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Nick Heidfeld in Servus-TV: Wie die Formel 1 versagt

Kolumne von Mathias Brunner
Nick Heidfeld und Hans-Joachim Stuck bei «Sport und Talk im Hangar-7»

Nick Heidfeld und Hans-Joachim Stuck bei «Sport und Talk im Hangar-7»

​Was sagen die Rennfahrer Hans-Joachim Stuck und Nick Heidfeld sowie der Fachjournalist Gerhard Kuntschik zum Stand der Dinge in der Formel 1?

Bei «Sport und Talk aus dem Hangar-7» von Servus-TV hatten die beiden Racer Hans Stuck und Nick Heidfeld sowie Fachjournalist Gerhard Kuntschik viel zu besprechen. Denn die Mächtigen der Formel 1 haben sich mit vielen Entscheidungen in den Fuss geschossen und langjährige Fans vergrault.

Zunächst mal gab es Zwischenzeugnis. Stuck gibt der Formel 1 eine 4: «Man darf nicht immer nur Kritik üben. Für mich ist das noch immer die Königsklasse des Motorsports, man gibt sich Mühe, Dinge zu verbessern. Wenn man alles schlecht redet, wird es auch nicht besser. Die 4 ist jetzt aber auch keine brillante Note. Man muss mit gesunder Vernunft daran gehen, etwas zu ändern, und ich finde es generell auch wichtig für eine Motorsportkategorie, dass man Änderungen gegenüber offen bleibt.»

Gerhard Kuntschik, Formel-1-Berichterstatter der Salzburger Nachrichten und Mitarbeiter von SPEEDWEEK.com: «Ich kann dem Sport gegenwärtig leider nur eine 5 geben, weil es derart viele Baustellen gibt, dass ich gar nicht weiss, wo ich anfangen soll. Es geht ja nur nur um einige unterhaltsame Rennen wie Australien, Bahrain und China, dass alles gleich ins Positive dreht. Man muss hinter die Kulissen schauen, und da liegt einiges im Argen.»

Der 183fache GP-Teilnehmer Nick Heidfeld sagt. «Ich gebe eine 3,3 – weil ich der Ehrlichkeit halber sagen muss, dass ich nicht alle Rennen gesehen habe. Ich war ja am vergangenen Sonntag in Silverstone selber im Einsatz, also habe ich den China-GP verpasst. Aber alleine die Tatsache, dass ich für die Formel 1 den Wecker nicht gestellt habe, das beweist, dass mir gegenwärtig ein wenig der Kick im GP-Sport fehlt, der früher da war. Da wollte ich kein Rennen verpassen.»

Gemäss Nick Heidfeld ist der grösste Kritikpunkt derzeit: «Die Überholmanöver sind mir mit dem verstellbaren Heckflügel, dem so genannten DRS, einfach zu langweilig. Früher war das eine ganz enge Kiste, du musstest dich auf der Bremse am Gegner vorbei quetschen, heute sehen wir – der Hintermann stellt den Flügel flach, schert aus dem Windschatten aus und überholt den Vordermann wie auf der Autobahn. Entschuldigung, aber das ist für mich zu einfach.»

Gerhard Kuntschik findet: «Die Formel 1 ist in vielen Belangen viel zu kompliziert. Ich kann doch nicht Regeln einführen, die dann in Geschichten in der Zeitung oder im Netz oder auch durch den Moderator im Fernsehen zunächst einmal einer längeren Erklärung bedürfen. Noch schlimmer ist, dass diese Regeln dann auch noch ständig geändert werden. Könnte sich jemand vorstellen, dass nach zwei Spielen der Fussball-WM die Regeln geändert werden? Das wäre doch undenkbar. Bei uns aber geht das. Im übrigen ist mir die Formel 1 für die Fans viel zu teuer. Wer mit seiner Familie zu einem Rennen reisen will, der kann dafür eine Woche Mallorca machen – da muss sich doch niemand mehr fragen, wieso unser Sport Zuschauer verliert.»

Hans Stuck sagt: «Mir hat es in der Formel 1 zu wenige Konkurrenten, wir brauchen ein besser gefülltes Startfeld. Da brauchen wir 30 Renner! Und da fallen halt mal vier raus, wenn jemand im Qualifying verwachst hat. Dann haben die Fans auch wieder mehr Autos auf der Bahn, und wir brauchen solche Kinkerlitzchen nicht wie diesen depperten Shoot-out, der zum Glück nach dem Debakel in Australien und Bahrain wieder abgeschafft worden ist.»

«Ich finde es zudem wie Nick lachhaft, wie einfach das Überholen dank des verstellbaren Heckflügels ist. Das sind keine echten Überholmanöver. Aber das gehört eben auch zu einer zu stark reglementierten, zu komplizierten Formel 1.»

Für 2017 wollen Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone und auch die Teams einen GP-Sport, in dem die Autos schneller sind, aggressiver ausschauen, sichtbar schwieriger zu fahren sind und obendrein mehr Krawall machen.

Nick Heidfeld sagt: «Ich glaube, das ist der richtige Ansatz. Ich selber würde auch gerne breitere Reifen sehen. Wenn das Auto über den Reifen mehr Haftung aufbaut, dann wird es einfacher, dem Vordermann zu folgen. Als ich noch Formel 1 fuhr, waren die Autos richtig schnell. Mir ist der moderne GP-Sport zu langsam. Ich kann die Fahrer gut verstehen, wenn sie schimpfen, dass sie unterfordert seien. Die Formel 1 sollte doch noch immer die Messlatte sein – vor allem, was den Speed angeht.»

«Aus körperlicher Sicht ist die Formel 1 nicht anstrengend genug. Es ist einfacher geworden, das wird doch auch durch die Tatsache belegt, dass Neulinge ganz schnell Fuss fassen.»

Gerhard Kuntschik: «Eine simple Lösung wäre: weniger Betonung der Aerodynamik. Aber damit sind wir bei einem politischen Problem wegen der Entscheidungsstruktur in der Formel 1. Gegen einen solchen Schritt ist natürlich ein Team wie Red Bull Racing, bei dem der beste Aerodynamiker der Branche arbeitet, Adrian Newey. Wenn am Motor etwas geändert werden soll, dann ist natürlich Mercedes-Benz als Klassenbester dagegen. Die Teams haben viel Mitsprachrecht, und die FIA hat keine leichte Aufgabe, da eine Lösung zu finden für 2017 und 2018, was Aerodynamik und Motoren angeht.»

Hans Stuck findet: «Dem Fan ist es doch komplett wurscht, ob die Autos in Hockenheim nun 90 oder 100 Sekunden für eine Runde brauchen. Der will Kampf und Action sehen. Also muss ich da dem Nick widersprechen. Wir brauchen nicht jedes Jahr schneller zu fahren, wir brauchen vielmehr weniger Künstlichkeit, siehe Anweisungen von der Box. Da wurde dem Piloten ja bisweilen alles vorgebetet, was er machen muss. Ja, geht’s denn noch? Ich muss doch als Pilot selber genügend Eier in der Hose haben, um abschätzen zu können, ob ich meinen Gegner nun ausbremsen kann oder nicht.»

«Zum Glück erhalten die Piloten nun weniger Anweisungen von der Box. Ich fand es als Zuschauer total fad, wenn einem Fahrer erklärt wird, er müsse nun in einer Kurve ein wenig langsamer fahren, oder er solle an der Bremsbalance etwas verstellen, das ist alles völlig falsch – das muss der Pilot entweder selber wissen oder selber, im wahrsten Sinne des Wortes, erfahren.»

Dann wechselt Nick Heidfeld die Gesprächsrichtung: «Ein wichtiger Punkt ist für mich auch die Hybridtechnik. Ich finde, das passt einfach nicht zur Formel 1. Das passt eher zu unseren Autos in der Langstrecken-WM und natürlich zur Formel E, wo ich ja auch unterwegs bin. Formel 1 ist für mich nicht Energiesparen und vom Gas gehen.»

Gerhard Kuntschik: «Aber genau das ist doch der Punkt. In der Formel 1 müssen sich die Verantwortlichen endlich mal einig darüber werden – was wollen wir eigentlich? Wollen wir Rennen fahren oder Wirtschaftlichkeitswettbewerbe? Die Formel 1 mit Grands Prix, die zwischen 90 und 120 Minuten dauern, das sollten doch Rennen sein, in welchen es zur Sache geht. Hybridtechnik, grösstmögliche Effizienz bei viel Speed – das ist hingegen ideal für den Langstreckensport. Dorthin gehört meiner Meinung nach die Hybridtechnik. Nicht in die Formel 1.»

Letzte Frage an die drei Insider: Was sollte in der Formel 1 möglichst bald verbessert werden?

Nick Heidfeld: «Die Geldverteilung. Die reichen Teams werden immer reicher, und die kleineren Rennställe müssen immer verzweifelter ums Überleben kämpfen. Das wäre mein Wunsch. Wie umsetzbar der ist, das ist eine andere Frage.»

Gerhard Kuntschik: «Wir brauchen verständliche Regeln. Die Formel 1 muss für die Fans und für die Teams bezahlbar sein. Und wir brauchen Konstanz im Reglement.»

Hans Stuck: «Ich möchte weniger Elektronik und damit mehr Eigenverantwortung für den Fahrer. Denn die meisten GP-Fans kommen wegen der Piloten zu den Rennen, nicht wegen der Technik oder wegen der Marken.»

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