Formel E: Wegen Terminchaos ein verflixtes 7. Jahr?
Audi steigt nach dieser Saison aus
Aus dem anfangs weitläufig belächelten Experiment wurde ein erfolgreiches Produkt. Als erste globale Serie des Automobilsports gewann die Formel E einen zahlungskräftigen Namenssponsor (ABB).
Nun beginnt die siebente Saison, in der es erstmals ganz offiziell um einen WM-Titel des Verbandes (FIA) bei Fahrern und Konstrukteuren geht, also wie in der Formel 1 oder der Rallye-WM.
Mit neuem TV-Partner in Deutschland (SAT1). Doch wie soll Season Seven sich gestalten, wenn zum Start am Freitag und Samstag dieser Woche mit dem Doppel in Ad Diriyah (Saudi-Arabien, übrigens erstmals nächtens) nicht einmal der Jahresplan wegen der Pandemie feststeht?
Erste Gewitterwolken
Zudem sind ein Jahr nach der Komplettierung des Teilnehmerfeldes (auf die limitierten zwölf Teams durch den Einstieg von Porsche und Mercedes in Saison sechs) die ersten Gewitterwolken aufgezogen: Audi, fast von Beginn an dabei (über Abt), und BMW (die Bayern haben sich das Team von Michael Andretti angelacht) werden werkseitig Ende der Saison aussteigen. Damit ist die «deutsche Bundesliga des Motorsports» mit den vier Premiummarken nach zwei Jahren wieder passé.
Die größten Sorgen aber macht zweifellos die Pandemie. Der Saisonstart Mitte Jänner in Santiago wurde vorerst auf Anfang Juni verschoben, doch auch der wackelt gewaltig. Chile ist auf der «Roten Liste», die massive Reisebeschränkungen zur Folge hat.
In der Planung stehen bisher die Europa-Rennen in Rom (10. April), Valencia (24. April) und auf einem veränderten Kurs in Monaco (8. Mai) fest, gefolgt vom Traditionsschauplatz Marrakesch (22. Mai).
Was danach in Europa (Berlin, London), Asien (China? Korea? Indonesien?) und den Amerikas (Mexiko? USA? Chile?) passiert, ist völlig offen und «soll so bald wie möglich im Frühjahr» (FE-Website) bekanntgegeben werden. Auf jeden Fall wird diese Saison als erste im Kalenderjahr abgewickelt, nachdem bisher Jahreswechsel-übergreifend terminiert wurde.
Favoriten zu benennen ist schwieriger denn je. Dass Teamchampion DS Techeetah mit Weltmeister Antonio Félix da Costa und Ex-Champion Jean-Éric Vergne weit vorn landen wird, ist unbestritten. Aber dann? Mercedes schloss Saison sechs in Berlin stark ab, hat sich aber – wie Motorsportboss Toto Wolff im Interview bestätigte – für die kommende dritte Auto-Generation noch nicht verpflichtet.
Die Plätze von BMW und Audi werden vermutlich durch Private übernommen. Dragon-Penske, bisher wenig erfolgreich, will an Bord bleiben und mit einem eben präsentierten neuen, potenten Entwicklungspartner (Bosch) durchstarten. Über Nissans Zukunft schwebt wegen der angespannten finanziellen Lage des Konzerns ein Fragezeichen. Jaguar, Mahindra und Venturi scheinen langfristige Ziele zu verfolgen. Bei Porsche kommt ein neuer Anlauf mit einem Hypercar in der Langstrecken-WM – zu Lasten der Formel E?
Im Fahrerfeld gab es einige Veränderungen. Audi (Lucas di Grassi und der Wahl-Bregenzer René Rast, der seit Berlin fuhr), Penske (Nico Müller, Sergio Sette Camara), DS Techeetah (da Costa, Vergne), Mercedes (Stoffel Vandoorne, Nyck de Vries) und Nissan (Sébastien Buemi, Olli Rowland) blieben unverändert.
Jaguar hat sich verstärkt
Massiv verstärkt hat sich wohl Jaguar mit Sam Bird (mit neun Rennsiegen dritterfolgreichster Fahrer der FE) an der Seite von Mitch Evans. Bei Porsche ersetzt der F1-erfahrene Pascal Wehrlein Neel Jani, der nun Testfahrer ist. Wehrleins Platz bei Mahindra nimmt Alex Sims (neben Alex Lynn) ein, der BMW Andretti verließ.
Dort wurde überraschend der frühere Aston-DTM-Pilot Jake Dennis zum Partner des Deutsch-Österreichers Max Günther gemacht. Bei Envision Virgin wird Bird durch den bisher vor allem in Japan erfolgreichen Kiwi Nick Cassidy (von Red Bull für die neue DTM engagiert) als Kollege von Robin Frijns ersetzt.
Tom Blomqvist feiert bei Nio als Partner von Oliver Turvey ein FE-Comeback. Und bei Susie Wolffs Venturi-Team ist Norman Nato neuer Fahrer neben Edoardo Mortara. Dort heuerte Jérome d’Ambrosio, der Schwager von Ferdinand Habsburg, als Stellvertreter von Wolff an und will nicht mehr selbst fahren.
In sechs Jahren FE war Sébastien Buemi bisher als Siegfahrer am erfolgreichsten: 13 Rennen gewann der erstaunliche Schweizer, der Diener dreier japanischer Autohersteller ist (sic!): von Nissan in der FE, von Toyota im WEC und von Honda als Red-Bull-Testpilot in der F1. An Gesamtpunkten hat bisher Lucas di Grassi am meisten angeschrieben (796 vor Buemi 783). Die Titelgewinner hießen bisher Nelson Piquet jun. (Saison eins), di Grassi (zwei), Buemi (drei), Vergne (vier und fünf) und da Costa (sechs).