Ferrari: Wie echt ist die Bestzeit von Massa?
Heute strahlt das Rot besonder schön
Ein italienischer Journalisten-Kollege: «Eigentlich hat sich nichts geändert – wenn Ferrari zwei Tage lang nicht vorne mitfährt, so wie hier in Jerez am Dienstag und am Mittwoch, dann werden die ersten Leute in meiner Heimat nervös.»
Hat Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali daher eine Zeit für die Gallerie angeordnet, auf weichen Reifen übrigens, um Stimmen zum Verstummen zu bringen? Stimmen, die böswillig behauptet hatten, dass auch der neue Ferrari nicht der grosse Wurf sei?
Da verlassen wir uns lieber auf das geschulte Auge von Pistenbeobachtern wie Gary Anderson. Der frühere Technikchef von Jordan, Stewart Grand Prix und Jaguar stellt fest: «Der Ferrari ist gewiss nicht das beste Auto im Feld. Die Balance eines Force India, eines McLaren oder, noch besser, eines Lotus ist da von anderem Kaliber. Aber das bedeutet gleichzeitig nicht, dass Ferrari ein schlechtes Auto gebaut hat. Etwas «casino» ist in Italien normal, da darf man nicht zu viel hinein interpretieren.»
Fazit aus Andersons Sicht, was den Ferrari angeht: Die Geschworenen beraten noch.
Ein Techniker eines gegnerischen Rennstalls findet: «Nichts gegen Massa. Aber was der Ferrari wirklich wert ist, werden wir erstmals in Barcelona erahnen können, mit Fernando Alonso am Steuer.»
Endlich gute Nachrichten von Mercedes: Nico Rosberg kam ausgiebig zum Fahren und stellte mal eben einen Fleissrekord auf. Probleme mit dem Kabelbaum und der Bremsleitung hinten scheinen gelöst zu sein. Der neue Frontflügel (ein Mehrteiler à la Red Bull Racing) produziert konstanter Abtrieb als frühere Lösungen und weniger Untersteuern im mittleren Kurvenbereich. «Eine gute Lösung», lobt Gary Anderson.
Rosberg (China-GP-Sieger 2012) fand die harte Mischung im Fahrbetrieb besser als die mittlere, eine Meinung, die er mit Jenson Button (McLaren) teilt.
Gary Anderson über das Testdebüt von Sebastian Vettel: «So wie sein Wagen auf der Piste liegt, war er die meiste Zeit über mit tüchtig Sprit an Bord unterwegs. Die Balance sieht nicht übel aus, hat mir aber nicht so viel Eindruck gemacht wie jene des Lotus.»
Kleinere Dramen blieben in der Box von Vettel aus, nicht aber in jener seines Freundes Kimi Räikkönen. Am Wagen des Finnen kam eine neue Auspuff-Verkleidung zum Einsatz, die gestern verwendete war zu heiss geworden. Über den Speed müssen wir uns wenig Sorgen machen: Romain Grosjean hat gestern angedeutet, was in diesem Wagen steckt. Technikchef James Allison: «Wir sind guter Dinge, was die Leistungsfähigkeit angeht.»
Bei Sauber gab es einige Kleinigkeiten, die jedoch den Fahrbetrieb kaum störten. Esteban Gutiérrez liegt mit einer 1:19,9 bislang rund vier Zehntelsekunden hinter der Bestzeit seines neuen Stallgefährten Nico Hülkenberg zurück, «aber wir sind nicht auf Zeitenjagd», wird beim Schweizer Team betont.
Die Kellerkinder assen wieder hartes Brot: Max Chilton (Marussia) musste eine Weile zuschauen, weil die Bord-Elektronik seines Wagens ein Eigenleben entwickelte. Immerhin war er dieses Mal nicht Letzter, weichen Reifen sei Dank. Charles Pic blieb im Caterham stehen, ohne dass uns die Grünen mit Details dazu entzücken mochten.
Auch Jean-Eric Vergne blieb im bisher so standfesten Toro Rosso stehen. Der Grund dazu war jedoch nicht im, sondern am Wagen zu finden: ein platter Reifen.
Bei Williams setzte Valtteri Bottas die Arbeit von Pastor Maldonado fort, die Schwerpunkte sind die gleichen geblieben – Aerodynamik und Reifen. Zur Aerodynamik gehört auch der neue Coanda-Auspuff. Den werden wir beim kommenden Barcelona-Test gewiss auch am neuen Williams wiedersehen.
Gary Anderson: «Mir macht weiter Eindruck, wie ruhig und konstant McLaren und Force India arbeiten. Die scheinen mir derzeit gut aufgestellt zu sein. Der McLaren untersteuert etwas, aber das geht gemäss Sportchef Sam Michael auf die Reifen zurück, die hier in Jerez wegen des rauhen Asphalts besonders leiden. Der Wagen spricht gut auf Abstimmungsänderungen an, das ist immer ermutigend.»
Eine rote Flagge für Button beendete den Testtag. Es wäre nicht unüblich, dass Jenson einfach den Tank leergefahren hat (ein übliches Prozedere bei Wintertests
Force India hat es nun doch noch mit einem Defekt erwischt: Eine gute Stunde vor Test-Schluss (17.00) musste Paul Di Resta aussteigen – Auspuff gebrochen.
Ende gut, alles gut für Force-India-Testfahrer James Rossiter: «Mir fällt ein Stein vom Herzen, dass es meinem Mechaniker Marcus gut geht.» Rossiter war beim Anfahren zur Box etwas übers Ziel hinausgeschossen und hatte den armen Mann am vorderen Wagenheber umgeworfen. Der Mechaniker erlitt zum Glück nur blaue Flecken.
Damit verabschieden wir uns nun kurz, um im Fahrerlager auf Stimmenjagd zu gehen.
Die Testzeiten in Jerez von Donnerstag, 7. Februar
1. Felipe Massa (BR), Ferrari F138, 1:17,879 (85)
2. Nico Rosberg (D), Mercedes F1 W04, 1:18,766 (148)
3. Sebastian Vettel (D), Red Bull Racing RB9-Renault, 1:19,052 (102)
4. Kimi Räikkönen (SF), Lotus E21-Renault, 1:19,200 (40)
5. Jean-Eric Vergne (F), Toro Rosso STR8-Ferrari, 1:1:19,247 (85)
6. James Rossiter (GB), Force India VJM06-Mercedes, 1:19,303 (42)
7. Jenson Button (GB), McLaren MP4/28-Mercedes, 1:19,603 (83)
8. Esteban Gutiérrez (MEX), Sauber C32-Ferrari, 1:19,995 (110)
9. Max Chilton (GB), Marussia MR02-Cosworth, 1:21,454 (78)
10. Valtteri Bottas (SF), Williams FW35-Renault (2012), 1:21,575 (86)
10. Charles Pic (F), Caterham CT03-Renault, 1:22,352 (57)
11. Paul Di Resta (GB), Force India VJM06-Mercedes, 1:23,729 (7)