Michael Schumacher: Ernste Unterhaltung in Berlin
Ferrari Days am Ring 1999: Michael Schumacher wird während des Interviews mit Speedweek-Autor Braun von einem Fotografen-Heer umlagert. Rechts Ferrari-Deutschland-Repräsentant Helmut Mander
Berlin, April 1996, Hotel Esplanade. Im Auftrag von Ferrari-Sponsor Marlboro soll ich mit Ferrari-Neuzugang Michael Schumacher eine Gesprächsrunde für Berliner Journalisten moderieren. Michael wirkt auf mich angespannt, die problematischen ersten drei Ferrari-Starts haben ihre Spuren hinterlassen.
Dennoch verläuft die Gesprächsrunde über die neue Herausforderung bei Ferrari recht locker. Auch die anschließende Fragestunde der bekanntlich besonders wissbegierigen Berliner Journalisten-Riege meistert Michael souverän, gibt selbst auf heikle Fragen erheiternde Antworten.
Kaum ist mein Job gemacht und das Buffet eröffnet, zieht mich Michael zur Seite und bittet um ein Gespräch unter vier Augen. «Lass uns nebenan in die Hotel-Bibliothek gehen», schlägt er vor, «dort sind wir ungestört.» Den Hotelmanager weist er an, das Essen für uns ins «Separee» bringen zu lassen.
Beflissen schließt ein Page die Tür zur Bibliothek auf. Ein Hotel-Mitarbeiter wird zur Bewachung des Eingangs abgestellt, damit es auch ja keine Störung gibt. Ich fand es bemerkenswert, wie geflissentlich man die Sonderwünsche des damals schon zweifachen Formel-1-Weltmeisters erfüllte. Ein Staatsmann hätte da auch nicht viel mehr an Dienstbarkeit erwarten können.
Schauplatz Bibliothek also, langer Tisch aus edler Eiche, Michael platziert sich als Häuptling am Kopf, ich darf seitlich neben ihm Platz nehmen. Mir ist sofort klar, dass es um was Ernsteres gehen muss. Schon alleine Michaels Gesichtsausdruck signalisiert, dass ihm da was unter den Nägeln brennt.
Zwischen Lachshäppchen und Salat fixiert er mich zunächst mit bohrendem Blick und kommt ohne Umschweife und geradezu überfallartig zur Sache: «Warum wollt ihr meinem Bruder fertigmachen, du und dein Kollege Bechtel?» Rumms, das saß!
Es ging um Ralf und seine Formel-3-Saison 1995 in Deutschland. Burkhard Bechtel hatte die Rennen als Streckensprecher begleitet, ich als Kommentator der 3sat Live-Übertragungen. Dabei haben uns vor allem Jarno Trullis furiose Auftritte beeindruckt. Wir, der Burkhard und ich, haben am Mikro auch nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass uns Trulli als Formel 3-Neuzugang besonders gut gefällt und ihm eine große Zukunft prognostiziert.
Ralf hat sich darüber wohl ziemlich geärgert und eine Art Privatkrieg gegen uns eröffnet. Er hat sich nicht nur Burkhard und mir gegenüber pampig und unverschämt benommen. So begrüßte er uns beispielsweise im Fahrerlager im Vorbeigehen gerne mal provozierend mit «Tach, die Herren Trulli» und zischte Unflätiges hinterher.
Wir hatten natürlich bei unserer Mikrofon-Arbeit ordentlich dagegengehalten, geißelten jeden seiner Fehler auf der Piste und lobten im gleichen Atemzug Trullis Leistungen und dessen bescheidenes Auftreten.
Die Sache schaukelte sich jedenfalls immer weiter auf, dazu kam auch eine gewisse Verärgerung beim TV-Partner 3sat, wo Ralf sich über die Form unserer Berichterstattung beschwert und Verabredungen zu Interviews nicht eingehalten hat.
Um es klar zu sagen – alle waren am Ende der Saison 1995 nur noch genervt, wenn der Namen Ralf Schumacher fiel. «So ein Benehmen kannst man sich, wenn’s denn sein muss, erst leisten, wenn man Weltmeister ist», bemerkte unser TV-Regisseur Bernd Krämer sarkastisch diesem Thema. Nachdem Ralf von vielen Seiten unter Feuer genommen wurde, hat er sich irgendwann wohl bei Michael ausgeheult und sich über den Kollegen Bechtel und mich beschwert.
Bei unserer Aussprache habe ich Michael in aller Ruhe erklärt, dass die unerfreuliche Situation ausschließlich durch Ralf selbst und dessen schlechtes Benehmen entstanden ist. «Davon hat er mir allerdings nichts erzählt», bemerkte Michael leicht irritiert. «Wenn das wirklich so ist, muss ich noch mal mit ihm reden. Natürlich kann ich das, was du mir da erzählst, nicht gutheißen.»
Mit diesen Worten beschloss Michael die Anhörung in der Hotel-Bibliothek. Zum Abschluss versicherte ich auch im Namen meines Kollegen Bechtel ausdrücklich, dass wir absolut nichts gegen Ralf haben, wohl aber gegen seine unangemessenen Auftritte und seine schlechten Umgangsformen.
Danach hat sich alles relativ schnell eingerenkt, und Ralf wurde auch uns gegenüber ein freundlicher und umgänglicher Zeitgenosse. Offenbar hat ihm Michael so Einiges erklärt. Michael selbst war in all seinen Ferrari-Jahren immer ein aufgeschlossener Interviewpartner – egal ob bei den Ferrari Days am Ring oder bei anderen Anlässen.