Vettel am Titel hindern? Schwierig, nicht unmöglich
Belgien-GP-Sieger Sebastian Vettel
Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel hält es mit dem weisen Lao-tse: «Wer sich am Ziel glaubt, geht zurück.» Gewiss, mit 46 Zählern Vorsprung auf seinen derzeit aussichtsreichsten Verfolger Fernando Alonso besitzt der Heppenheimer ein weiches Punktekissen. Aber der dreifache Champion Vettel ist klug genug zu wissen: noch sind für seine WM-Rivalen Alonso, Hamilton und Räikkönen maximal 200 Punkte zu holen. Entschieden ist da nichts. Vielmehr stellt sich die Frage: Wer konnte in der Formel-1-WM-Historie trotz eines solch bequemen Vorsprungs noch abgefangen werden?
Um einen angemessenen Vergleich zu erhalten, müssen wir daran denken, dass früher ein anderes Punktesystem herrschte. Auf das heutige System umgerechnet, merken wir schnell: Sebastian Vettel noch am (vierten) Titel zu hindern, wird für die Gegner schwierig, aber unmöglich ist es nicht.
Vettel selber lag 2012 40 Zähler hinter seinem Dauerrivalen Fernando Alonso, und holte am Ende doch den Titel.
Alain Prost hatte 1984 schon (auf heute umgerechnet) rund 42 Punkte Vorsprung, aber nach dem WM-Finale durfte sich Niki Lauda als Weltmeister feiern lassen.
Jack Brabham wurde 1960 Champion, obschon er rund 44 Punkte hinter Bruce McLaren lag, Keke Rosberg gelang 1982 das gleiche Kunststück gegen Didier Pironi (45 Punkte), Nelson Piquet 1981 gegen Carlos Reutemann (47 Punkte wettgemacht), Jody Scheckter 1979 gegen Jacques Laffite (ebenfalls 47 Punkte wettgemacht), Ayrton Senna zog 1988 an Alain Prost vorbei (trotz zeitweiligen 50-Punkte-Defizits), John Surtees an Jim Clark (56 Punkte).
Die grösste WM-Umkehrer gelang 1976 James Hunt nach dem Unfall von Niki Lauda auf dem Nürburgring. Der Österreicher hatte einen Vorsprung von umgerechnet 97 Punkten. Doch der Vergleich hinkt: Lauda musste zwei Rennen lang zuschauen.
Realistischer ist, was 2007 geschah: Lewis Hamilton hatte sich schon ein Guthaben von 65 Punkten auf Kimi Räikkönen herausgerarbeitet, doch die beiden McLaren-Fahrer Hamilton und Fernando Alonso nahmen sich gegenseitig so lange Punkte weg, bis der damalige Ferrari-Fahrer Räikkönen beim WM-Finale in Brasilien der lachende Dritte wurde.
Was den Gegnern mehr zu denken geben muss als Vettels Vorsprung: Red Bull Racing hat inzwischen auch ein Auto, dass auf Kursen mit verhältnismässig flach gestellten Flügeln und Highspeed-Passagen hervorragend funktioniert – wie die Siege Vettel in Kanada und Belgien beweisen.
Um eine realistische Chance gegen den Champion zu haben, brauchen die Gegner nicht nur schnellere Autos, sondern auch etwas Mithilfe von der Defekthexe: Bis auf den Getriebeschaden von England ist Sebastian bisher unbehelligt gewesen.