Nico Rosberg: WM für Mercedes, trotzdem unglücklich
Lewis Hamilton und Nico Rosberg – wer wird mit Mercedes Weltmeister?
Jahrelang wurde Nico Rosberg unterstellt, vielleicht sei er schlicht zu nett, um Formel-1-Weltmeister zu werden. Vielleicht sei er zu wenig zielorientiert, zu wenig rücksichtslos, zu wenig hart. Dieser Trugschluss hielt sich ziemlich lange im Fahrerlager. Lewis Hamilton goss tüchtig Benzin ins Feuer, als er vor einem Monaco-GP deponierte, Nico sei mit dem goldenen Löffel im Mund geboren, er, Hamilton habe sich alles erarbeiten müssen. Rosberg schäumte vor Wut.
Die WM-Niederlagen von 2014 und 2015 hätten den Eindruck zementieren können, dass Rosberg eben doch die letzte Konsequenz fehlt, um einen Hamilton zu bügeln. Aber 2016 hat sich gezeigt: Nicht nur hat Rosberg die mentale Härte, er hat auch den Rennspeed, um seinem britischen Widersacher die Stirn zu bieten.
Nach den Remplern von Suzuka und Austin und einer neuen WM-Niederlage ist bei Rosberg etwas passiert, er hat quasi einen inneren Schalter umgelegt. Die restlichen Rennen des Jahres gewann Rosberg, die ersten vier der Saison 2016 ebenfalls. Nach einer Flaute zur Mitte der Saison ist Nico stark aus der Sommerpause zurück gekommen – Siege in Belgien, Italien und Singapur. Damit ist er wieder WM-Leader.
Wie sehr ist dieser Rosberg vom Verlangen beseelt, Formel-1-Weltmeister zu werden? Für mich sagt eine Antwort des Deutschen im Fahrerlager des Sepang International Circuit alles. Nach dem Qualifying ist der WM-Leader gefragt worden: Wird sein Team heute Sonntag in Malaysia Weltmeister, Nico müsse aber den Sieg Hamilton überlassen, wäre er dann trotzdem glücklich? Nico schob die politische Korrektheit einen Moment zu Seite und sagt: «Nein, für mich wäre das kein Erfolg – denn ich will gewinnen.»
So wird Mercedes-Benz Weltmeister
Selbst wenn die Verfolger von Red Bull Racing und Ferrari noch mathematische Chancen auf den Titel haben – das Rennen um die grösste Auszeichnung im internationalen Motorsport wird zwischen Nico Rosberg und Lewis Hamilton ausgemacht. Schon in Japan könnte es so weit sein, dass nur noch die beiden Mercedes-Fahrer für den Titel in Frage kommen.
Einen Titel wird Mercedes-Benz bald klarmachen: den dritten Triumph im Konstrukteurs-Pokal in Folge. Teamchef Toto Wolff: «Das hier in Sepang zu schaffen, wäre von uns ein Herzenswunsch, weil wir Partner Petronas eng verbunden sind und Malaysia als drittes Heimrennen im Jahr betrachten.» Nach Hockenheim und Silverstone (Team-Sitz und Motorenwerk befinden sich in England).
Der Titel ist hoch verdient, denn in der neuen Turbo-Ära hat Mercedes-Benz das Sagen. Seit Beginn 2014 sind die Silberpfeile in 53 Rennen nur sieben Mal geschlagen worden – 2014 drei Mal von Daniel Ricciardo (Red Bull Racing), 2015 drei Mal von Sebastian Vettel (Ferrari), 2016 einmal von Max Verstappen (Red Bull Racing).
Zu 54 Rennen (einschliesslich des heutigen Malaysia-GP) ist 51 Mal ein Silberpfeil von der Pole-Position losgefahren! Nur drei Mal konnte Mercedes-Benz in einem Abschlusstraining der neuen Turbo-Ära geschlagen werden, im Schnitt exakt einmal pro Saison – 2014 von Felipe Massa (Williams) in Österreich, 2015 von Sebastian Vettel (Ferrari) in Singapur, 2016 von Daniel Ricciardo (Red Bull Racing) in Monte Carlo.
Mercedes hat in der WM 2016 einen gewaltigen Vorsprung angehäuft: 538 Punkte, das sind fast 200 Zähler mehr, als die Rennställe Force India, Williams, McLaren-Honda, Toro Rosso, Haas, Renault, Manor und Sauber zusammen geholt haben, also die Teams auf den WM-Rängen 4 bis 11!
Es ist auch bald einmal so viel wie die beiden aufsässigsten Verfolger vorweisen können: Mercedes führt im Konstrukteurs-Pokal mit 538 Punkten vor Red Bull Racing (316) und Ferrari (301).
In der WM 2014 konnte Mercedes-Benz nach dem Russland-GP von Sotschi (Lauf 16 von 19 Rennen) den ersten Titel feiern. In der WM 2015 knallten erneut die Korken in der Olympia-Stadt, dieses Mal bei Lauf 15 von 19. Nun stehen wir vor dem 16. Rennen der Saison 2016, und wenn alles optimal läuft, ist Mercedes heute Sonntag zum dritten Mal in Folge Weltmeister.
Es gibt dazu verschiedene Szenarien. Einfach gesagt: In den sechs ausstehenden Rennen muss Mercedes insgesamt 36 Punkte holen, um nicht mehr eingeholt werden zu können. Das wären also magere sechs Pünktchen pro Rennen. Beim überwiegenden Teil der Rennen 2016 hat Mercedes 36 Punkte oder mehr in nur einem Grand Prix geholt, geschweigen denn in sechs.
Gewinnt in Sepang ein Silberpfeilfahrer und der zweite Pilot kommt auf einem Punkterang ins Ziel (egal, auf welchem), ist Mercedes Weltmeister. Es reichen auch die Ränge 2 und 3, falls Daniel Ricciardo oder Max Verstappen siegt, es spielt dabei keine Rolle, auf welchem der zweite RBR-Fahrer ins Ziel kommt.
Anders formuliert: Mercedes darf (in allen Kombinationen) in Sepang nicht mehr als sieben Punkte auf Red Bull Racing verlieren und nicht mehr als 22 auf Ferrari.
Ungeachtet aller Rechenspiele: Niemand zweifelt nur eine Sekunde daran, dass Mercedes den dritten Titel holt. Die Frage ist nur wann. Am wahrscheinlichsten ist: schon heute in Sepang. Und sonst eben eine Woche später in Japan.
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