Formel 1: Max Verstappen – alles für die Katz

Sebastian Vettel: Vier Mal zittern um makellosen Sieg

Von Mathias Brunner
Sebastian Vettel kann es selber kaum glauben, wie gut es derzeit läuft

Sebastian Vettel kann es selber kaum glauben, wie gut es derzeit läuft

Siebter Saisonsieg für den Champion, dritter Sieg in Folge in Singapur, dritter Sieg in Folge nach Belgien und Italien – Sebastian Vettel schon 60 Punkte vor Fernando Alonso.

Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Siebter Saisonsieg für Sebastian Vettel (nach Malaysia, Bahrain, Kanada, Deutschland, Belgien und Italien), dritter GP-Triumph in Folge (nach Spa-Francorchamps und Monza), dritte Siegesfahrt in Serie hier in Singapur, 33. Grand-Prix-Triumph, nun mit 247:187 gegenüber Fernando Alonso 60 Punkte Vorsprung in der WM – zweifelt eigentlich noch jemand am vierten Titelgewinn des Heppenheimers?

Antwort: Ja, ein gewisser Sebastian Vettel ...

«Ich will überhaupt nichts vom Vorsprung hören», sagt der Star von Red Bull Racing. «Ich habe derzeit so viel Spass am Fahren, ich will einfach jedes Rennen geniessen. Zusammengerechnet wird später.»

Sebastian Vettel fuhr in Singapur in seiner eigenen Kategorie. Aus der Twitter-Gemeinde wurde es auf den Punkt gebracht: «Wenn er so weitermacht, fährt er beim nächsten Mal seinem Schatten davon.»

Aber: Vier Mal in der Nacht von Singapur schien sein Sieg gefährdet zu sein.

Während der Runde zur Startaufstellung drückte Sebastian Vettel auf den Knopf zur Betätigung der Trinkflüssigkeitspumpe – und nichts geschah! Wie sich dann herausstellte, war die Trinkflasche noch gar nicht eingehängt. Beim zweitheissesten Rennen des Jahres (nach Malaysia) nicht zu trinken zu haben, das ist schlimmer als beim Witz des Durstigen in der Wüste. Der stiefelt immerhin nicht im feuerfesten Overall und mit Helm durch den Sand! Sebastian verrät: «Zum Schluss schien das Rennen endlos zu gehen, acht Runden, vier Runden, zwei Runden, uff, ich dachte – hört denn das nie auf?»

Formel-1-Champion Damon Hill: «Ich bin mal ein Rennen in Magny-Cours gefahren, wir hatten um die 40 Grad, und in der ersten Runde habe ich gemerkt, dass die Förderpumpe für meine Trinkflasche nicht funktioniert. Das Ergebnis war damals das Gleiche wie es heute für Vettel hätte sein können – du dehydrierst, du machst Konzentrationsfehler, ich weiss nicht, ob man so einen Singapur-GP gewinnen könnte.»

Zweiter Schreck: der Start.

Sebastian erzählt: «Mein Start war nicht so gut, Nico kam besser vom Fleck als ich. Ich ahnte schon, dass er irgendwo da in der Nähe ist, als ich auf die erste Kurve zuschoss. Ich hatte schon versucht, ihn etwas zur Seite zu drücken, aber er hielt dagegen. Zum Glück für mich verschätzte er sich ganz leicht beim Anbremsen der ersten Kurve und ich konnte die Führung wieder übernehmen. Das war für unsere Strategie elementar. Keine Ahnung, wie das heute ausgegangen wäre, wenn ich nicht an ihm vorbei gekommen wäre.»

Dritter Schreck: die Safety-Car-Phase.

Seb weiter: «Das hat uns nicht gerade geholfen, aber wie es sich zeigte, hat es uns auch nicht geschadet. Als das Rennen wieder freigegeben war, liessen wir dann die Hosen runter und gaben tüchtig Gas, um uns ein Kissen für alle Fälle zu schaffen. Diese Phase war unglaublich! Der Wagen war besser denn je an diesem Wochenende, einfach perfekt.» Teilweise fuhr Vettel in dieser Phase zwei Sekunden pro Runde schneller als die Konkurrenz. Ex-GP-Pilot Martin Brundle: «Das war keine Siegesfahrt, das war eine Machtdemonstration.»

Vierter Schreck: die versteckten Dramen mit der Technik.

Mark Webber musste den Wagen zum Schluss abstellen. Teamchef Christian Horner: «Wir konnten anhand der Daten einen Verlust des Wasserdrucks sehen, uns war klar, dass da nichts zu machen sein würde.» Bei Vettel zeigten die Daten Vibrationen von der Bremse her, doch die verschwanden während des Rennens eine Weile, dann kamen sie wieder.

Sebastian: «Mark hatte auch grössere Sorgen mit dem Getriebe als ich. Vielleicht war der Defekt ja auch eine Folge der Probleme in Italien. Möglicherweise hatte es auch damit zu tun, dass er im Verkehr steckte, was für die Kühlung nie optimal ist, während ich vorne freie Fahrt hatte. Bei mir machte das Getriebe am Freitag auch Mucken, im Rennen aber hatte ich damit keine Probleme. Das Material kommt alles aus dem gleichen Gestell, es ist purer Zufall, dass Mark diese Probleme hatte und ich nicht.»

«Das Auto war zeitweise traumhaft zu fahren. Ich kann nur die Kappe vor meiner Truppe ziehen. Die Ergebnisse sind ja kein Zufall, sondern das Resultat der Schufterei von allen im Rennstall. Das Meiste dieser Arbeit sieht kein Mensch, aber ich weiss, was alles hinter diesen Siegen steht. Dafür bin ich dem Team unendlich dankbar.»

Unschöne Szene auch hier in Singapur. Die Leute buhten zum Siegerpodest hoch. Martin Brundle, der auf dem Podest ein Kurzinterview mit den ersten Drei führte, regte sich auf: «Tut das nicht, das ist nicht korrekt!»

Vettel selber ist da gleichmütiger und witzelt: «Das sind wohl immer die Gleichen, sie scheinen auf einer Welttournee zu sein! Nein, ernsthaft, ich habe früh im Leben gelernt: man kann es nicht allen recht machen. Und das ist halt die Kehrseite der Medaille, unserer Erfolge. Vielleicht habe ich ja den Leuten auch nicht eben den aufregendsten Grand Prix beschert. Aber ich sage mir, was ich schon in Monza zu erklären versuchte: So lange diese Leute buhen, haben wir offenbar einen guten Job gemacht. Damit kann ich leben.»

Den Schlüsselsatz sagte Vettel über Bordfunk während der Auslaufrunde: «Das nenne ich Kontrolle!»

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