«Kranke Formel 1» – Adrian Newey spricht Klartext
Adrian Newey: «wenn der Sport nicht mehr gesund ist, was macht es denn noch für einen Sinn, Siege einzufahren?»
Dass Adrian Newey auch ein Jahr nach seiner Teil-Abkehr von der Formel 1 zu den berühmtesten Gesichtern im Fahrerlager der Königsklasse gehört, hat einen guten Grund: Schliesslich haben die Formel-1-Renner aus seiner Feder schon mehr als 80 GP-Siege eingefahren.
Auch Ferrari-Star Sebastian Vettel verdankt dem ruhigen Briten seine vier WM-Titel. Das Aerodynamik-Genie ist bis heute der einzige Formel-1-Konstrukteur, der mit drei verschiedenen Rennställen die WM-Krone in der Teamwertung erringen konnte.
Dass sich Newey mittlerweile trotz aller Erfolge nicht mehr ausschliesslich der Formel 1widmet, liegt an der neuen Motorenformel. Denn seit die 1,6-Liter-V6-Turbo-Hybride die alten 2,4-Liter-V8-Sauger ersetzt haben, entscheiden die Antriebseinheiten über Erfolg und Niederlage im WM-Zirkus. Und das sei für den Sport sehr ungesund, betont der Ingenieur noch heute.
Im Gespräch mit den Kollegen der Zeitung «The Hindu» erklärt Newey: «Es ist wichtig, dass wir ein Gleichgewicht zwischen Chassis, Motor und Fahrer finden, doch derzeit dominiert der Motor und das ist ungesund.» Und er erinnert sich: «1967 kam Cosworth mit einem überlegenen Motor, der exklusiv für das Lotus-Team konstruiert worden war. Es war schnell klar, dass der Motor dominieren würde. Deshalb hat Lotus im Sinne des Sports auf die exklusive Nutzung verzichtet.»
Seufzend fügt der Ausnahmekönner an: «Heute fehlt es leider an einer solchen Haltung. Aber wenn der Sport nicht mehr gesund ist, was macht es denn noch für einen Sinn, Siege einzufahren?» Dass er mit Red Bull Racing vor der Einführung der Turbo-Hybride selbst eine lange Erfolgssträhne erlebte, sei nicht mit der aktuellen Situation vergleichbar: «Wir haben zwar vier Titel gewonnen, aber 2010 und 2012 wurde bis zum letzten Rennen um den WM-Titel gekämpft.»
Und Newey betont: «Die Vorteile beim Chassis und in der Aerodynamik sind sehr schnell offensichtlich, sobald man damit auf die Strecke geht, können die Gegner sich deine Kniffe abschauen. Beim Motor ist das nicht möglich. Aufholen kann man nur, wenn man Unmengen an Geld investiert und die richtigen Leute holt. Ferrari konnte von 2014 auf 2015 zwar einen grossen Fortschritt erzielen. Der hat aber viel gekostet, ausserdem waren Mercedes-Leute, die an Bord geholt wurden, nötig.»
Deshalb will Newey seine Erwartungen für 2016 auch nicht zu hoch stecken: «Wir hoffen, dass wir die Lücke zu Ferrari und Mercedes wahren können, es könnte aber auch durchaus sein, dass wir zum Ende der Saison weiter weg sein werden als noch im vergangenen Jahr. Denn sowohl Ferrari als auch Mercedes erwarten grosse Fortschritte.»