GP Kanada: Volle Tribünen – wieso Montreal boomt
Der einzige Spielverderber in Montreal ist Petrus: Die Wettervorhersage für die kommenden Tage ist wechselhaft und für diese Jahreszeit zu kühl – das könnte einige Kurzentschlossene vom Trainingsbesuch am Circuit Gilles Villeneuve abhalten.
Aber alles deutet darauf hin, dass das Rennen ein weiteres Mal ausverkauft sein wird. François Dumontier, als Präsident der Firma «Octane Management» Promoter des Kanada-GP, darf die Früchte seiner Arbeit ernten: Sein Montreal-GP bleibt ein voller Erfolg. Ein Blick in volle Tribünen am Circuit Gilles Villeneuve drängt die Frage auf: Was machen die Kanadier eigentlich richtig? Wieso kommen hier so viele Fans zum Rennen und in Europa jammern die meisten Veranstalter über sinkendes Interesse?
Vorab ein Blick in die Statistik: Basierend auf Umfragen der letzten Jahre teilt sich die Besuchermasse (beim Rennen mehr als 100.000 Fans) ungefähr wie folgt auf: 47 Prozent der Fans kommen aus der Provinz Québec (die Hälfte davon aus dem Grossraum Montreal). Gut 20% aus dem restlichen Kanada. Weitere 23 Prozent reisen aus den USA an. Und nur knapp jeder zehnte Besucher stammt von ausserhalb Nordamerikas.
Es fällt Jahr für Jahr auf: Montreal umarmt die Formel 1. Überall in der Stadt stolpert ein Besucher über Rennsport, ganze Strassenzüge werden gesperrt, um Feste zu feiern und Renn- oder Supersportwagen auszustellen, die Partys in der Rue Crescent sind legendär. Wer in Montreal nicht bemerkt, dass der Formel-1-Zirkus in der Stadt ist, der sollte vielleicht mal nach seinem Puls sehen.
Zum Vergleich: Wer in Shanghai weiss schon davon, wenn der GP-Tross da ist? Wo sind Rennwagen in den Ramblas von Barcelona?
François Dumontier als Promoter hat begriffen: Werbung ist alles. Und Mund-zu-Mund-Propaganda ist von allem die beste Werbung.
Die Infrastruktur am Circuit Gilles Villeneuve ist bewährt, wenn auch ein wenig in die Jahre gekommen, die meisten Fans verlassen die Strecke happy – und kommen in den folgenden Jahren zurück.
Für 2016 ging François Dumontier einen neuen Weg: Um noch mehr Fans anzulocken, hat er die Preise gesenkt, im Schnitt um 20 Dollar (15 Euro) pro Eintrittskarte. Der Kartenverkauf für 2016 hat schon vor einem Jahr begonnen, wer sich für für ein Ticket entschied, erhielt später ein Rennprogramm gratis hinzu.
François Dumontier hat verstanden: Die Formel 1 hat ein Nachwuchsproblem. Also sind für Familienzonen eingerichtet worden, die besonders auf Paare mit Kindern zugeschnitten sind. François Dumontier: «Wir müssen es schaffen, unser Produkt den Kindern und Jugendlichen vorzustellen. Denn sie sind die Kunden von morgen.»
François Dumontier meint auch: «Zum Teil haben uns die Zahlen selber verblüfft, immerhin haben wir derzeit nicht einmal einen kanadischen Piloten.»
Aber auch hier zeigt Dumontier Gespür fürs Detail: So organisierte er einen Formel-Ford-Einsatz des 61jährigen Jacques Villeneuve sr., Bruder des 1982 tödlich verunglückten Ferrari-Idols Gilles Villeneuve und Onkel des 1997er Formel-1-Champions Jacques Villeneuve. Jacques, der Ältere, bedankte sich mit zwei Siegen in der Seniorenklasse und balgte sich mit Piloten, die seine Enkel sein könnten.
Mittelfristig hofft Dumontier auf den jungen Lance Stroll, der Entwicklungsfahrer von Williams ist und 2016 den Formel-3-EM-Titel holen soll. Wenn in der Karriere des jungen Mannes aus Montreal alles nach Plan läuft, fährt er 2018 oder 2019 Formel 1.