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Dakar-Audi: Elektro-Power dank Verbrennungsmotor

Kolumne von Günther Wiesinger
Beim Formel-1-GP in Belgien erzählte Audi-CEO Markus Duesmann auch vom Dakar-Audi RS Q E-Tron, der über einen elektrischen Antrieb verfügt. Im Rallye-Auto brummt aber auch ein Vierzylinder-Turbo-Verbrennungsmotor.

Als Audi-CEO Markus Duesmann am vergangenen Freitag in Spa-Francorchamps die Formel-1-Pläne der Ingolstädter für 2026 präsentierte, machte er im Zusammenhang mit anderen Motorsport-Projekten der Audi Group eine recht irreführende Aussage.

Der Hinweis von Duesmann, Audi sei bei der Dakar-Rallye 2022 in der «T1U-Unlimited Klasse» mit einem elektrischen Antriebsstrang unterwegs gewesen, entspricht zwar den Tatsachen. Aber beim besagten Audi RS Q E-Tron war auch ein 2-Liter-Turbo-Vierzylinder-Verbrennungsmotor mit 580 PS und einem 295-Liter-Kraftstofftank an Bord. Dazu ein Energiewandler, ein so genannter «Range Extender», der die beiden 370 kg schweren Batterien mit jener elektrischen Energie speiste, die recht altmodisch vom 2000-ccm-Turbomotor aus der alten DTM erzeugt wurde.

«Der Motorsport liegt in der DNA von Audi», versicherte Duesmann in Belgien. «Wir waren schon immer aktiv und erfolgreich in verschiedenen Meisterschaften unterwegs. Man denke etwa an Le Mans, Dakar, DTM und Formel E. Das wollen wir nun fortführen. Die Formel 1 hat sich für ein neues Motorenreglement ab 2026 entschieden, das den elektrischen Anteil vergrössert. Auch die Budgetobergrenze, die eingeführt wurde, war ein wichtiger Grund für unsere Entscheidung, in die Königsklasse einzusteigen.»

Dann kam Duesmann auf die Vergangenheit zu sprechen: «Wir haben bereits 2012 mit der Elektrifizierung im Motorsport angefangen, das war mit den Hybrid-Autos in Le Mans. Das Engagement haben wir in der Formel E weitergeführt und auch in der Rallye Dakar sind wir mit einem elektrischen Antriebsstrang unterwegs. Wir erwarten die technisch am weitesten entwickelten Elektromotoren in der Formel 1, deshalb werden alle Ingenieure viel über die nächste Generation von elektrischen Antrieben lernen. Wir alle lieben die grosse Herausforderung, die der Formel-1-Einstieg mit sich bringt.»

Naja, dieser «elektrische Antriebsstrang» von Audi bei der Dakar, das ist ein interessantes Kapitel. Tatsächlich haben die Audi-Ingenieure für 2022 unter Zeitdruck ein Einsatzfahrzeug für die Dakar gebaut, es hört auf den Namen Audi RS Q E-Tron. Audi trat mit diesem Fahrzeug erstmals werksseitig bei der Rallye Dakar an.

Aber welche Technik steckte in diesem futuristischen, angeblich elektrischen Wüstenschiff?

Donnerten die Asse Carlos Sainz senior, Stéphane Peterhansel und Mattias Ekström wirklich CO2-neutral und ohne fossile Energie über die zwölf Etappen der 8098 km langen Marathon-Rallye?

Wer sich damals im Biwak, am Start, im Parc Fermé und an der Strecke umsah und umhörte und das Geschehen bei Audi aufmerksam verfolgte, der wurde Zeuge eines recht eigentümlichen Gebarens.

Denn bei Sainz & Co. wurde beobachtet, wie im Biwak ihre 2000-ccm-Verbrenner am Stand offenbar so lange hochgedreht wurden, bis durch den Energiewandler genug Strom für die Fahrt zur Startlinie gespeichert war. Dann rollten die Audi RS Q E-Tron geräuschlos und emissionslos zum Start. Es liegt die Vermutung nahe, dass ab diesem Zeitpunkt für das Vorwärtskommen überwiegend die Motorleistung des 2-Liter-Verbrenners für die Wettfahrten gebraucht wurde, obwohl beim Bremsen wohl etwas Energie rekuperiert wurde.

Kritische Beobachter wurden in Saudi-Arabien den Eindruck nicht los, Audi betreibe einen gewaltigen Etikettenschwindel. Denn dass der Strom und die Reichweite eines E-Autos für die 546 bis 850 km langen Tagesetappen nicht ausreicht, greift ein Blinder mit dem Stock.

Deshalb wurde beim Audi RS Q E-Tron, der innerhalb von ca. zwölf Monaten startklar gemacht wurde, möglichst stark auf bekannte Komponenten gesetzt. Die beiden Elektro-Motoren (MGU) an der Vorder- und Hinterachse stammten aus dem hauseigenen Formel-E-Renner. Bei einem Gewicht von 370 kg und einer Kapazität von 50 kWh hätte diese komplett neu entwickelte Hochvolt-Batterie nicht annähernd genug Energie für die langen Offroad-Etappen geliefert.

Deshalb wurde als «Range Extender» zusätzlich noch ein 580 PS starker Zwei-Liter-Vierzylinder-Turbo-Motor eingebaut, den wir von Audi aus der alten A-Klasse-DTM kennen und der die Batterie während der Fahrt mit Energie speiste. Dieser 2000-ccm-Verbrennungsmotor wird im effizienten Drehzahlbereich zwischen 4500 und 6000/min betrieben, sein spezifischer Verbrauch soll gemäß Audi deutlich unter 200 Gramm pro kWh liegen. Im Kraftstoff-Tank wurden bei der Rallye Dakar von Audi täglich stattliche 295 Liter fossilen Treibstoffs mitgeführt.

Eine dritte MGU, baugleich zu den Antriebseinheiten an den Achsen, wurde von der Ingolstädter Premiummarke in Saudi-Arabien als Teil des Energiewandlers genutzt. Diese MGU diente dazu, die Hochvolt-Batterie im Rennbetrieb mit ausreichend Strom zu versorgen. Neben der Power, die aus dem Verbrennungsmotor in die Batterie floss, wurde zusätzlich Energie beim Bremsen rekuperiert, sogar beim Betätigen des gekröpften Alu-Handbremshebels.

Diese Technologie ist beim Audi RS Q e-tron-Dakar-Rennfahrzeug mit dem Brake-by-Wire-System verknüpft, das die hydraulische Bremse mit dem Rekuperationssystem kombiniert.

In einer Anzeigen-Print-Kampagne berichtet Audi aktuell und wörtlich, Mattias Ekström und Beifahrer Emil Bergkvist hätten bei der Dakar vier von 13 Etappen mit dem Rallye-Stromer gewonnen. (In Wirklichkeit gab es übrigens nur 12 Etappen).

Die Fakten: Bereits nach der ersten Etappe am 2. Januar galt der Audi von Peterhansel offiziell als ausgeschieden, während Ekström 1:44 Stunden und. 2:21 Stunden verloren hatten. Nach der ersten Woche hatten allerdings alle drei Fahrer auf mindestens einer Etappe einen Podestplatz erobert.

Sainz gelang am 4. Januar der ersten Audi-Sieg in einem Tagesklassement.

In der zweiten Woche gewann Audi drei der letzten sechs Etappen, die Ingolstädter heimsten fünf weitere Podestplätze ein. Alle drei Audi waren in der zweiten Dakar-Woche schneller als der spätere Sieger Nasser Al-Attiyah im Toyota.

Wenn die Zukunft der Elektro-Mobilität und die viel beschworene ökologische Nachhaltigkeit darin besteht, mit einem 580 PS starken 2-Liter-Vierzylinder-Turbo-Verbrennungsmotor (mit bis zu 295 Liter fossilem Treibstoff im Tank) und einem Energiewandler ein bisschen Strom zu erzeugen, kann man wirklich von Innovation und technischem Einfallsreichtum sprechen.

Auf so ein merkwürdiges Konzept muss man erst einmal kommen.

Mattias Ekström rührt für diesen aufwändigen Antrieb jetzt sogar brav die Werbetrommel: «Unser Antriebsstrang ist einzigartig und beweist, wie fortschrittlich Audi auch heute noch ist. Der Wandel zur Elektromobilität ist nicht aufzuhalten. Ich liebe es, rein elektrisch unterwegs zu sein. Ich bin stolz, Teil dieser Evolution bei Audi zu sein.»

Und Audi-Werksfahrer Nils Müller darf ergänzen: «Ich bin immer wieder beeindruckt, wie Audi es schafft, Entwicklungen aus dem Rennsport auf die Straße zu bringen.»

Das muss wohl der viel gerühmte «Vorsprung durch Technik» sein.

Mit diesem Slogan machte Audi vor 40 Jahren Furore – als der permanente Allradantrieb durch die Marke mit den vier Ringen im Straßenverkehr populär gemacht wurde.

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