Nico Rosberg (Mercedes): Reifenrätsel, GP verloren?
Nico Rosberg
Nico Rosberg war nach dem Abschlusstraining zum Kanada-GP geknickt. Er sprach von einem rätselhaften Mangel an Haftung an der Hinterachse. Inzwischen ist klar, wo der Grund dafür lag, wie der Sieger der vergangenen beiden Grands Prix von Spanien und Monaco erklärt.
«Es stimmt, beim ersten Lauf im dritten Quali-Segment war die Haftung an der Hinterachse einfach nicht da. Ich kann ja dann schlecht sagen: nun, der Grip wird mit dem nächsten Satz Reifen schon wieder da sein, ich leg jetzt mal die Hände in den Schoss. Das wäre nur Mutmassen. Also habe ich den Wagen auf die neuen Gegebenheiten angepasst, in der Annahme, dass vielleicht die Haftung mit dem nächsten Reifensatz genau so schlecht sein würde. Ich habe einige Dinge am Wagen verstellen lassen, zum Beispiel liess ich vorne den Flügel flacher stellen. Aber dann, mit dem letzten Reifensatz, war der Grip auf einmal wieder wie üblich, nun jedoch untersteuerte mein Silberpfeil zu stark. Die Runde war gut, ich war einfach zu langsam. Das erklärt meine Niederlage gegen Lewis.»
Macht dem zehnfachen GP-Sieger das nicht bange fürs Rennen? «Nein», antwortet Nico, «denn es war wirklich nur dieser eine Satz Reifen, der nicht wie gewohnt funktioniert hat. Ich bin überzeugt, im Rennen wird das alles okay sein.»
Aber der Funkverkehr zwischen Rosberg und seinen Renningenieur Tony Ross lässt aufhorchen. Da wurde Nico ins Auto gefunkt: «Mach dir keine Sorgen, der Grip wird mit dem nächsten Satz wieder besser sein.» Nico selber antwortete darauf: «Wie könnt ihr das nur wissen?»
Was ist da genau passiert?
Rosberg vertieft: «Das Team hat das angenommen, weil es einfach keine andere Erklärung für das Verhalten der Reifen gab als dass es sich um einen faulen Satz handelte. Letztlich hätte ich mit dem Wagen gar nichts machen müssen, aber das kannst du ja vorher nicht wissen. Also liess ich umbauen, und diese Korrektur hat dann das Untersteuern erzeugt. Das läuft auch auf die Frage hinaus: Bin ich selber Herr der Lage und reagiere oder mache ich gar nicht und hoffe auf das Beste. Ich bin lieber selber Herr der Lage.»
Aber gab es nicht auch den Funkspruch des Teams, hier handle es sich um den schlimmsten Satz Reifen, er solle sich keine Sorgen machen? Nochmals: wie konnte das Team das wissen?
Rosberg wird leicht verlegen: «Ich möchte da nicht zu sehr ins Detail gehen. Nur so viel – es war einfach ein schlechter Satz Reifen. Das ist zwar selten, kann aber vorkommen. In dieser Form habe ich das überhaupt noch nie erlebt. Du siehst einfach anhand der Daten sofort, dass der übliche Grip nicht da ist.»
Aber viele Fans zuhause glauben vor dem Hintergrund der so genannten Parc-fermé-Regeln: nach dem Abschlusstraining darf das Auto nicht mehr angeführt werden. Bedeutet die ganze Reifenstory nun, dass Nico Rosberg für den Kanada-GP zum vornherein geschlagen ist?
«Nein, zum Glück nicht», schmunzelt Rosberg. «Wir dürfen den Frontflügel verstellen, und wir dürfen auch mit dem Reifendruck arbeiten. Das hat beides auch einen grossen Einfluss auf die Balance des Autos. Ich bin also durchaus nicht in der Bredoullie fürs Rennen.»
Nico erwartet einen turbulenten Kanada-GP: «Ein Boxenhalt oder zwei, das ist auf der Stoppuhr fast identisch. Ich kann mir also vorstellen, dass einige Konkurrenten da etwas anderes versuchen werden. Was sie machen, das wird stark davon abhängen, wie die Reifen abbauen. Das könnte einige dicke Überraschungen geben.»