Netflix-Doku SCHUMACHER: Bewegende Momente
Michael Schumacher
Vor knapp 30 Jahren begann die grandiose Formel-1-Karriere von Michael Schumacher, ein Einstieg in die Königsklasse, wie ihn Schumi damals machte, wäre heute kaum denkbar. Der Deutsche arbeitete sich aus einfachen Verhältnissen zum erfolgreichsten Formel-1-Fahrer hoch, mit 91 GP-Siegen und sieben WM-Titeln. Heute würde Michael Schumacher voller Stolz an der Box von Haas stehen, um seinen Sohn Mick in dessen erster GP-Saison zu beobachten. Aber das Schicksal wollte es anders. Seit seinem Skiunfall vom 29. Dezember 2013 in den französischen Alpen kämpft Schumacher um seine Gesundheit, abgeschirmt von seiner Familie.
Das Interesse an Schumi jedoch ist ungebrochen, daher herrschte helle Aufregung als bekannt wurde: Netflix, der grösste Streaming-Anbieter, arbeitet mit der Familie Schumacher an einer Doku über den Ausnahme-Athleten, simpler Titel – SCHUMACHER. Dieser 112 Minuten lange Film ist seit 15. September bei Netflix zu sehen.
Neben seinem Vater Rolf und Bruder Ralf kommen Schumachers Ehefrau Corinna und seine beiden Kinder Gina und Mick genauso zu Wort wie seine engsten Wegbegleiter und Konkurrenten. Darunter Jean Todt, Eddie Irvine, Ross Brawn, Bernie Ecclestone, Sebastian Vettel, Mika Häkkinen, Damon Hill, Flavio Briatore, David Coulthard, Willi Weber, Luca di Montezemolo, Piero Ferrari, seine Managerin Sabine Kehm und viele Andere mehr.
Auf den Zuschauer kommen viele Gänsehautmomente zu. Und den Machern des Films ist etwas gelungen, was nach einem Leben im Scheinwerferlicht fast unmöglich zu sein schien – wir lernen neue Facetten von Michael Schumacher kennen.
Im Grunde gab es immer zwei Michael Schumacher: Schumi, den Rennfahrer, kompromisslos, bis zur Verbissenheit zielgerichtet, bisweilen nicht belehrbar, mit unfassbarem Talent gesegnet, an Arbeits-Ethik nicht zu übertreffen, der Mann, der Ferrari wieder zum Weltmeister machte. Und dann den Familienmenschen Schumacher, den nur wenige Weggefährten kannten.
Den Filmemachern gelingt es hervorragend, die Faszination Formel 1 zu vermitteln, auch dank reichen Zugriffs aufs Archiv von Formula One Management. Aber die Szenen von verschiedenen Strecken werden immer in Zusammenhang mit dem Menschen Schumacher gestellt, nicht mit dem Rennfahrer. Es sind solche Momente, die ans Herz gehen: Wenn etwa Schumacher von seinem damaligen Benetton-Teamchef Flavio Briatore in Imola 1994 darüber informiert wird, dass es nicht gut stehe um Ayrton Senna.
Hier zeigt sich, wie verletzlich der Mensch Schumacher ist, der Tod des grossen Senna hatte auch auf Michael grosse Auswirkungen. Und zahlreiche Interviews vertiefen diesen Eindruck. Michael Schumacher ist ein Mensch nicht frei von Widersprüchen, denn obschon er gegen aussen immer den Eindruck vermittelte, nicht falsch liegen zu können, konnte er durchaus auch einsichtig sein – allerdings erst nach einer Weile, siehe Kollision mit Jacques Villeneuve in Jerez 1997.
Es klingt widersprüchlich, doch während Schumacher danach strebte, der beste Rennfahrer der Welt zu sein, hat er das Scheinwerferlicht nicht gesucht. Letztlich gab es nur ein Umfeld, in welchem er sich komplett wohlgefühlt hat – im Kreise seiner Familie.
Die bewegendsten Momente des Films sind denn auch jene, wenn seine Ehefrau Corinna oder sein Sohn Mick sprechen. Corinna Schumacher sehr offen: «Ich habe dem lieben Gott nie einen Vorwurf gemacht, warum das jetzt passiert ist. Es war einfach richtig Pech. Mehr Pech kann man im Leben nicht haben.» Kurz vor den tragischen Ereignissen in den französischen Alpen habe ihr Ehemann noch zu ihr gesagt: «Der Schnee ist nicht optimal, wir könnten ja nach Dubai fliegen.»
Und Mick Schumacher sagt darüber, wie es wäre, heute den Vater an seiner Seite in der Formel 1 zu haben: «Das wäre so cool. Das wäre es jetzt. Ich glaube, dass Papa und ich uns jetzt in einer anderen Weise verstehen würden. Einfach, weil wir in einer ähnlichen Sprache sprechen, in der Motorsportsprache. Ich würde alles aufgeben, nur für das.» Die Stimme des jungen Schumacher bricht, es kommt noch ein «Ja», Mick schaut zu Boden – spätestens jetzt hat auch der Zuschauer einen dicken Kloss im Hals.
Die Warmherzigkeit und Liebe im Hause Schumacher wird auch deutlich durch zahlreiche Einblendungen aus den Fotoalben oder von Heimfilmen.
Corinna Schumacher sagt in der Netflix-Doku, wie sehr Michael Schumacher den Menschen fehlt: «Nicht nur mir. Die Kinder, die Familie, sein Vater, alle, die um ihn herum sind, jeder vermisst Michael. Aber Michael ist ja da, anders, aber er ist da, und das gibt uns allen Kraft. Wir leben zu Hause zusammen, wir therapieren, wir machen alles, damit es Michael besser geht und gut geht und dass er unseren Familienzusammenhalt auch einfach spürt. Es ist wichtig, dass er sein Privatleben weiter so geniessen kann, so gut, wie es eben geht. Michael hat uns immer beschützt, jetzt beschützen wir Michael.»