Wehe, wenn sie losgelassen, rasen sie ganz ungehemmt
Schöner Zweikampf: Albert Raesfeld/Marvin Graf (6) und Edgar und Julia Starke (46)
Das Vatertagsrennen auf dem Westfalenring in Lüdinghausen dauerte aufgrund einiger Stürze zwar länger als geplant, aber abwechslungsreich war der Grasbahnklassiker durchaus. Im Rahmenprogramm waren nicht nur die B-Solisten und wie immer an dieser Stelle die Enduros vertreten, sondern auch eine kleine Gruppe von 1000er-Seitenwagen aus England und deutsche Oldie-Gespanne.
Nachdem der MSC Schwarme damit begonnen hatte, Oldie-Teams mit Seitenwagen aus den 1960er- bis 1990er-Jahren in den Renntag einzubauen, zogen Vechta, Osnabrück und jetzt auch Lüdinghausen nach und das mit viel Erfolg. Die Fans am Rande der Bahnen zeigten sich bisher begeistert vom Auftreten der bollernden und knatternden Dreiräder.
In Lüdinghausen hatten Harald Landmann aus Hamburg und Ditmar Hans aus Tönning ihre Weslakes aus dem Jahr 1979 dabei, Albert Till aus Martfeld präsentierte seine beeindruckende Jawa Baujahr 1968 und der Dortmunder Egon Walla knallte mit seiner lärmenden 4-Zylinder-Yamaha ums Oval.
Und dann waren da noch Albert Raesfeld und Edgar «Ede» Starke. Die beiden Freunde fuhren im vergangenen Jahrhundert um die Deutsche Meisterschaft in der Seitenwagenklasse. Raesfeld, jetzt Ehrenvorsitzender des AMSC Lüdinghausen, wurde 1988 Vierter und 1989 Dritter der DM zusammen mit Beifahrer Karsten Friedrich.
Edgar Starke aus Witten kam damals zusammen mit Bruder Peter jeweils auf Platz 8 ins Ziel.
Für das 80. Geburtstagsrennen des AMSC hatte Ede Starke für seinen Freund Albert dessen 500ccm-Gespann aus dem Jahr 1986 wieder aufgebaut und einen neuen GM integriert. Starke selbst wollte mit der tollen 3-Zylinder-Suzuki von 1974 das Showrennen auf dem 1000m-Ring bestreiten.
Und dann ging es auch schon los. Band hoch, alle weg. Alle? Nein, Starke und sein prominenter Beifahrer Liam Brown (GB), der neben diesem Part auch bei Gareth Winterburn im 1000er-Boliden und bei Josh Goodwin (500 ccm) als Beifahrer mitfuhr, kamen keine zehn Meter weit. Der knatternde Zweitakter knatterte nicht mehr, er blieb einfach stehen.
Aber wahrscheinlich war das Ganze ein schlauer Schachzug des Witteners, ein «Fake», wie man heute sagt, denn jetzt konnte er endlich sein zweites, leistungsstarkes Gespann an den Start bringen, das Motorrad, mit dem sein Schützling Tommy Kunert einst einen Erfolg nach dem anderen eingefahren hatte.
So standen beim nächsten Durchgang Ede und Albert, der mit Marvin Graf einen jungen Beifahrer im Boot hatte, mit ihren GM’s nebeneinander und ab ging die Post. Schön langsam, wie es sich für eine «Altherren-Fraktion» gehört? Nein, Raesfeld preschte gleich auf der schnellen Startgeraden vorweg, da zog Starke nach und vorbei. Ganz vorbei? Nein. Der Lüdinghausener drehte am Gashahn und blieb vorne, aber nur knapp. So ging es rundherum und alle hatten ihren Spaß.
«Oh Mann, bin ich kaputt», stöhnte Albert Raesfeld später, «aber schön war’s, doch vorbeilassen wollte ich den Ede nicht.» Edgar Starke freute sich bei der anschließenden Ehrung diebisch, gemeinsam mit seiner Tochter Julia, die auf dem Kunert-Gespann als Beifahrer bei ihrem Vater agierte. Den Beifall aber hatten sich alle Oldie-Teams wahrlich verdient.