Charles Leclerc (Ferrari): Berührende Geste
Am 27. Januar hat Ferrari enthüllt, mit welchen Overalls die Fahrer 2025 antreten, Lewis Hamilton (40) und Charles Leclerc (27). Den aufmerksamen Tifosi ist bei den Ferrari-Tests in Fiorano nicht entgangen, in welchen Helmfarben der Engländer und der Monegasse an den Start gehen – Hamilton in Leuchtgelb, Leclerc im Rot-Weiss seiner Heimat.
Bei einem zweiten Blick erkennen wir auf dem Kopfschutz von Leclerc eine in der aktuellen Formel 1 einzigartige Geste: Der achtfache GP-Sieger erinnert an seinen 2017 verstorbenen Vater Hervé Leclerc sowie an Jules Bianchi, der nach einem fürchterlichen Unfall 2014 in Suzuka ins Koma fiel und nicht mehr aufwachte. Am 17. Juli 2015 starb der Franzose.
Am linken unteren Helmrand steht für den an Krebs verstorbenen Vater «Papa», am rechten unteren Helmrand steht «Jules». Kein anderer GP-Fahrer ehrt auf diese Weise zwei Menschen, die er verloren hat.
Im Frühling 2024 war Ferrari-Ass Leclerc zu Gast in der Sendung «On Purpose» (mit Absicht) des britischen Podcasters und Autors Jay Shetty. Dabei gestand der WM-Zweite von 2022, dass er seinem Vater nicht ganz die Wahrheit gesagt hat, kurz bevor Hervé Leclerc 2017 für immer die Augen schloss.
Leclerc sagte im Podcast: «Ich weiss, dass mein Vater heute extrem stolz auf mich wäre. Er ging von uns, bevor ich einen Formel-1-Vertrag erhielt. Und es war immer unser grosses Ziel gewesen, es in die Königsklasse zu schaffen.»
«Zwei Tage, bevor mein Vater starb, sagte ich ihm: ‚Hör zu, ich habe meinen Formel-1-Vertrag unterzeichnet.’ Aber das war nicht wahr. Es lief gut damals in der Formel 2, und ich war sehr zuversichtlich, dass ich für 2018 einen F1-Vertrag erhalten würde. Wir ahnten, dass es mit Vater nur noch Tage dauern würde, bis wir ihn verlieren.»
«Nach diesem Gespräch erzählte ich meiner Mutter davon, und sie wurde sehr wütend. ‚Du hättest deinen Vater nicht anlügen dürfen’, meinte sie. Das hat mich monatelang verfolgt.»
«Zum Glück konnte ich einige Monate später tatsächlich meinen ersten Formel-1-Vertrag unterzeichnen (für Sauber 2018, ab 2019 sass Charles dann im Ferrari, M.B.). Mein Vater war nicht mehr bei uns, aber ich fand etwas Frieden und sagte mir: Gut, ich habe ihn letztlich ja eigentlich nicht angelogen, ich habe die Dinge nur etwas vorgezogen, alles ist okay.»
«Das war für mich ein wichtiger Moment, denn die Formel 1 war stets unser Ziel, und ich hätte Mühe damit gehabt, dass er gehen muss ohne zu wissen, dass wir dieses Ziel erreicht haben.»
«Ich bin sehr froh, wie alles gekommen ist. Denn hätte ich diesen Vertrag nicht erhalten, dann hätte ich für den Rest meines Lebens mit dieser Lüge leben müssen. Das wäre für mich sehr schwierig gewesen.»
Über Jules Bianchi hat Leclerc gesagt: «Er war extrem talentiert. Jules hat in der Formel 1 gezeigt, was er zeigen musste. Da wäre definitiv noch viel mehr möglich gewesen. Ergebnisse wie in Monaco 2014 für Marussia sprachen Bände über seine Fähigkeiten.» Damals hatte Bianchi mit Platz 9 die einzigen Punkte für Marussia geholt.
Bianchi hätte 2015 ein Lehrjahr bei Sauber fahren sollen, dann war der Wechsel zu Ferrari programmiert. Charles: «Ich bin mir ziemlich sicher, dass Jules mehr gezeigt hätte als ich. Das Schicksal hatte aber leider andere Pläne für ihn.»
Charles hat nach seinem GP-Triumph beim Heim-GP von Monaco den Siegerhelm der Familie Bianchi geschenkt. Philippe Bianchi, Vater des verstorbenen Jules, hat dazu auf Instagram geschrieben: «Danke, Charles, für dieses Geschenk, für deinen Tribut, für deine Unterstützung, was Jules angeht. Die ganze Familie Bianchi gratuliert dir zu deinem fantastischen Sieg in Monaco. Hervé und Jules sind gewiss stolz auf dich als grossen Mann und grandiosen Rennfahrer.»
Charles Leclerc und Jules Bianchi hatten eine sehr enge Bindung. Sie waren dicke Freunde, und der acht Jahre ältere Jules auch der Patenonkel von Charles. Grund für das enge Verhältnis ist eine lange Freundschaft der beiden Väter. Die amüsierten sich stets darüber, wie ähnlich die beiden Karrieren verliefen.
Leclerc erinnert sich: «Es war mitunter ziemlich seltsam, als wir beide noch Rennen fuhren. Denn jedes Mal, wenn er an einem Wochenende ein sehr schlechtes Rennen hatte, dann hatte ich am gleichen Wochenende auch ein sehr schlechtes Rennen.»