Barcelona: Vettel (Ferrari) 1., Nico Rosberg blufft
Nach dem ersten Wintertesttag der Formel 1 hatte der vierfache Formel-1-Champion Sebastian Vettel festgehalten: «Mit dem Auto bin ich zufrieden. Wenn ich etwas zu monieren hätte, dann höchstens, dass ich gerne mehr gefahren wäre.» Das könnte der Heppenheimer auch über Tag 2 auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya sagen.
Erneut ist der Formel-1-Chmpion von 2010, 2011, 2012 und 2013 Tagesbestzeit gefahren, aber WM-Rivale Mercedes ist mehr auf der Strecke zu sehen gewesen. Und das ist derzeit wertvoller als eine Bestzeit für die Gallerie.
Vettel relativiert: «Nach eineinhalb Tagen ist das Potenzial natürlich noch nicht ausgeschöpft, es wäre auch schlimm, wenn das so wäre. Bis jetzt ist es aber schon ein grosser Schritt nach vorne, in jedem Bereich. Und das war auch unser Ziel. Natürlich kommt es aber darauf an, was die anderen machen.»
Was die anderen machen? Mit seinem früheren Red Bull Racing-Stallrivalen Daniel Ricciardo lieferte sich Vettel kurz vor der Mittagspause ein hübsches Pingpong-Duell um die Bestzeit, zuletzt auf der (violett gekennzeichneten) ultraweichen Mischung, welche die Fahrer 2016 vorwiegend auf Strassenkursen wie Monaco oder Singapur einsetzen werden.
Ergebnis: Der Ferrari ist auf eine Runde rund sieben Zehntelsekunden schneller als der RBR-Renner. Aber niemand weiss, welche Spritmengen die beiden an Bord hatten.
Ferrari hat übrigens bestätigt, wie in der kommenden Woche gefahren wird. Nicht mehr mit Vettel zu je zwei Tagen und dann Kimi Räikkönen zwei Mal, sondern in der Reihenfolge Vettel, Räikkönen, Räikkönen, Vettel.
Bei Mercedes-Benz gehen die Experten im Fahrerlager davon aus, dass im Silberpfeil stets tüchtig Benzin an Bord ist. Nach Lewis Hamilton am Montag ist auch Nico Rosberg am Dienstag der Trainingsfleissigste, der Engländer kam auf 155 Runden, der Deutsche hat das nun mühelos übertroffen.
Von der sagenumwobenen neuen Fahrzeugnase des Silberpfeils ist noch nichts zu sehen, dafür verblüffte die Form der Barge-Boards, also der stehenden Luftleit-Elemente seitlich der Fahrerzelle und vor dem Eingang der Seitenkästen. Die sind nicht mehr aus einem Stück gebacken, sondern in viele fächerartige Einzelteile gestückelt.
Einhellige Meinung im Fahrerlager: Mercedes stapelt mit dem neuen Auto tief. Rosberg war auch nicht mit weichen Reifen unterwegs, sondern blieb auf mittelharten Walzen der Vorgabe der Techniker treu – Kilometer bolzen.
Force-India-Pilot Nico Hülkenberg will 2016 Williams das Leben schwer machen und seinen ersten Formel-1-Podestplatz erringen. Sein Stallgefährte Sergio Pérez zeigte am Dienstagnachmittag, dass dies kein utopisches Ziel ist. 1:23,650 min auf superweichen Reifen, das darf sich sehen lassen. Denn Experten schätzen den Unterschied zwischen superweichen Walzen und der ultraweichen (wie sie der Tagesbeste Vettel am Wagen hatte) auf sechs bis sieben Zehntelsekunden. Rückstand des Mexikaners auf den Deutschen: 0,840 Sekunden. Jetzt bliebe da nur noch die Frage, wie es bei Unterschieden in Sachen Spritlast und Motorelektronik aussieht. Alle Motorenhersteller sagen unter der Hand: Noch wird nicht die volle Power freigegeben, viel zum Fahren kommen und die Autos kennenlernen, das hat beim ersten Wintertest Priorität.
So konservativ wie die Mercedes-Fahrer bleibt auch Williams, mit Valtteri Bottas am Lenkrad. Stoisch spulte der Finne seine Runden herunter.
Daniel Ricciardo hat den guten Eindruck von Red Bull Racing bestätigt. Teamchef Christian Horner will sein Team in die Lage bringen, einen Sieg abzustauben, wenn die Top-Teams schwächeln, so wie das der Australier 2014 drei Mal schaffte.
Bei Renault verrauchte ein Motor, angeblich wegen eines Turboladerschadens, damit war vorzeitig Feierabend. Das Team flüchtete in Galgenhumor: «Was unsere besondere Analyse angeht, wobei kein Technikpersonal beteiligt war, gehen wir davon aus – der Wagen versuchte, einen Tweet zu senden, merkte, dass das nicht möglich ist und hat dann auf Rauchsignale zurückgegriffen.»
Nach den Software-Problemen vom Montag meint Jolyon Palmer mit feiner Ironie: «42 Runden sind besser als 37.» Renault hat das Ziel verpasst, die neue Fahrzeugnase ausgiebiger zu testen.
Die persönliche Bestzeit von Pascal Wehrlein im Manor auf weichen Reifen darf sich sehen lassen. Immer mehr erhärtet sich der Eindruck, dass der kleine englische Rennstall wirklich den Anschluss ans hintere Mittelfeld schaffen kann.
Zwischendurch gab es eine längere Pause, als bei Manor an der Vorderachse gearbeitet wurde. Zudem erhielt der Indonesier Rio Haryanto seinen Sitz angepasst. Er gibt morgen Mittwoch für Manor sein Debüt.
Esteban Gutiérrez bestätigte die positiven Aussagen, die gestern Romain Grosjean über den neuen Haas-Renner machte. «Das Handling stimmt, ich muss nur den Wagen ein wenig besser auf meine Bedürfnisse abstimmen.» Der am Montag gebrochene Frontflügel wurde verstärkt, beim zweiten Barcelona-Test wird es einen neuen geben.
Der Aufreger des Tages war die Entmachtung von Honda-Rennchef Yasuhisa Arai. Und das Gerücht, dass Fernando Alonso von McLaren-Honda die Nase voll haben könnte, sollte es dort nicht aufwärts gehen. Heute war der Spanier vorwiegend mit Aero-Versuchen beschäftigt. Sein Arbeitseifer deutet nicht auf Lustlosigkeit hin. Alonso hat nun an einem Tag mehr Runden zurückgelegt als in seiner ganzen Saisonvorbereitung 2015.
Und wenn wir schon bei Kilometern sind: Rosbergs Rundenausbeute entspricht ziemlich genau der Luftlinie zwischen dem Mercedes-Werk in Brackley und dem Mercedes-Mutterhaus in Stuttgart.
Vielleicht versuchte Sebastian Vettel ja etwas Ähnliches. Aber beim Langlauf mit dem Ferrari rollte der Deutsche in Kurve 3 aus. Ein Defekt muss das nicht sein. Üblich wäre zu diesem Zeitpunkt der Wintertests, versuchsweise mal den Tank leer zu fahren.
Barcelona-Test, 2. Tag
1. Sebastian Vettel (D), Ferrari SF16-H, 1:22,810 (125)
2. Daniel Ricciardo (AUS), Red Bull Racing RB12-TAG Heuer, 1:23,525 (112)
3. Sergio Pérez (MEX), Force India VJM09-Mercedes, 1:23,650 (101)
4. Nico Rosberg (D), Mercedes F1 W07 Hybrid, 1:24,867 (172)
5. Marcus Ericsson (S), Sauber C34-Ferrari, 1:25,237 (108)
6. Esteban Gutiérrez (MEX), Haas VF-16-Ferrari, 1:25,524 (78)
7. Valtteri Bottas (FIN), Williams FW38-Mercedes, 1:25,648 (134)
8. Pascal Wehrlein (D), Manor MRT05-Mercedes, 1:25,925 (71)
9. Fernando Alonso (E), McLaren MP4-31-Honda, 1:26,082 (119)
10. Jolyon Palmer (GB), Renault RS16, 1:26,189 (42)
11. Max Verstappen (NL), Toro Rosso STR11-Ferrari, 1:26,539 (121)
Barcelona-Testzeiten, 1. Tag
1. Sebastian Vettel (D), Ferrari SF16-H, 1:24,939 (69 Runden)
2. Lewis Hamilton (GB), Mercedes F1 W07 Hybrid, 1:25,409 (155)
3. Daniel Ricciardo (AUS), Red Bull Racing RB12-TAG Heuer, 1:26,044 (86)
4. Valtteri Bottas (FIN), Williams FW38-Mercedes, 1:26,091 (80)
5. Alfonso Celis (MEX), Force India VJM09-Mercedes, 1:26,298 (57)
6. Jenson Button (GB), McLaren MP4-31-Honda, 1:26,860 (83)
7. Carlos Sainz (E), Toro Rosso STR11-Ferrari, 1:27,180 (55)
8. Marcus Ericsson (S), Sauber C34-Ferrari, 1:27,555 (88)
9. Pascal Wehrlein (D), Manor MRT05-Mercedes, 1:28,292 (54)
10. Romain Grosjean (F), Haas VF-16-Ferrari, 1:28,399 (31)
11. Jolyon Palmer (GB), Renault RS16, 1:29,356 (37)
Die wichtigsten Termine
Präsentationen/Roll-out
29. Februar: Präsentation Toro Rosso (Circuit de Barcelona-Catalunya)
1. März: Präsentation Sauber (Circuit de Barcelona-Catalunya)
Formel-1-Wintertests
22.–25. Februar: Spanien (Barcelona)
1.–4. März: Spanien (Barcelona)
1. Barcelona-Test: So wird gefahren
Mercedes
Mittwoch 24. Lewis Hamilton
Donnerstag 25. Nico Rosberg
Ferrari
Mittwoch und Donnerstag Kimi Räikkönen
Williams
Mittwoch und Donnerstag Felipe Massa
Red Bull Racing
Mittwoch und Donnerstag Daniil Kvyat
Force India
Mittwoch Nico Hülkenberg
Donnerstag Alfonso Celis
Toro Rosso
Mittwoch: Carlos Sainz
Donnerstag: Max Verstappen
Sauber (mit 2015er Auto in neuer Lackierung)
Mittwoch und Donnerstag Felipe Nasr
McLaren-Honda
Mittwoch Jenson Button
Donnerstag Fernando Alonso
Manor Racing
Mittwoch und Donnerstag Rio Haryanto
Renault
Mittwoch und Donnerstag Kevin Magnussen
Haas F1
Mittwoch Romain Grosjean
Donnerstag Esteban Gutiérrez
Formel-1-WM
20. März: Australien (Melbourne)
3. April: Bahrain (Sakhir)
17. April: China (Shanghai)
1. Mai: Russland (Sotschi)
15. Mai: Spanien (Barcelona)
29. Mai: Monaco (Monte Carlo)
12. Juni: Kanada (Montreal)
19. Juni: Aserbaidschan (Baku) *
3. Juli: Österreich (Spielberg)
10. Juli: Grossbritannien (Silverstone)
24. Juli: Ungarn (Budapest)
31. Juli: Deutschland (Hockenheim)
28. August: Belgien (Spa-Francorchamps)
4. September: Italien (Monza)
18. September: Singapur
2. Oktober: Malaysia (Sepang)
9. Oktober: Suzuka (Japan)
23. Oktober: USA (Austin) **
30. Oktober: Mexiko (Mexiko-Stadt)
13. November: Brasilien (Sao Paulo)
27. November: Abu Dhabi (Insel Yas)
* Strecke noch nicht homologiert
** Finanzierung noch nicht gesichert