Vettel: «Wir respektieren uns»
Vettel bezieht Position, auch für Alonso
Sebastian Vettel reiste mit vier Siegen in Serie in Abu Dhabi an. Man kann sagen: Der Weltmeister war und ist gut drauf. Locker wie selten plauderte Vettel über das anstehende Wochenende, stellte sich entspannt in den obligatorischen Shorts vor dem Hintergrund des Yachthafens am Golf den Fragen der Weltpresse. Der Red-Bull-Racing-Pilot aus Heppenheim geht mit 13 Zählern Vorsprung in den 18. WM-Lauf. Man merkt ihm nicht im Mindesten an, dass er 17 Rennwochenende in den Knochen hat. Am Morgen fuhr er für Team-Sponsor Infiniti noch mit dem von ihm selbst mit entworfenen Modell «LX Sebastian Vettel» mit wechselnden Gästen und sichtbarem Spass über den Parcour des nahe der Strecke gelegenen Al Forsan Sportclubs. SPEEDWEEK war dabei, wie Seb seinen Passagieren reihenweise die Blässe ins Gesicht trieb. Ein unablässiges Quietschen der Reifen erfüllte von 9.30 morgens an drei Stunden lang die Wüstenluft. An der Strecke angekommen, prasselten dann die Fragen auf den 25-jährigen Titelverteidiger ein.
Frage: «Wie wäre es für dich, diese WM zu gewinnen – im Vergleich mit den beiden voran gegangenen?»
Vettel: «Das weiss ich noch nicht, es kommt darauf an, wie diese WM endet. Noch sind drei Rennen zu fahren. Jeder Titel ist wichtig. Aber wenn man sich dem Ende der WM nähert, zeichnet sich natürgemäss mit jedem Rennwochenende deutlicher ab, was man letztlich erreichen kann. Vom Gefühl her scheint jedes Rennen wichtiger zu werden, aber die Punkte von Abu Dhabi zählen auch nicht mehr als die vom ersten Saisonlauf in Melbourne. Deshalb versuchen wir, unsere Herangehensweise möglichst bei zu behalten.»
Frage: «Du hast hier 2010 den Titel gewonnen, 2011 hattest du früh einen Plattfuss.»
Vettel: «Stimmt, aber voriges Jahr war wegen der Qualifikation, in der ich Nigel Mansells Bestmarke an Pole-positionen (15 in einer Saison) eingestellt habe. Auch mein Sieg 2010 war sehr speziell. Ich habe also auch sehr gute Erinnerungen an 2010. Es kann losgehen.»
Frage: «Wie nervös wirst du vor dem Start sein?»
Vettel: «Ich bin sonntags Minuten vor dem Start und mit der Gewissheit, dass es gleich los geht, immer nervös. Das war besonders vor dem Saisonfinale 2010 der Fall. Damals spürte jeder im Fahrerlager, was abgeht. Vier Fahrer hatten noch Titelchancen. Ich erinnere mich noch genau an den Tag. Wir legten damals den Fokus einzig und allein und auf unser Rennen. Ich gab den Ingenieuren für den Fall, dass ich führen würde, die Order, mich nicht über Funk darüber zu informieren, an welchen Positionen meine Titel-Rivalen liegen. So konnte und wollte ich mich voll auf mich selbst konzentrieren und das Maximum herausholen. Ich hätte sowieso nicht beeinflussen können, was hinter mir passiert. Das hat funktioniert. Es war ein fantastischer Tag.»
Frage: «In Abu Dhabi scheinen nur zwei Fahrer schnell zu sein: Vettel und Hamilton?»
Vettel: «Ich weiss nicht, ob das so ist. Da muss man vielleicht Lewis fragen. Es ist eine sehr schwierige Strecke, eine lange Runde, es gibt viele Kurven, viele Lastenwechsel, Kurve 1 ist nicht leicht hinzukriegen, 2 und 3 sind sehr schnell, 4, 5 und 6 dann ziemlich langsam, da kann man viel verlieren. 8 und 9 folgen harten Bremsmanövern nach langen Geraden, dann kommen 12, 13, 14 und die Sektion hier um das Hotel herum – die überwiegend nicht mit Höchstgeschwindigkeit genommen werden. Man kann hier mit kleinen Fehlern grosse Zeitverluste verursachen.»
Frage: «Nach vier Siegen in Serie wirkst du im RB8 dominant, voriges Jahr hattest du den Plattfuss. Wie viel Vertrauen hast du in eure Standfestigkeit?
Vettel: «In Indien war mein Auto haltbar. Wir hatten nur das Problem mit der Bodenplatte, die runter hing und Funkenflug verursachte. So was kann leicht schiefgehen. Es zeigt, wie angreifbar man ist, auch wenn man führt. Es gibt viele Möglichkeiten, Punkte zu verlieren – und dann sieht das ganze Tabellenbild auf einen Schlag wieder anderes aus. Es kann viel passieren. 2010 hatten uns im Verlauf der Saison viele abgeschrieben und mussten uns dann wieder auf den Zettel nehmen. Das ist immer abhängig vom jeweils letzten Resultat.»
Frage: «Ihr könnt hier mit Red Bull Racing schon Konstrukteurstitel gewinnen.»
Vettel: «Das wäre ein grosser Erfolg für uns. Ich war mir dessen gar nicht bewusst, bis mein Teamkollege Mark Webber mir auf dem Flug von Indien hierher sagte: «Das wäre aber nicht gut für die Konstrukteurswertung, wenn wir jetzt abstürzen würden.» (Riesengelächter im Rund – Schmunzeln bei Vettel).
Frage: «Worauf kommt es hier in Abu Dhabi technisch besonders an?»
Vettel: «Es ist schwer, hier eine bestimmte Fahrzeug-Komponente hervor zu heben, auf die es besonders ankommt. Sicher braucht man eine gute Balance im Auto. Und eine gute Traktion. Beschleunigungsvermögen ist sehr wichtig, aber genauso wichtig ist das Handling am Kurveneingang und über den Randsteinen.»
Frage: «In Japan warst du am Rennende auf deiner schnellsten Runde neun Zehntelsekunden schneller als der zweitschnellste Fahrer, Jenson Button im McLaren-Mercedes. Hast du mehr Tempo in der Hand, als du in den letzten beiden Rennen zeigen musstest?»
Vettel: «Wir waren in Indien sehr schnell, deshalb holten wir ja auch ein gutes Resultat. Aber im zweiten Renndurchgang, in dem alle auf härteren Reifen fuhren, waren Ferrari und Mclaren vielleicht sogar etwas schneller als wir. Ich konnte in dieser Phase vom Vorsprung profitieren, den ich im ersten Teil des Rennens auf weicheren Reifen herausgefahren hatte. Der grosse Unterschied zwischen Indien und Japan war, dass ich in Japan besonders glücklich mit dem Auto war, weil es dort sensationell funktionierte. Ausserdem ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass Jenson in Indien in der letzten Rennrunde plötzlich 1,4 Sekunden schneller fuhr als vorher. Ich weiss nicht, was er vorher gemacht hatte...aber so war’s.»
Frage: «Fernando Alonso schreibt deine Erfolge in letzter Zeit zunehmend weniger dir als den genialen Fähigkeiten des Red-Bull-Racing-Designers Adrian Newey zu. Findest du das fair?»
Vettel (rutscht unruhig in seinem Schemel hin und her): «Wir schätzen uns gegenseitig sehr. Ich weiss nicht, ob alles stimmt, was man hier liest und dort hört, es kann immer aus dem Zusammenhang gerissen worden sein. Aber Respekt zwischen uns ist da, das ist das wichtigste.»
Frage: «Wie echt ist eine Umarmung zwischen euch beiden wirklich auf dem Podest oder nach dem Rennen?»
Vettel: «Die ist schon echt und zeigt, dass wir uns gegenseitig sehr schätzen. In Indien hatte ich das bessere Ende. Als er in Hockenheim gewann und ich Zweiter war konnte ich in dem Moment nicht ganz zufrieden sein. Aber wenn andere auf dem Podest die Plätze 1 und 2 besetzen, dann gibt es immer einen Grund dafür, dass man dahinter ins Ziel kam. Und die Gründe und die gegnerische Leistung muss man einfach sehen und anerkennen. Da gehört dazu. Dass man davon ausgeht, dass man immer besser und immer schneller ist als die anderen, wäre komplett falsch. Es gibt immer einen, der mal besser ist. Ich halte nicht viel davon, mich selbst als Mass aller Dinge zu nehmen.»
Frage: «Noch mal zu Alonso. Seine Bemerkungen bezüglich Newey waren keineswegs aus dem Zusammenhang gerissen, sondern bewusst platziert. Ist das nicht ein Zeichen von Frust?»
Vettel: «Wenn er das so gesagt hat, dann war es wohl kein Kompliment für sein Team. Seine Leute bemühen sich doch auch darum, dass er nach jedem Boxenstopp mit den richtigen Reifen losfährt.» Er will damit sagen: Ferrari tut doch auch alles für Alonso.
Frage: «Alonso übt den Druck auf sein Team eher über die Medien aus, du eher im stillen Kämmerlein. Was ist besser?
Vettel: «Viele Wege führen nach Rom. Da kann man drüber streiten.»
Frage: «Wie sicher seid ihr euch auf diesem Kurs mit den Reifen.»
Vettel: «Das kann schwierig werden, denn wir fahren bei unterschiedlichen Temperaturen. Das war nicht nur bisher mit den Pirellis ein Problem, sondern auch 2009 und 2010 (mit Bridgeston-Reifen). Das erste und dritte freie Training werden komplett unter Tageslicht gefahren, die Qualifikation und das zweites freie Training in der Dämmerung und später, wenn es kühler wird. Wir hoffen dass wir die Reifen bis Sonntag so weit zu verstehen dass wissen, was jeweils auf uns zukommt. Vieles kann sich ändern. Sogar der Wind. Man kann nie sagen, dass man alles unter Kontrolle hat. Das wäre gelogen. Ich hoffe, dass wir nicht überrascht werden.»