Manfred Winkelhock: Draufgänger unter Terrorverdacht
Manfred Winkelhock
Am heutigen 6. Oktober hätte Manfred Winkelhock 73. Geburtstag. Da der am 12. August 1985 in Toronto tödlich verunglückte ehemalige BMW-Junior uns unter anderem besonders wegen seines draufgängerischen Einsatzes in Erinnerung ist, sei aus diesem Anlass eine Geschichte erzählt, die irgendwie bezeichnend ist für das Naturell des von aller Welt nur freundschaftlich «Bibi» genannten Ausnahme-Piloten.
Beim DRM-Lauf in Kassel-Calden im Juli 1978 langte Manfred Winkelhock im HAT BMW 320 Turbo so kräftig hin, wie man es von seiner Kämpfernatur gewohnt war. Der ehemalige BMW-Junior und -Werkspilot war in diesem Jahr nur sporadisch im deutschen Championat tätig, wenn er nicht seinen priorisierten Aktivitäten in der Formel 2-Europameisterschaft nachging.
Auf dem Flugplatz in Calden jedenfalls machte er seinem Ruf als begnadeter Tourenwagen-Pilot wieder mal alle Ehre, indem er das Zakspeed-Duo Heyer/ Hahne sicher auf Distanz hielt und hinter dem auf seinem Schnitzer BMW 320 Turbo überlegen mobilisierten Harald Ertl Platz 2 belegte.
Jetzt zur Statistik. Dort wurde gebucht: Winkelhock null Punkte. Was war da los? Dann die offizielle Lesart, Wortlaut Winkelhock: «Ich habe einen englischen Sponsor, der Wert darauf legt, dass ich mit englischer Lizenz fahre.»
Winkelhocks Intimus und Förderer Norbert Haug, damals Sportreporter im Motorpresse Verlag, setzte sich am Rande der nordhessischen Piste für «Bibi» ein: Kollegen, denen die Sache mit der englischen Lizenz hinterbracht worden war, überzeugte Haug wortreich davon, man möge die Sache doch auf sich beruhen lassen. Da das Geschehen auf der Rennstrecke ohnehin genügend Stoff zum Schreiben bot, vergaß man die Angelegenheit und bedeckte sie mit dem Mantel der Liebe.
Später, mehr als 40 Jahre später, und weil die mittelbar Beteiligten zu dem nämlichen Vorgang etwas gesprächiger geworden sind, kann auch die ganze Geschichte erzählt werden: Ein schöner Sommertag in Stuttgart. Manfred hatte gerade keinen Renntermin und fuhr mit seinem Dienst-BMW fröhlich Richtung Solitude. Er fuhr – wie das so seine Art war – recht flott und lief auf vorausfahrenden Verkehr auf. In solchen Situationen gehörte er nicht gerade zu den ganz Zimperlichen.
Das Fahrzeug vor ihm ließ ihn nicht überholen. Manfred sah sich zum Tanz aufgefordert. Nahkampf auf vier Rädern war schließlich seine Lieblings- und Spezial-Disziplin. Manfred gewann den Zweikampf, man ist schließlich Profi. Überraschend leistete auch der nächste Verkehrsteilnehmer Gegenwehr. Auch den und einen weiteren konnte unser Mann auf die Plätze verweisen.
Plötzlich aber sah er sich eingekreist. Blaulicht flammte auf. Und eher er sich’s versah, saß er in der Falle und schaute in den Lauf einer Maschinenpistole. Was er im Kampfgetümmel nicht bemerkt hatte: Er war in den Sicherheitskordon des damaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Hans Filbinger eingebrochen – zu Zeiten, da nach dem Terroranschlägen auf Bankier Jürgen Ponto und BDI-Präsident Hanns-Martin Schleyer alle Sicherheitskräfte verständlicher Weise höchst nervös waren.
Sie hielten Winkelhock für einen Terroristen und nahmen ihn erstmal fest. Der Führerschein wurde auch einbehalten und damit war seine deutsche Lizenz ungültig. Deshalb also keine Punkte für Winkelhock in Kassel-Calden. Aber in Flensburg.