Formel 1: «Dumme Regel half Verstappen»

Pirelli: Späte Einsicht für die Reifenplatzer

Von Mathias Brunner
Nur eine von vier Erklärungen fürs Reifendebakel von Silverstone wurde nicht vollständig den Teams in die Schuhe geschoben.

Vier Faktoren nannte Formel-1-Alleinausrüster Pirelli, die in Kombination miteinander zum Reifendebakel von Silverstone führten: Niedriger Reifendruck, extremer Radsturz, scharfkantig-hohe Randsteine, Reifen auf der falschen Seite montiert. Die Schaden-Analyse erfreute die Rennställe wenig. Das alles klang so, als hätte Pirelli fast alles richtig gemacht. Leider ist dem nicht so, wie Rennchef Paul Hembery zugibt.

Der Punkt «Reifen auf der falschen Seite montiert» gehört nämlich fett unterstrichen: Die Erlaubnis dazu hatte Pirelli selber gegeben.

Diese Teilschuld ging in der Silverstone-Analyse ein wenig unter, das stiess den Rennställen sauer auf. Daher präzisiert Paul Hembery nun: «Das geht auf unsere Kappe. Wir haben es den Teams erlaubt, die Hinterreifen auf die falsche Seite zu montieren, das hätten wir nicht tun sollen. Was wir unterschätzt haben – die 2013er Autos sind ein gehöriges Stück schneller als die Renner der letzten Jahre, die Last auf die Reifen hat sich erhöht. Das Umdrehen der Reifen hat eine Schwachstelle erzeugt, die vorher nicht da war. Es gab weitere Gründe für die Reifenschäden, aber die grundsätzliche Schuld liegt bei uns. In Zukunft müssen wir strenger sein.»

Wieso wechselten die Teams die Reifen überhaupt? Weil sie herausfanden, dass sie auf diese Weise bis zu zwei Runden länger halten! BBC-Experte Anthony Davidson: «Wir machten das sogar im Kartsport. Du hast einfach mehr aus dem Reifen herausholen können.»

Das ist auf dem Nürburgring bereits umgesetzt: In Zusammenarbeit mit den Regelhütern des Autoverbands FIA sind exakte Vorgaben in Sachen Reifendruck und Radsturz herausgegeben worden.

Viele SPEEDWEEK-Leser werden sich gefragt haben: Wieso eigentlich der vielzitierte Wechsel in der Reifenschulter von einem Stahlgürtel zurück auf einen Ring aus Kevlar?

Paul Hembery: «Der Stahlgürtel ist in einer bestimmten Richtung angewinkelt, daher die Belastung am falschen Ort durch das Umdrehen. Kevlar ist nicht ganz so steif wie Stahl und führt zu einem weniger heissen Reifen, du erhältst in Sachen Belastung mehr Spielraum.»

Und wieso belässt man es nicht einfach bei diesem Hinterreifen? Wieso die Umstellung für Ungarn mit 2012 Konstruktionen und 2013er Mischungen?

Paul Hembery weiter: «Die Verwindungs-Charakteristik des 2012er Reifens ist anders, das Phänomen der so genannten «standing waves» ist geringer.»

Wir sprechen hier vom Effekt beim sich schnell drehenden Rad (siehe Bild), der Reifen beginnt sich an den Rändern zu verformen, vor ein paar Jahren erzeugten entsprechende Fotos eines Bridgestone-Reifens am Ferrari von Michael Schumacher Verblüffung. Das Phänomen ist seit den 50er Jahren bekannt, aber bis heute nicht vollständig physikalisch erklärbar.

Hembery weiter: «Die 2012er Konstruktion ist allen Rennställen wohlbekannt, sie haben tonnenweise Daten darüber. Uns schien das der sinnvollere Weg zu sein als die Anpassung an den 2013er Reifen.»

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