Brasilien-Sieger Max Verstappen: «Ich bin sprachlos!»
Max Verstappen war in Brasilien eine Klasse für sich
Fabelhafte Vorstellung von Max Verstappen beim spektakulären Grossen Preis von São Paulo im Autódromo José Carlos Pace im Stadtteil Interlagos: Der 27-jährige Red Bull Racing-Fahrer lässt den Gegnern bei schwierigsten Verhältnissen keine Chance und gewinnt seinen 62. Formel-1-GP.
Das ist Verstappens achter Saisonsieg (nach Bahrain, Saudi-Arabien, Japan, China, Imola, Kanada und Spanien), aber sein erster seit 22. Juni in Barcelona, sein dritter auf dieser Rennstrecke nach 2019 und 2023 und sein 111. Podestplatz in der Königsklasse. Noch nie vor Verstappen war ein GP hier von Startplatz 17 gewonnen worden. Rekord zuvor: Sieg von Hamilton von P10. Klar fuhr Max auch noch die beste Rennrunde.
Für seinen Rennstall Red Bull Racing ist dies der 121. GP-Triumph, der sechste in Brasilien.
Nach so vielen Knüppeln, die Max zwischen die Beine geworfen wurden (Strafversetzungen, Strafen) nun endlich ein Lichtblick, denn Lando Norris kreuzte die Ziellinie zwar als Sechster, aber gegen den Briten wird noch ermittelt.
Verstappen, 19,477 sec vor Ocon, ist nach dem unfassbar spannenden WM-Lauf sichtlich glücklich und meint: «Jaaaaa! Was für ein unfassbares Rennen. Wisst ihr, was das ist – einfach lieblich.» Simply lovely, Max’ Lieblingsspruch nach einem Sieg, verdammt lang nicht zu hören.
Verstappen warf sich in die Arme seiner Mannschaft, von den Fans zum Fahrer des Rennens gewählt, sein Gesicht die pure Freude.
Max nach seiner phänomenalen Leistung: «Meine Emotionen sind pure Achterbahn. Nach dem Niederschlag in der GP-Quali, als die rote Flagge wirklich zum blödesten Moment kam, war mir klar – von so weit hinten wir das eine ganz schwierige Aufgabe.»
«Ich bin sprachlos, ich hätte nie gedacht, dass ich hier von P17 gewinnen würde. Es mussten schon einige Dinge zusammenpassen, dass dies hier möglich geworden ist.»
«Aber wir haben uns aus allem Ärger heraushalten können, wir haben strategisch alles richtig gemacht, wir haben die Ruhe bewahrt, und das hat sich ausbezahlt – der Wagen ist förmlich geflogen.»
«Auf dem frischen Asphalt ist das Überholen knifflig, aber ich wusste beim Start, ich muss hier was zeigen. Ich hatte Vertrauen ins Auto auf der Bremse und habe in der ersten Kurve viel riskiert, immer in der Gefahr, dass ich vielleicht die Vorderräder blockieren würde. Aber es ist alles gut gegangen.»
«Puh, das ist einfach unglaublich, von so weit hinten zu gewinnen, wer hätte das gedacht? Ich hoffe, die Fans hatten heute ihren Spass.»
Das Rennen vor der roten Flagge
Nach einem üblen Crash in der Sonntagmorgen-Quali von Brasilien konnte Williams-Fahrer Alex Albon am Rennen nicht teilnehmen. Ferrari musste den ebenfalls beschädigten Wagen von Carlos Sainz so umbauen und überdies einen neuen Motor einbauen, dass ein Start aus der Boxengasse unumgänglich wurde.
Während der Aufwärmrunde drehte sich Aston Martin-Fahrer Lance Stroll von der Bahn, der Wagen landete im Kiesbett, Startversuch abgebrochen, Williams-Fahrer Colapinto stellte sich in die falsche Startbox. Die FIA verfügte: neue zehnminütige Vorbereitungsphase.
Die FIA ermittelte gegen Pole-Mann Lando Norris, der sich unter gelbem Licht auf eine zweite Einführungsrunde machte, obschon das Reglement sagt, dass die Fahrer bei einem Abbruch einfach stehenbleiben müssen. Andere Fahrer folgten Norris.
Max Verstappen am Funk sofort: «Wieso fahren die alle los? Wir haben doch gar kein grünes Licht.»
Ein solches Vergehen (der Pole-Mann fährt unerlaubt los) ist im Reglement nicht vorgesehen, aber Sergio Pérez hat in Mexiko für den Start ausserhalb seiner Box eine Fünfsekundenstrafe erhalten.
Während all diesem Durcheinander rückten dunkle Wolken näher Neue Einführungsrunde mit nunmehr 17 Autos (ohne Albon, ohne Stroll, Sainz in der Boxengasse).
Beim Start Russell sofort vorne, klar besser gestartet als Norris, dann Tsunoda, Ocon, Leclerc, Lawson und Piastri. Verstappen schon auf Platz 11, gleichzeitig Dreher von Sergio Pérez.
Russell nach einer Runde schon 1,5 sec vor Norris, Verstappen holte Hamilton in der ersten Kurve und war schon Zehnter. Der Regen nahm zu.
In Runde 5 nahm sich Verstappen den Franzosen Gasly zur Brust und rückte vor auf Platz 9. Eine Runde später war Fernando Alonso fällig, Verstappen nun auf der Jagd nach Norris’ McLaren-Stallgefährten Norris. Der Abstand zwischen Norris (P2) und Verstappen (P8) – 9,5 Sekunden. Max zu diesem Zeitpunkt mit dem schnellsten Wagen auf der Bahn.
Stand in Runde 9 (von 69): Russell eine knappe Sekunde vor Norris, der 4,4 sec vor Tsunoda, dann Ocon, Leclerc, Lawson, Piastri, Verstappen, Alonso und Gasly als Top-Ten.
In Runde 11 rückte Max um einen weiteren Rang vor, Angriff auf Piastri von sehr weit hinten, klappte hervorragend. Nächster Mann vor Max: sein möglicherweise nächster Stallgefährte Liam Lawson.
Der junge Neuseeländer liess im langsamen Innenteil die Tür offen für Max, Verstappen damit neu Sechster.
In Runde 12 Lewis Hamilton kurz neben der Bahn, der Rekord-Champion konnte aber weitermachen. Der Brite zurückgefallen auf P13.
Verstappen arbeitete sich an Leclerc heran, in Runde 14 war er am Ferrari des Monegassen dran.
Die FIA meldete: Die Startprozedere-Vergehen von Norris, Russell, Tsunoda und Lawson werden nach dem Grand Prix untersucht.
In Runde 22 eine Attacke von Verstappen auf Leclerc, der Monegasse fuhr die Ellenbogen aus und behielt Rang 5. Für Max stand mehr auf dem Spiel als für den Ferrari-Fahrer.
Der Regen nahm zu, es wurde dunkler. Wer würde auf Regenreifen wechseln? Es war Charles Leclerc in Runde 25. Damit der Weg frei für Verstappen. Leclerc erhielt einen frischen Satz von Intermediates, keine Regenreifen! Leclerc geriet in Verkehr und blieb hinter Hamilton hängen.
Norris forderte einen Boxenstopp, er spürte, dass der Reifen langsam zu viel wurde für Intermediates.
In Runde 26 rutschte Racing Bulls-Fahrer Lawson neben die Bahn und fiel auf P9 zurück. Nun viel Regen!
Gleichzeitig Dreher von Hülkenberg in Kurve 1, Ocon schnappte sich Tsunoda und rückte vor auf P3.
Virtuelle Safety Car-Phase wegen des gestrandeten Haas-Rennwagens von Hülkenberg.
Piastri holte sich frische Intermediates, clever gemacht von McLaren. Pérez erhielt Regenreifen.
Hülkenberg konnte doch weiterfahren, die virtuelle Safety Car-Phsae endete, Russell und Norris kamen sofort an die Box, aber das Timing stimmte nicht – der Mercedes-Fahrer und der McLaren-Pilot fielen zurück auf P4 und P5.
Stand in Runde 30: Ocon als neuer Leader acht Sekunden vor Verstappen, der zweite Alpine-Fahrer nun auf P3, dann Norris vor Russell – und Safety Car-Phase wegen zu viel Wasser auf der Bahn.
Zu diesem Zeitpunkt (Runde 32) noch nicht an der Box: Leader Ocon, der zweitplatzierte Verstappen und Gasly auf Rang 3. Dann Norris, Russell, Tsunoda, Leclerc, Piastri, Alonso und Lawson in den Top-Ten.
Piastri dann mit Zehnsekundenstrafe für eine Kollision mit Lawson.
Gleichzeitig eine Untersuchung gegen die Mercedes – wegen Korrektur des Reifendrucks vor dem zweiten Startversuch, was nicht erlaubt ist.
Dann rote Flagge – nach schwerem Unfall von Franco Colapinto im Williams im Bergaufstück zurück zu Start und Ziel. Der Argentinier zum Glück in Ordnung.
Sehr schmerzhaft für Williams, aber perfekt für die ersten Drei, denn unter roter Flagge darf Reifen gewechselt werden.
Das Rennen nach der roten Flagge
Die FIA teilte den Teams mit: Wenn es weitergeht, dann mit einem rollenden Start, nicht einem stehenden. Aber ohne Nico Hülkenberg: Schwarze Flagge (aufgeben!) für Hülki, wegen Inanspruchnehme fremder Hilfe, als sein Auto stehengeblieben und von vier Streckenposten berührt wurde. Bitteres Aus für den Deutschen.
Nach 25 Minuten Pause ging es weiter, in der Reihenfolge: Ocon, Verstappen, Gasly, Norris, Russell, Tsunoda, Leclerc, Piastri, Alonso, Lawson, Hamilton, Bottas, Sainz, Pérez, Bearman und Zhou.
Mit Runde 34 von 69 ging es also weiter, 18.02 Uhr in Europa, 14.02 in Brasilien. Info an die Fahrer: noch zehn Minuten Regen, dann sollte es aufhören. Alle Fahrer auf den grün markierten Intermediate-Reifen.
Verstappen musste vorsichtig sein: Ihn und Ocon verbindet eine jahrelange, innige Feindschaft.
Sainz am Funk: «Was sind das für Inters? Das sind keine neuen Inters. Hallo?»
Leader Ocon nahm Tempo auf, das Rennen lief wieder. Weiter hinten Bearman und Zhou neben der Bahn, offenbar nach einer Kollision.
Norris rutschte kurz von der Bahn und kam unmittelbar vor Russell auf die Bahn zurück, George nahm die Einladung danken an und rückte vor auf Platz 4, vor Norris.
Ocon setzte sich leicht ab von Verstappen, der Niederländer seinerseits hängte Gasly ab. Dann erneut Dreher von Bearman, knapp hinter Sainz, der Engländer konnte aber weitermachen. Kurz darauf Oliver erneut neben der Bahn. Nicht sein Rennen.
Dann Sainz in der TecPro-Barriere – Safety-Car! Schade für Ocon und Verstappen, die Gasly schon um acht Sekunden abgehängt hatten. Gut für Gasly, Russell, Norris, Leclerc, Piastri, Tsunoda, Hamilton und Alonso, die alle aufschliessen konnten.
Info an Ferrari-Fahrer Charles Leclerc: Mehr Regen, zum Schluss des Rennens.
Das Safety-Car kam am Ende der 42. Runde herein, wieder bestimmte Ocon als Leader das Tempo beim Re-Start. Ocon wurde von Verstappen überrumpelt – und Norris segelte in Kurve 1 von der Bahn, der Engländer nur noch Siebter.
Neuer Stand in Runde 44: Verstappen, Ocon, Gasly, Leclerc, Russell, Piastri, Norris, Tsunoda, Lawson und Pérez.
Piastri erhielt die Anweisung, Norris vorbeizulassen, der Australier gehorchte sofort, Lando nun auf P6. Verstappen fuhr derweil die schnellste Runde und setzte sich ab von Ocon.
In Runde 53 konnte Piastri von Glück reden, den trudelnden McLaren abfangen zu können, mit Müh und Not hielt er den aufrückenden Tsunoda hinter sich.
Stand in Runde 52: Verstappen 6,7 sec vor Ocon, Gasly 3,7 sec hinter Ocon, dann Russell, Leclerc eine Sekunde vor Norris, Piastri nach seinem Ausrutscher nun 3,3 sec hinter Norris. Verstappen wurde gebeten, die Reifen zu kühlen.
Lawson und Pérez setzten ihr Duell von Mexiko so lange fort, bis der Mexikaner hinter Hamilton rutschte.
Stand in Runde 56: Verstappen, Ocon, Gasly, Russell, Leclerc, Norris, Piastri, Tsunoda, Lawson und Hamilton.
Verstappen zog vorne scheinbar mühelos weg. Norris wurde informiert, Piastri habe eine Zehnsekundenstrafe, er, Norris solle gegen Leclerc Tempo machen. Lando genervt: «Was meint ihr, was ich hier mache?»
Tempo machen hiess für Norris aber auch: Sich absichern gegen die Verfolger, wenn Lando nach dem Rennen eine Fünfsekundenstrafe wegen des Startvergehens erhalten sollte.
Verstappen Sieger, das war eine Machtdemonstration und was für eine Erleichterung nach zehn Rennen ohne Sieg.
Tolles Rennen der Alpine-Fahrer Ocon und Gasly auf dem Siegerpodest. Russell dann Vierter vor Leclerc, Norris (gegen den ermittelt wird), Tsunoda, Piastri, Lawson und Hamilton.
Die Rennkommissare Gerd Ennser (Deutschland), Andrew Mallalieu (Barbados), Johnny Herbert (Grossbritannien) und Luciano Burti (Brasilien) werden noch einen langen Abend haben, mit zahlreichen Vergehen, die beleuchtet werden müssen.
Was für ein Tag!
São Paulo-GP, Interlagos
01. Max Verstappen (NL), Red Bull Racing, 2:06:54,430 h
02. Esteban Ocon (F), Alpine, +19,477 sec
03. Pierre Gasly (F), Alpine, +22,532
04. George Russell (GB), Mercedes, +23,265
05. Charles Leclerc (MC), Ferrari, +30,177
06. Lando Norris (GB), McLaren, +31,372
07. Yuki Tsunoda (J), Racing Bulls, +42,056
08. Oscar Piastri (AUS), McLaren, +44,943
09. Liam Lawson (NZ), Racing Bulls, +50,452
10. Lewis Hamilton (GB), Mercedes, +50,753
11. Sergio Pérez (MEX), Red Bull Racing, +51,531
12. Oliver Bearman (GB), Haas, +57,085
13. Valtteri Bottas (FIN), Sauber, +1:03,588 min
14. Fernando Alonso (E), Aston Martin, +1:18,049
15. Guanyu Zhou (RCH), Sauber, +1:19,649
Out
Carlos Sainz (E), Ferrari, Unfall
Franco Colapinto (RA), Williams, Unfall
Nico Hülkenberg (D), Haas, Disqualifikation
Lance Stroll (CDN), Aston Martin, Unfall
Nicht am Start
Alex Albon (T), Williams, Unfallschäden
WM-Stand (nach 21 von 24 Grands Prix und 5 von 6 Sprints)
Fahrer
01. Verstappen 393 Punkte
02. Norris 331
03. Leclerc 307
04. Piastri 262
05. Sainz 244
06. Russell 192
07. Hamilton 190
08. Tsunoda 28
09. Gasly 26
10. Pérez 151
11. Alonso 62
12. Hülkenberg 31
13. Stroll 24
14. Ocon 23
15. Magnussen 14
16. Albon 12
17. Daniel Ricciardo (AUS) 12
18. Oliver Bearman (GB) 7
19. Colapinto 5
20. Lawson 4
21. Zhou 0
22. Logan Sargeant (USA) 0
23. Bottas 0
Konstrukteurspokal
01. McLaren 593 Punkte
02. Ferrari 557
03. Red Bull Racing 544
04. Mercedes 382
05. Aston Martin 86
06. Alpine 49
07. Haas 46
08. Racing Bulls 44
09. Williams 17
10. Sauber 0