Max Verstappen: Wie Michael Schumacher, Ayrton Senna
Viele Tifosi ärgern sich nach dem Belgien-GP – die Ferrari-Fans werfen Max Verstappen vor, das Rennen von Kimi Räikkönen und Sebastian Vettel ruiniert zu haben. Aber die früheren Formel-1-Rennfahrer Emanuele Pirro, Pierluigi Martini, Ivan Capelli und Jean Alesi sehen das ein weniger differenzierter. Ihre Einschätzungen sind deshalb so wertvoll, weil sie den Rad-an-Rad-Kampf in vielen Rennen gewohnt sind.
Der 54jährige Pirro, fünffacher Le-Mans-Sieger, arbeitet zwischendurch auch als Rennkommissar der FIA, daher ist seine Meinung besonders lesenswert. Meinem Kollegen Luigi Perna von der Gazzetta dello Sport gegenüber sagt der Römer: «Max hat eine ganz neue Art von Zweikampf in den Sport gebracht. Bei ihm gibt es nie lauwarme Überholansätze, er setzt sich entschlossen an die Seite der Gegner und platziert sein Auto für die Angriffe ideal. Er attackiert ohne Bedenken, er riskiert viel, aber nichts im Reglement böte einen Grundsatz für eine Strafe. Es liegt an den anderen, sich anzupassen. Das Überholmanöver in Belgien hätte gepasst, wenn Kimi nach links Raum gehabt hätte. Aber das war schon Vettel. Was ich hingegen nicht in Ordnung fand – wie er sich später gegen Kimi gewehrt hat auf der Kemmel-Geraden. Das fand ich bestrafenswert. Er verteidigt sich zwar sehr gerissen, aber ich würde ihn gerne in so einer Situation mal gegen Hamilton oder Alonso sehen.»
Pierluigi Martini (55), zwischen 1985 und 1985 119 Grands Prix alt geworden, findet: «Ich wünschte, ich wäre so gefahren! Mich erinnert Max an die ganz Grossen, ich denke an Villeneuve, Senna und Schumacher. Schumacher fuhr auch so. Und Nigel Mansell hat auch einige Tollheiten gezeigt. Verstappen sorgt für Unruhe, und das finde ich für die Formel 1 gut. Die Fans sind doch der ganzen Regeln und Schiedsrichter überdrüssig. Klar geht er den anderen Piloten auf die Nerven, aber das ist normal. Er ist schon jetzt der Held der Jungen. Es wäre ja auch fad, wenn wir nur Hamilton und Rosberg hätten ...»
Ivan Capelli (53), früherer Ferrari-Fahrer und heute Chef des Mailänder Automobilklubs, sagt zu Verstappen: «Mich erinnert Max schon sehr an Ayrton Senna und Michael Schumacher. Nur dass vor zwanzig oder vor dreissig Jahren eben kein solches Regelwerk galt wie heute. Damals gab es viel mehr Duell mit der blanken Waffe, wenn ich so sagen darf, das hat keinen aufgeregt, und es war sehr riskant. Ich finde Max aufregend und spektakulär, ich sähe nur gerne Urteile der Rennkommissare, bei welchen mit gleicher Elle gemessen wird. Man kann nicht Vettel in England für die Aktion gegen Massa eine Strafe aufbrummen, und in Belgien wird nichts unternommen. Zudem muss die Formel 1 auch Vorbild für das Pistenverhalten sein, was die anderen Rennkategorien angeht.»
Ex-Ferrari-Star Jean Alesi, am Lenkrad einer der explosivsten GP-Fahrer, ist der Ansicht: «Für mich war das ein Anfängerfehler. Man kann nicht den Start verhauen und dann glauben, man mache alles in der ersten Kurve wieder gut. Aggressivität in Ehren – der Angriff von Max in Silverstone gegen Rosberg war ein Leckerbissen. Und auch das Überholmanöver Verstappens vor einem Jahr aussen herum gegen Felipe Nasr in Blanchimont. Was mir missfällt, das ist wie er seinen Wagen im letzten Augenblick in der Bremszone anders positioniert. Das kam dramatische Folgen haben. Auf einer so schnellen Piste wie etwa Monza kann das jemanden das Leben kosten.»
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