Pirelli gegen Michelin: Krieg der Worte hat begonnen
Paul Hembery
Dem Autoverband FIA liegen die beiden Dossiers der Reifenhersteller Pirelli und Michelin vor: es geht um die Rolle des Formel-1-Ausrüsters von 2017 bis einschliesslich 2019. Und Pirelli lässt es nicht auf sich sitzen, wie Michelin-Rennchef Pascal Couasnon den Zustand des GP-Sports darstellt.
Couasnon hatte gesagt: «Wir wollen den Reifen wieder als Hightech-Produkt verkaufen. Wir wollen die Fahrer fordern, indem wir einen Reifen bauen, mit dem sie ständig voll fahren können. Gegenwärtig sind die Piloten mit nur 60 bis 80 Prozent ihrer Möglichkeiten unterwegs. Sie haben Angst, ihre Reifen zu beschädigen. Das ist nicht, wie wir uns den respektvollen Umgang mit dem Thema Reifen vorstellen. Wir wollen extremen Sport, in dem jeder 100 Prozent gibt.»
«Wir wollen ferner 18-Zoll-Räder, wie sie sich in anderen Renndisziplinen eingebürgert haben. Wir wollen einen echten Wissenstransfer von der Rennstrecke auf die Strasse. Es gab gute Gründe, in den Langstreckensport einzusteigen und in Le Mans zu fahren. Jeder Einsatz eines Piloten in Le Mans dauert im Schnitt zweieinhalb Mal so lang wie bei einem Grand Prix, und wir fahren dort im Schnitt mit 230 km/h. Wir wollen das Image des Reifens in der Formel 1 verbessern.»
«Wir finden es nicht gut fürs Image der Reifenindustrie, wenn wir in der Formel 1 Wegwerf-Reifen haben. Gleichzeitig höre ich den Vorwurf, wir würden steinharte Reifen bauen. Aber das stimmt nicht. Le Mans beweist, dass wir Reifen bauen, die sehr haltbar sind, die aber dank ihrer Haftkraft eine gute Show ermöglichen.»
«Der Wechsel zum 18-Zoll-Rad ist für uns wichtig, weil es auf keinem Parkplatz Räder und Reifen wie in der gegenwärtigen Formel 1 gibt. Die Belastung eines Reifens in Le Mans ist grösser als bei einem Formel-1-Renner. Wir glauben, dass ein 18-Zoll-Reifen den Belastungen im GP-Sport hervorragend widerstehen kann, wir könnten leicht einen Reifen bauen, der eine oder sogar zwei GP-Distanzen lang hält.»
«Aber ich möchte betonen – wir haben jedes Interesse daran, dass die Rennen für die Fans eine gute Show sind. Wir wollen keine Prozession von Autos mit null Überholmanövern. Wir wollen interessante Grands Prix.»
Das alles könnte den Eindruck erwecken, Pirelli mache in der Formel 1 keinen guten Job. Natürlich lässt das Pirelli-Rennchef Paul Hembery nicht auf sich sitzen.
Am Red Bull Ring sagt der Brite: «Mich interessiert der Vorschlag von Michelin nicht. Wir folgen dem Reglement, wir folgen den Vorgaben, die uns gegeben wurden. Es wurde von uns eine bestimmte Art von Reifen verlangt, und die haben wir geliefert.»
Anders gesagt: FIA-Chef Jean Todt und Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone wollten, dass Pirelli Reifen herstellt, die gezielt abbauen, so dass das Renngeschehen durchmischt wird. Tatsächlich haben wir aufgrund dieser besonderen Charakteristik der Walzen einige der spannendsten Grand Prix der WM-Historie erlebt.
Hembery sagt gegenüber Medienvertretern in Österreich, er sei wirklich baff darüber, wie Michelin die Rückkehr in die Formel 1 an gewisse Forderungen binde – ganz besonders, was die Radgrösse angeht. Denn im gegenwärtigen Reglement sind 13-Zoll-Räder verankert.
Paul Hembery: «Das wäre ja so, wie wenn ein Motorenhersteller daherkommt und sagt – wir kommen nur dann in die Formel 1, wenn wir mit einem 2,4-Liter-Sauger fahren. Wir haben jedoch ein Reglement, das 1,6-Liter-Turbos vorgibt. Mein Eindruck aus der letzten Sitzung der Strategiegruppe ist: die Regeln in Sachen Radgrösse bleiben, aber die Reifen werden breiter. Pirelli liefert, was die Regeln vorschreiben.»
Auf die Frage, ob Pirelli den Schritt zum 18-Zoll-Rad akzeptieren würde, meint Hembery: «Aber warum sollten wir diesen Schritt machen? Wenn wir dramatisch sein wollen, können wir gleich zu 20-Zoll-Rädern wechseln. Wenn wir wie angedacht zum breiteren Reifen gehen, dann hebt sich das meiner Meinung zufolge genug von anderen Rennserien ab. Ich weiss wirklich nicht, wieso einige Leute so auf ein 18-Zoll-Rad fixiert sind. Mit 18-Zoll-Rädern fährst du mit einem Ford Fiesta Rallyes. Besonders interessant finde ich das nicht.»
Selbst in Frankreich hat die Bewerbung von Michelin als Alleinausrüster einige Augenbrauen hoch gehen lassen. Hatte Michelin nicht immer betont, man suche im Sport die Konkurrenz? Wieso dieses Umdenken? Auch in der MotoGP, wo Michelin ab 2016 Alleinausrüster werden wird.
Michelin-Technikdirektor Nicolas Goubert: «Wir sind 2011 in die Rallye-WM eingestiegen und dachten, wir sind jetzt zurück in einer namhaften Meisterschaft und kämpfen dort mit anderen Reifenherstellern. Aber dann sind die Reifenfirmen, die vor 2011 dabei waren, alle ausgestiegen. Wir haben eigentlich erwartet, dass sie alle dabei bleiben. würden. Es lag also nicht an uns, dass wir dann drei Jahre lang fast alle WRC-Autos mit Michelin-Reifen ausgerüstet haben.»
«Gleichzeitig gab es aber ein FIA-Reglement, das uns vorschrieb, die Reifenentwicklung in der WRC voranzutreiben. Sie haben sich gewünscht, dass wir die Lebensdauer der Reifen jedes Jahr um 20 Prozent erhöhen. Das ist uns gelungen, wir haben aber dadurch bei den Zeiten keine Performance eingebüsst. Dadurch haben wir bei Michelin eingesehen, obwohl wir in der WRC so gut wie allein waren, dass wir trotzdem die Technologien weiterentwickeln können, wenn wir uns die richtigen Ziele setzen und uns zwingen, die richtigen Reifen zu entwickeln.»
«So war es auch in der 500er-WM in den späten 90er-Jahren, als wir auch fast alle Teams und Fahrer ausgerüstet haben. Trotzdem ist bei uns die Entwicklungsarbeit nie stillgestanden, wir haben immer entwickelt und die Reifenperformance verbessert. Als wir im Winter 2013/2014 gehört haben, dass es in der MotoGP-WM eine neue Ausschreibung für die Einheitsreifen 2016 gibt, haben wir uns gesagt: "Hey, das ist eine gute Plattform. Selbst wenn wir allein sind." Wir würden es zwar auch jetzt noch bevorzugen, wenn wir Mitbewerber hätten. Aber auch für einen Alleinrüster – die MotoGP ist eine einwandfreie Plattform für uns.?»