Formel 1: Günther Steiner rechnet ab

History Mexiko-GP: Schock – Fans auf der Rennstrecke!

Von Mathias Brunner
​Die Rennbegeisterung der Mexikaner ist nur noch mit jener der Tifosi in Monza zu vergleichen. Oder mit den Brasilianern zu Zeiten von Emerson Fittipaldi und Ayrton Senna. 1970 hätte das tödlich enden können.

Die Formel-1-Pisten werden heute so gut bewacht, da ist es fast nicht mehr möglich, auf Tuchfühlung zu gehen mit Hamilton, Verstappen & Co. (Ausnahme der Regel vor kurzem in Austin).

Mehr als 400.000 Fans werden an diesem Wochenende hier in Mexiko erwartet, aber es ist nicht damit zu rechnen, dass wir auch nur einen Fan auf der Bahn sehen, während gefahren wird.

54 Jahre früher war dagegen das Geschehen der nackte Wahnsinn. Damals hiess die mexikanische Piste Magdalena Mixhuca, die Piste wurde erst nach dem Tod von Pedro Rodríguez in den 70er Jahren umbenannt. Zuvor hiess sie nach dem dortigen Park Magdalena Mixhuca, das wiederum geht zurück auf die Kirche Santa María Magdalena Mixhuca, die der heiligen Maria Magdalena gewidmet ist. Der Name Mixhuca bedeutete bei den Ureinwohnern so viel wie Geburtsort. Auch eine U-Bahnstation im heutigen Mexiko-Stadt heisst heute so.

Vermutlich wachte Maria Magdalena 1970 besonders aufmerksam über der Rennbahn. Denn 200.000 Fans wollten sich das Geschehen nicht entgehen lassen, und als viele von ihnen merkten, dass sie wohl nicht rechtzeitig aufs Gelände kommen würden, trampelten sie kurzerhand Zäune nieder und hockten sich zufrieden an den Rand der Rennstrecke ins Gras.

In der Rennleitung wurde erwogen, das Rennen platzen zu lassen. Aber die mexikanischen Organisatoren fürchteten Randale, wenn der Menge nichts geboten würde. Einigen dauerte das alles sowieso schon viel zu lang. Also warfen sie Flaschen und dergleichen auf die Bahn.

Lokalheld Pedro Rodríguez und Weltmeister Jackie Stewart wurden auf die Bahn geschickt, um den Fans ins Gewissen zu reden. Wenn Stewart und ihr Idol Pedro vor ihnen standen, nickten die Fans, begaben sich brav hinter die Leitschienen, und sobald der Schotte und sein mexikanischer Rennfahrerkollege ausser Sicht waren, rückten sie wieder auf die Grasnarbe vor.

Nach weiterer Verspätung (die Scherben auf der Bahn mussten entfernt werden) wurde das Rennen endlich freigegeben, und die mexikanischen Esel störte es nicht weiter, dass Autos mit 300 Sachen an ihnen vorbeibrausten.

Stewart überfuhr dann tatsächlich einen Pistenbesucher – einen streunenden Hund. «Es ging so schnell, dass ich nichts machen konnte», bedauerte der Schotte.

Inzwischen hatten die ersten Fans begonnen, gemächlich die Piste zu überqueren. Sie fanden vermutlich, von der anderen Seite hätten sie eine bessere Sicht.

Als für die Ferrari-Asse Jacky Ickx und Clay Regazzoni endlich die Zielflagge gefallen war, gab es kein Halten mehr, vor lauter Menschen war das Asphaltband nicht mehr zu erkennen. Einige Fahrzeuge blieben auf der Auslaufrunde in der Menge stecken, die Renner wurden gnadenlos geplündert, die Fans nahmen auch mit, was niet- und nagelfest war.

Der Autoverband nahm zur Strafe das Rennen aus dem Kalender, erst 1986 wurde in Mexiko wieder ein WM-Lauf durchgeführt.


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