Ferrari in Bahrain: Erneut Reifen-Strategiefehler?
Sebstian Vettel im Ferrari: Reifenwahl verpatzt
Ferrari hat in Australien eine Siegchance mit der falschen Reifenwahl verschenkt – so die einhellige Meinung der meisten GP-Experten nach dem WM-Auftakt in Melbourne.
Auch Williams-Technikchef Pat Symonds sagt: «Ferrari musste etwas anderes versuchen als Mercedes, aber uns war von Anfang an klar, dass der beste Weg nach der roten Flagge war, ohne weiteren Halt durchfahren zu wollen.»
Zur Erinnerung: Als das Rennen wegen des Unfalls von Gutiérrez und Alonso unterbrochen war (die Piste musste gereinigt, die Streckenbegrenzung instand gestellt werden), wechselte Mercedes bei Nico Rosberg von der superweichen Mischung auf die mittelharte, Ferrari aber behielt Sebastian Vettel auf superweich, womit klar war – Rosberg kann bis ins Ziel durchfahren, Vettel muss noch einmal hereinkommen.
Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene entschuldigte sich nach dem Rennen: «Wir haben mit einer aggressiven Strategie versucht, Mercedes auszuhebeln, aber das hat nicht funktioniert.»
Fakt ist: Kein Rennwagen war im Testwinter so ausführlich auf der mittelharten Mischung unterwegs wie der Silberpfeil. Wenn es überhaupt ein Team gibt, das jedes Geheimnis dieser Mischung entschlüsselt hat, dann ist es Mercedes-Benz.
Dennoch sagte Teamchef Toto Wolff im Anschluss an den Australien-GP: «Wir waren uns unserer Sache durchaus nicht so sicher. Unsere Berechnungen zeigten vielmehr, dass der Reifen nicht halten würde. Wir mussten damit rechnen, dass die Walzen fünf Runden vor Schluss am Ende sein würden. Zumal die Pistentemperatur von Runde zu Runde mehr fiel, weil es langsam Spätnachmittag wurde. Unser Reifenfachmann meinte trocken – fünf Runden vor Schluss sind wir geliefert. Aber was sollten wir machen? Wir konnten den Jungs ja schlecht ins Auto funken, sie sollen langsamer machen. Erstens hätte das an den Temperaturen nichts geändert, und zweitens müssen die Piloten vor dem Hintergrund der neuen Regeln auf solches Coaching verzichten. Tatsächlich ist dann das passiert – hinten links hat der Reifen die Haftung eingebüsst, aber die Walzen an den anderen drei Ecken haben durchgehalten, und so haben wir es mit beiden Autos ins Ziel geschafft.»
Für den zweiten WM-Lauf des Jahres, am 3. April in der Nacht von Bahrain, haben sich Mercedes und Ferrari erneut für eine unterschiedliche Wahl ihrer Trockenreifen entschieden: Hamilton und Rosberg haben von den erlaubten dreizehn Sätzen nur einen in der Mischung mittelhart (weiss markiert) ausgewählt, dafür je sechs der Mischungen weich (gelb) und superweich (rot).
Die Ferrari-Strategen versuchen ihr Glück in dieser Kombination: Drei Sätze mittelharte Reifen, vier weiche, sechs superweiche.
In der Liste fällt auf: Nur bei Toro Rosso, Sauber und Haas wird die Reifenaufteilung gesplittet, bei allen anderen Rennställen haben die beiden Fahrer die gleiche Anzahl Mischungen zur Verfügung.
Generell führte Pirelli zur Saison 2016 ja eine fünfte Trockenreifenmischung ein (violett markiert). Die Farben für die anderen Mischungen bleiben: Rot für extraweich, gelb für weich, weiss für mittelhart, orange für hart. Dazu gibt es natürlich immer noch die Schlechtwetterreifen, den Intermediate (grün) und den Regenreifen (blau).
Vor allem jedoch ist es nicht mehr so, dass die Mailänder den Teams zwei Mischungen für ein bestimmtes Rennen vorschreiben. Pirelli wählt nur noch einem Reifentyp aus. Die anderen beiden Mischungen wählt das Team. Das Team kann mit seinen zwei Piloten auch zwei unterschiedliche Wege gehen, was die Auswahl der Reifenmischungen betrifft, so wie das Toro Rosso, Sauber und Haas für Bahrain machen.
Aber nur wer das Kleingedruckte im komplexen Reifenreglement liest, der ahnt, dass auf die Rennställe eine schwierige Aufgabe zukommt. Denn im sportlichen Reglement ist verankert, dass Pirelli für Überseerennen eine Vorlaufzeit von 14 Wochen eingeräumt wird, um die Reifen für das entsprechende Rennen herzustellen (für Rennen in Europa gelten acht Wochen).
Die Rennställe mussten also ohne Testerfahrung entscheiden, welche Reifen sie in im ersten Saisonviertel verwenden. Denn der erste Wintertest fand ab 22. Februar statt, also in Woche 8 des Jahres 2016. Mit vierzehn Wochen Vorlaufzeit heisst das – die Rennen in Australien (Ende der elften Kalenderwoche), Bahrain (Ende der 13.), China (Ende der 15.) und Russland (Ende der 17.) sind alles Schüsse ins Blaue! Erst die Entscheidung für die Reifen beim Spanien-GP (15. Mai) kann auf Erfahrungen aus den beiden Wintertestfahrten auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya beruhen.
Reifenverteilung Bahrain
Lewis Hamilton (Mercedes)
1 Satz Medium, 6 Sätze Weich, 6 Sätze Superweich
Nico Rosberg (Mercedes)
1 Satz Medium, 6 Sätze Weich, 6 Sätze Superweich
Sebastian Vettel (Ferrari)
3 Sätze Medium, 4 Sätze Weich, 6 Sätze Superweich
Kimi Räikkönen (Ferrari)
3 Sätze Medium, 4 Sätze Weich, 6 Sätze Superweich
Valtteri Bottas (Williams)
3 Sätze Medium, 3 Sätze Weich, 7 Sätze Superweich
Felipe Massa (Williams)
3 Sätze Medium, 3 Sätze Weich, 7 Sätze Superweich
Daniel Ricciardo (Red Bull Racing)
2 Sätze Medium, 5 Sätze Weich, 6 Sätze Superweich
Daniil Kvyat (Red Bull Racing)
2 Sätze Medium, 5 Sätze Weich, 6 Sätze Superweich
Kevin Magnussen (Renault)
1 Satz Medium, 5 Sätze Weich, 7 Sätze Superweich
Jolyon Palmer (Renault)
1 Satz Medium, 5 Sätze Weich, 7 Sätze Superweich
Nico Hülkenberg (Force India)
2 Sätze Medium, 5 Sätze Weich, 6 Sätze Superweich
Sergio Pérez (Force India)
2 Sätze Medium, 5 Sätze Weich, 6 Sätze Superweich
Max Verstappen (Toro Rosso)
1 Satz Medium, 7 Sätze Weich, 5 Sätze Superweich
Carlos Sainz (Toro Rosso)
2 Sätze Medium, 6 Sätze Weich, 5 Sätze Superweich
Fernando Alonso (McLaren-Honda)
3 Sätze Medium, 4 Sätze Weich, 6 Sätze Superweich
Jenson Button (McLaren-Honda)
3 Sätze Medium, 4 Sätze Weich, 6 Sätze Superweich
Marcus Ericsson (Sauber)
3 Sätze Medium, 5 Sätze Weich, 5 Sätze Superweich
Felipe Nasr (Sauber)
4 Sätze Medium, 4 Sätze Weich, 5 Sätze Superweich
Pascal Wehrlein (Manor)
4 Sätze Medium, 5 Sätze Weich, 4 Sätze Superweich
Rio Haryanto (Manor)
4 Sätze Medium, 5 Sätze Weich, 4 Sätze Superweich
Romain Grosjean (Haas)
2 Sätze Medium, 4 Sätze Weich, 7 Sätze Superweich
Esteban Gutiérrez (Haas)
1 Satz Medium, 5 Sätze Weich, 7 Sätze Superweich
Formel-1-WM
20. März: Australien (Melbourne) – Sieger: Nico Rosberg (D)
3. April: Bahrain (Sakhir)
17. April: China (Shanghai)
1. Mai: Russland (Sotschi)
15. Mai: Spanien (Barcelona)
29. Mai: Monaco (Monte Carlo)
12. Juni: Kanada (Montreal)
19. Juni: Europa (Aserbaidschan, Baku)
3. Juli: Österreich (Spielberg)
10. Juli: Grossbritannien (Silverstone)
24. Juli: Ungarn (Budapest)
31. Juli: Deutschland (Hockenheim)
28. August: Belgien (Spa-Francorchamps)
4. September: Italien (Monza)
18. September: Singapur
2. Oktober: Malaysia (Sepang)
9. Oktober: Suzuka (Japan)
23. Oktober: USA (Austin)
30. Oktober: Mexiko (Mexiko-Stadt)
13. November: Brasilien (Sao Paulo)
27. November: Abu Dhabi (Insel Yas)