Bahrain, Tag 2: Vettel erlöst, Mercedes glänzt weiter
So langsam kommt diese Formel 1 in Schwung: Erstmals in diesem Testwinter und am sechsten von insgesamt zwölf Probetagen haben alle in die WM eingeschriebenen Rennställe gezeitete Runden zurückgelegt. Für deutsche Fans ist der zweite Bahrain-Testtag besonders erfreulich – Mercedes glänzt weiter, dieses Mal mit Kevin Magnussen im McLaren (und weichen Reifen) vor Nico Hülkenberg (Force India), hinter Fernando Alonso im Ferrari (wieder mal der Einzige, der die Mercedes-Festspiele stören kann) folgen Nico Rosberg im Werks-Silberpfeil sowie Valtteri Bottas im Williams; vier der fünf schnellsten Autos werden also von Mercedes-Motoren angetrieben! Und: Weltmeister Sebastian Vettel ist so viel zum Fahren gekommen wie noch nie, endlich gibt es Hoffnung für den Champion, dass sein Red Bull Racing-Renner bis zum Saisonauftakt in Australien (16. März) fit wird.
Auch die Besten haben Sorgen
Sorgenfrei ist jedoch in der Wüste von Sakhir keiner, auch nicht die vermeintlichen Klassenbesten. Nico Hülkenberg oder Kevin Magnussen wissen trotz guter Bahrain-Zeiten nicht so richtig, wo sie mit Force India und McLaren stehen. Denn die weiche Reifenmischung von Pirelli ist gut zwei Sekunden schneller als die harte, und wenn wir das in Betracht ziehen, dann war am ersten Tag nicht Nico der schnellste Mann, sondern Lewis Hamilton im Mercedes.
Dennoch: Die Kinderkrankheiten von Jerez scheinen bei Force India kuriert zu sein, und damit ist der alte und neue Rennstall von Nico Hülkenberg weiter als so manch anderer. Und der McLaren hinterlässt auf der Rennstrecke mit guter Balance einen bärenstarken Eindruck.
Alle Fahrer tun sich mit der elektronisch gesteuerten Hinterradbremse schwer, das wird durch viele blockierende Räder bewiesen, wie ein Augenschein entlang der Bahrain-Bahn ergibt.
Sauber-Fahrer Adrian Sutil: «Du kannst nicht mehr so hart wie zuvor auf das Bremspedal treten, auch deshalb nicht, weil wir weniger Abtrieb haben als mit den 2013er Autos. Du musst also sehr sachte bremsen, und wenn du das nicht tust, dann kann dir mir nichts, dir nichts das Heck ausbrechen. Du musst dich sehr auf die Elektronik verlassen, und wenn die nicht optimal funktioniert, wird es schwierig. Es läuft besser als in Jerez, aber optimal ist es noch nicht.»
Den letzten Satz hätten fast alle Fahrer ebenfalls sagen können, die heute im Testeinsatz gewesen sind.
Die Tücke liegt im Detail. Beim Mercedes-Werksteam wurde festgestellt, dass die Elektronik und die Mechanik noch nicht im Gleichklang arbeiten – die Bremszangen öffneten nicht komplett, das führte zu übermässigem Verschleiss der Scheiben. So wären Nico Rosberg und Lewis Hamilton den Australien-GP jedenfalls nicht fertig gefahren.
Am Wagen von Rosberg meldete ein Sensor Druckabfall im Ölkreislauf – an der Box stellte das Team fest, dass es sich um falschen Alarm gehandelt hatte. Auch dies hätte zu einem Ausfall geführt.
Generell sind derzeit die Autos vollgestopfter denn je mit Sensoren. Bei den geringsten Problemen fährt die Elektronik sicherheitshalber die Systeme herunter – das ist im Testbetrieb allemal besser als die kompletten Antriebseinheiten zu riskieren. Das Ersetzen würde viel zu viel Zeit kosten, und Ersatzteile sind derzeit generell rar.
Und McLaren-Rennchef Eric Boullier traut der ganzen Sache trotz Bestzeit seines Schützlings Kevin Magnussen noch nicht so: «Wir stehen doch erst am Anfang. Jedes Team hätte gerne mehr Testkilometer gefahren. Wir sind verhältnismässig happy, das Auto ist gut ausbalanciert. Aber es gibt noch viele Kleinigkeiten, die uns nerven. Ich schätze, damit stehen wir auch nicht alleine da. Wir brauchen viel Geduld, aber bislang dürfen wir zufrieden sein.»
Die Bezinpumpenprobleme bei Williams (letztlich eine ungenügende Verbindung, nicht die Pumpe selber) ist gelöst, Valtteri Bottas fuhr so viel wie kein anderer Fahrer heute. Der Finne hat übrigens im Winter drei Kilo abgespeckt, dabei war er schon im vergangenen Jahr einer der fittesten Fahrer im Feld.
Der Finne hat als erster Bahrain-Tester mehr als 100 Runden pro Tag zurückgelegt, also 23 Mal mehr als Massa gestern fahren konnte!
Alonso und Vettel: Zwei Champions lauern
Ferrari hinterlässt einen Eindruck, der auch Ingenieur im Ungewissen lässt. Der Techniker eines gegnerischen Rennstalls: «Ferrari wirkt sehr unaufgeregt. Das wird ruhig und methodisch gearbeitet. Es ist auffällig, wie oft mit Messgittern für die Aerodynamik gearbeitet wird. Das muss kein schlechtes Zeichen sein. Die Erkenntnisse aus Windkanal und von der Rennbahn stimmen offenbar miteinander überein. Generell habe ich den Eindruck, dass die ihrer Sache sicher sind und noch überhaupt nicht richtig Gas gegeben haben.»
Sebastian Vettel ist erleichtert: Endlich läuft sein neuer Renner von Red Bull Racing. Es gibt viel aufzuholen, die Konkurrenz hat fünf Tage Vorsprung. Doch der vierfache Formel-1-Champion konnte mehr Runden fahren als Red Bull Racing an den fünf vorhergehenden Testtagen in Jerez und Bahrain zusammen – es geht aufwärts.
RBR-Teamchef Christian Horner schätzt die Situation so ein: «Im Moment machen die Mercedes-Teams den stärksten Eindruck, aber der Schlüssel zum Erfolg bleibt die Standfestigkeit. Und da werden einige Rennställe besonders im ersten Teil der Weltmeisterschaft arg zu knabbern haben.»
Hoffnung jedoch auch bei einem weiteren Renault-Partner: Toro Rosso. Jean-Eric Vergne ist (im Gegensatz zu seinem Stallgefährten Daniil Kvyat gestern) üppig zum Fahren gekommen.
Sauber, Lotus, Marussia – die Sorgenkinder
Die Sorgenkinder von heute: Esteban Gutiérrez im Sauber (noch immer keine optimal arbeitende Bremse), Max Chilton im Marussia (ein Problem mit der Benzinversorgung, nur 14 Runden) sowie Romain Grosjean im Lotus (nur 18 Runden).
Ein Teamsprecher reagiert auf die Frage, wie es bei den Schwarzen laufe, mit Galgenhumor: «Wir sind doppelt so zufrieden wie gestern.»
Da fuhr der Genfer nur acht Runden ...
Bahrain-Test, Tag 2
1. Kevin Magnussen (DK), McLaren MP4/29-Mercedes, 1:34,910 (46)
2. Nico Hülkenberg (D), Force India VJM07-Mercedes, 1:36,445 (59)
3. Fernando Alonso (E), Ferrari F14 T, 1:36,516 (96)
4. Nico Rosberg (D), Mercedes F1 W05, 1:36,965 (85)
5. Valtteri Bottas (FIN), Williams FW36-Mercedes, 1:37,635 (116)
6. Kamui Kobayashi (J), Caterham CT05-Renault, 1:39,855 (66)
7. Sebastian Vettel (D), Red Bull Racing RB10-Renault, 1:40,340 (59)
8. Jean-Eric Vergne (F), Toro Rosso STR9-Renault, 1:40,609 (58)
9. Esteban Gutiérrez (MEX), Sauber C33-Ferrari, 1:40,717 (55)?
10. Romain Grosjean (F), Lotus E22-Renault, 1:41,670 (18)
11. Max Chilton (GB), Marussia MR03-Ferrari, 1:42,511 (17)