Formel 1: «Dumme Regel half Verstappen»

Sergio Marchionne (Ferrari): Sport von Regeln erwürgt

Von Mathias Brunner
Sergio Marchionne (rechts) vor dem Start mit Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene

Sergio Marchionne (rechts) vor dem Start mit Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene

Fiat-Geschäftsleiter und Ferrari-Präsident Sergio Marchionne (62) brachte seinem GP-Team in Kanada kein Glück: erstmals 2015 kein Ferrari-Fahrer auf dem Siegerpodest.

Der Besuch des Kanada-GP war für Sergio Marchionne ein wenig wie nach Hause kommen. Mit 14 Jahren wanderte der heutige Fiat-Geschäftsleiter und Ferrari-Präsident mit seiner Familie nach Toronto aus, dort wuchs der späteren Spitzenmanager auf. In Montreal kam es nun zum zweiten Formel-1-Gipfel zwischen Serien-Promoter Bernie Ecclestone und einem Steuermann einer im GP-Sport vertretenen Automarke. In Monaco hatte sich Ecclestone mit Renault-Chef Carlos Ghosn getroffen, nun setzte er sich mit Marchionne zusammen. Es geht um nichts weniger als die Zukunft des GP-Sports. Und Marchionne hat sehr genaue Vorstellungen davon, was er da sehen will. Oder eben nicht.

Der kanadisch-italienische Doppelbürger bilanziert: «Der Sport wird von einem Reglement förmlich erwürgt, das viel zu kompliziert ist.»

Damit hat Marchionne einen Punkt: Wer von den Fans auf den Tribünen von Montreal konnte schon erklären, wie sich nach zahlreichen Strafversetzungen Vettel, Button und Verstappen zum Kanada-GP einreihen? Welcher Fan hat wirklich im Griff, mit welchen Strafen Piloten belegt werden, in deren Autos Teile der Antriebseinheiten ersetzt wurden? Und das ist ein Thema, das vermehrt auf uns zukommt – denn viele Fahrer stossen langsam an die Grenzen der vier für die ganze Saison 2015 erlaubten Motoren. Ganz zu schweigen von Strafversetzungen wegen Getriebewechseln oder Fahrvergehen auf der Strecke.

Marchionne weiter: «Wir müssen einige Schichten dieser enormen Reglements-Komplexität wegschälen. Was ich sehen will – proppevolle Tribünen, mit Fans, welche Leidenschaft für den Sport entwickeln. Stattdessen haben wir eine irrsinnige Anzahl von Regeln aufstellt, welche Jedermanns Leben fast unmöglich macht. Sie können sich mit jedem Team-Manager unterhalten, um eine Ahnung davon zu bekommen, wie jede Entscheidung Auswirkungen auf die Technik hat.»

Zum Gespräch mit Formel-1-Promoter Ecclestone sagt Marchionne: «Wir teilen die gleichen Ziele, selbst wenn wir vielleicht verschiedene Lösungsansätze verfolgen. Wir brauchen einfachere Regeln, die allen verständlich sind. Wir müssen auch eine wirtschaftliche Basis finden, welche es den Rennställen möglich macht, in der Formel 1 zu überleben.»

«Manchmal frage ich mich beim heutigen Reglement wirklich, ob es irgendwo an einer Bar entworfen worden ist. Wir müssen konstruktiv sein, es geht nicht darum, die Führungsetage zu erschiessen. Die Formel 1 soll ein Spektakel sein, das die Fans begeistert und an dem auch Hersteller und Sponsoren Freude haben.»

Marchionne ist dabei durchaus selbstkritisch: «Viel vom heutigen Reglementsdschungel ist aus einer Art Selbstverteidigung entstanden. Die Leute haben versucht, ihre Position zu schützen, das gilt auch für Ferrari, als dieser Rennstall dominiert hat. Aber ich habe gelernt – jede Dominanz geht einmal zu Ende, auch bei uns war das so. Und dann sind andere dran. Daran sollte auch Mercedes denken, selbst wenn es aus ihrer Sicht natürlich nachvollziehbar ist, dass sie an Änderungen wenig Interesse haben.»

«Mercedes hat seit 2014 gross eingeschlagen, alle sind überrascht worden, auch Ferrari. Aber nun sind wir am Punkt, wo wir uns darauf konzentrieren müssen, was diesen Sport fundamental antreibt. Und das ist Einfachheit, nicht Komplexität. Wir müssen für den Fan wieder verständlicher werden. Die Formel 1 soll wieder ein Zuschauersport sein.»
Zur Saison 2015 sagt Marchionne: «Ferrari ist endlich wieder Hauptfigur, wir haben immense Arbeit geleistet. Wir dürfen darauf stolz sein, aber befriedigt sind wir noch nicht. Nur wenige können sich vorstellen, wie weit wir im vergangenen Oktober noch zurücklagen. Mit grosser Entschlossenheit und noch mehr Arbeit haben wir die Kurve bekommen. Wir haben für Kanada nachgelegt, das Monza-Wochenende wird ein weiterer Schlüsselmoment unserer Entwicklung sein.»
Apropos: Wie sieht Sergio Marchionne die Zukunft von Monza? Der Italiener antwortet: «Ich habe mich auch darüber mit Bernie Ecclestone unterhalten. Ich hoffe, es gibt keine Zukunft ohne den Monza-GP, das wäre fast undenkbar. Eine solche Katastrophe gilt es unbedingt zu vermeiden.»

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