich Gute von mir, Brita und all deinen Freunden aus Old Germany.
Übrigens – noch heute zieren Fausel-Fotos so manche Retro-Story in den Print-Medien und auch Online, weil auch heute noch Anfragen für Bücher, Magazine und Dokumentationen hereinschneien.
Qualität vergeht eben nicht.