Tyler Alexander tot: Trauer um McLaren-Urgestein
Tyler Alexander (links) zeigte Bernie Ecclestone im Juli sein neues Buch
Tyler Alexander ist tot: Der US-Amerikaner verstarb gestern Donnerstagabend im Alter von 75 Jahren. Damit verliert die Formel 1 und ganz besonders McLaren ein Grand-Prix-Urgestein.
McLaren-Chef Ron Dennis würdigt: «Bruce McLaren hat dieses Team 1963 gegründet, und Tyler Alexander war ein früher Eckpfeiler des Teams. Er hat von frühesten Tagen an der Seite von Bruce gearbeitet. McLaren hätte auf keine breiteren Schultern bauen können, wenn es darum ging, den Ruf dieses Rennstalls aufzubauen.»
Tyler Alexander (72) hat in der Formel 1 alles erlebt: Der US-Amerikaner aus Hingham (Massachusetts) interessierte sich als Teenager für zwei Dinge – Fotografie und Rennsport. 1964 heuerte er beim Neuseeländer Bruce McLaren als Rennmechaniker an und wurde damit eines von vier Gründungsmitgliedern. Unfassbar: Heute arbeiten für die McLaren-Gruppe (Formel-1-Team, Supersportwagen, Elektronik, Alltagstechnik) mehr als 1000 Fachkräfte!
Alexander kletterte flugs die Erfolgsleiter hoch: Mechaniker, Chefmechaniker, Chefingenieur, Teamdirektor. Er führte das Indianapolis-Programm von McLaren, das zu drei Indy-500-Siegen führte (mit Mark Donohue 1972, mit Johnny Rutherford 1974 und 1976).
1982, mit einem McLaren-Team im Umbruch, verliess Alexander den Rennstall und folgte dem früheren Teamchef Teddy Mayer in die USA. Dies führte zum missglückten Formel-1-Einsatz mit FORCE, einem Grand-Prix-Team im Besitz der Hollywood-Ikone Paul Newman und des erfolgreichen IndyCar-Teamchefs Carl Haas.
1990 kehrte Tyler Alexander zu McLaren zurück, als Manager für Spezialprojekte. 19 Jahre lang übte er diesen Job aus. 2013 wurde er mit dem erstmals vergebenen Preis «McLaren Fellowship» ausgezeichnet, für Mitarbeiter, die sich um den McLaren-Rennstall besonders verdient gemacht haben.
Alexander schuftete nicht nur Tag und Nacht für McLaren, er fotografierte auch fleissig. «McLaren from the inside» zeigte uns auf eindrucksvolle Art und Weise, wie sich der Sport im Laufe der Jahre verändert hat. Tyler Alexander hat die Bildlegenden selber verfasst, sie zeugen von tiefem Sachverstand und einer schönen Portion Humor.
Erst im Juli 2015 legte er dann mit seinen Erinnerungen «A Life and Times at McLaren» nach – eine Lektüre, die wir allen SPEEDWEEK.com-Lesern nur wärmstens empfehlen können.
Bruce McLaren: Sieger, ohne es zu wissen
Tyler Alexander verstand es meisterlich, aus den frühen Tagen von McLaren zu erzählen. Ein Beispiel dafür war die Geschichte, wie Bruce McLaren in Belgien einen Grand Prix gewann – ohne davon zu wissen! Und das kam so ...
Der Neuseeländer Bruce McLaren sah das Leben als Herausforderung. Und er war bereit, dafür den höchsten Preis zu bezahlen. «Etwas gut zu machen, ist so erstrebenswert, dass es nicht töricht sein kann zu sterben, wenn man sich verbessern will. Es ist eine Vergeudung des Lebens, nichts aus seinen Fähigkeiten zu machen. Denn ich bin der Überzeugung: das Leben sollte nicht in Jahren bemessen werden, sondern in Errungenschaften.» Bruce McLaren sprach die Worte bei der Beisetzung seines Freundes, des Rennfahrers Tim Mayer (der Bruder des späteren McLaren-Teamchefs Teddy Mayer). 1970 hätten die Worte bei den Trauerfeierlichkeiten von Bruce McLaren selber nicht passender sein können ...
Zwei Jahre lang schon setzte Bruce McLaren in der Formel 1 Autos mit eigenem Namen ein, doch die Rennwagen wurden von Kinderkrankheiten geplagt – 1966 und 1967 wurde er jeweils WM-14. 1968 sollte alles besser werden.
Das neue Modell M7A (nach einem Entwurf von Robin Herd, ausgeführt von dessen Nachfolger Gordon Coppuck) wurde im Frühling präsentiert und debütierte am 17. März beim nicht zur WM zählenden Formel-1-Rennen in Brands Hatch, dem Race of Champions: die Wagen in Papaya-Orange von Bruce McLaren und Denny Hulme schlugen ein wie der Blitz – Bruce gewann von Pole aus.
Tyler Alexander erinnerte sich: «Ich weiss nicht mehr, was wir nach dem Lauf in Brands an den Autos machen mussten, aber es muss aufwändig gewesen sein. Ich weiss jedenfalls noch, dass ich bei der Fahrt zum folgenden Rennen in Silverstone, der BRDC International Trophy, seelig im Rennwagen schlief, während der Lastwagen mit der kostbaren Fracht Richtung Northamptonshire rumpelte ...»
Silverstone lief noch besser: Doppelsieg, Denny Hulme vor Bruce McLaren.
Zeitsprung nach Spa-Francorchamps, dritter Lauf zur Formel-1-WM 1968. Tyler Alexander nahm den Faden auf: «Denny fuhr stark, dann aber gab es Probleme mit der Halbwelle. Bruce war solide unterwegs, vor allem aber lief sein Wagen standfest, und so fand er sich kurz vor Schluss auf Rang 2 wieder. Zu Beginn der letzten Runde dann helle Aufregung – Leader Jackie Stewart brachte seinen Matra für ein paar Liter Sprit an die Box. Ich zeigte bei McLaren damals die Tafeln. In der Runde zuvor hatte Bruce den Mexikaner Pedro Rodriguez im Nacken. Mir blieb keine Zeit, um Bruce ein «P1» für Platz 1 auf die Tafel zu stecken, da kam er auch schon angebraust. Ich zeigte ihm mit dem Finger auf die Strecke, keine Ahnung, wieso ich das machte, aber mir fiel nichts Besseres ein. Als Bruce über die Ziellinie fuhr, hatte er mit anderen Worten nicht den geringsten Schimmer, dass er in Führung lag.»
Bruce McLaren erinnerte sich später in seiner internationalen Kolumne (geschrieben von einem anderen Wegbegleiter, dem Journalisten Eoin Young) an diesen Moment: «Ich zischte über die Linie, dabei winkte ich dem Mann mit der karierten Flagge kurz zu. Dann fuhr ich hinten an der Box durch, um den Wagen beim Renntransporter zu parken. Ich dachte: Rang 2, gar nicht so übel. Vor allem nicht, weil ich in Spanien ausgefallen war und mir in Monaco einen Dreher geleistet hatte. Hinter unserer Box waren so viele Leute, dass ich nicht mehr weiter kam. Ich wunderte mich ein wenig um den Rummel.»
«Der erste Mann, der an meinem Wagen war – Cyril Atkins, ein BRM-Mechaniker. Er faselte etwas von Boxenstopp und Stewart und seinem Piloten Rodriguez, und er seufzte: „Was für ein Finale!“ Als er mein reichlich ratloses Gesicht sah, dämmerte ihm langsam etwas. „Du bist die Nummer 1», grinste er. Ich dachte nur – wovon spricht der Kerl? Ich fahre doch mit Startnummer 5. Da brüllte Atkins: „Du hast gewonnen! Weisst du das denn nicht?” Ich hatte es wirklich nicht gewusst, und selten habe ich süssere Wort vernommen.»
Nach dem Unfall hatte Bruce das brandneue Chassis No. 3 verwendet, es war so neu, dass noch nicht einmal die Zeit geblieben war, das berühmte Kiwi-Logo der Rennwagenfirma oder den Namen des Gründers anzubringen ...
Wer brachte das Logo an? Natürlich Tyler Alexander.